www.hirntumorhilfe.de
Herzlich willkommen im Forum der Deutschen Hirntumorhilfe!

Thema: Glioblastom IV - Verdrängung

Glioblastom IV - Verdrängung
Lotto-fee
07.10.2018 18:02:57
Hallo liebe Forumsgemeinschaft,
lese hier schon eine Weile und möchte mich gerne zu Wort melden.
Meine Mutter ist 72 Jahre alt und wurde Anfang September 2018 mit zwei Hirntumoren diagnostiziert, Glioblastom IV IDH Wildtyp, Proliferationsindex 6%, nicht operabel, nicht methyliert - keine Chemo möglich.
Einer liegt beim Kleinhirn, ein zweiter weiter außen, beide sind nicht zu erreichen. Die Bestrahlung beginnt am 15.10. da meine Mutter vorher unbedingt noch nach Südfrankreich ans Meer wollte.
Sie kam vor der Erstdiagnose ins Krankenhaus mit Kopfschmerzen, Übelkeit, unsicheren Gang, fahriger Gestik.
MRT zeigte eine eingeblutete Raumforderung, Biopsie drei Tage später, nach einer Woche obige Ergebnisse.
Seit der Biopsie ist meine Mama sehr vergesslich, teilweise desorientiert mit zeitlichen Abläufen, Gangbild immer breitbeiniger, lief nur noch gestützt und langsam. Fiel manchmal einfach um. Seit 1,5 Wochen kann sie nicht mehr laufen, es fällt ihr schwer ihre Füße anzusteuern. Sie braucht viel Hilfe. Sie kann gut greifen, es fällt ihr aber beispielsweise schwer, ein Glas gerade abzustellen, sie muss sich konzentrieren und das Glas anschauen. Sie ist müde. Nachts kann sie nicht gut schlafen, wacht tlw alle zwanzig Minuten auf und möchte auf Toilette. Sie nimmt seit Erstdiagnosed 2 mg Cortison morgens, sonst nix.
Meine Mutter ist sehr sturköpfig, will immer alles selber machen und hasst es auf Hilfe angewiesen zu sein. Ständig ist sie der Meinung, sie könnte jederzeit aufstehen und laufen, wenn sie nicht umgefallen und auf die Rippen gefallen wäre. Sie äußert Dinge wie "ich hab ja nix", plant den nächsten Urlaub im Winter etc. Wenn wir versuchen mit ihr über weiteres Vorgehen daheim zu sprechen, lehnt sie alles ab (Pflegedienst, 24h Dienst). Mein Vater ist 74 und hatte vor kurzem eine Herz OP, er schafft die Pflege körperlich und seelisch nicht alleine. Meine Brüder und ich sind Lehrer, haben gerade Ferien, aber in einer Woche können wir auch nicht mehr viel im Alltag unterstützen.
Ich setze mich gerade mit Pflegestufe und polnischer Pflegekraft vs Pflegeheim vs Hospiz auseinander. Da meine Mutter das Ausmaß der Unterstützung, die sie benötigt und jegliche Veränderung durch den Tumor aber völlig bagatellisiert, bin ich ratlos, wie ich sie ins Boot holen kann, da sie rigoros alles ablehnt. Mein Vater ist nach mehreren beinahe schlaflosen Nächten am Ende seiner Kräfte und völlig überfordert.
Ich würde auch gerne in Richtung Weihrauch und Co überlegen, aber jeder Kommunikationsversuch mit meiner Mama endet recht frustrierend. Kann mir jemand einen Rat geben? Ich glaube für institutionelle Hilfen wie psychoonkologischer Beratung ist sie nicht bereit...
ich weiß einfach nicht, wie es weitergehen soll und die Zeit vergeht.
Für jeden Tipp bin ich dankbar! Auch wie ich oder meine Familie sich beraten lassen kann. Weise ich zum Beispiel darauf hin, wenn sie ständig Sachen vergisst oder lasse ich sie in ihrer Welt? Ich will ihr ja nicht ständig weh tun.
Viele Grüße und Danke für diese Austauschsmöglichkeit
Lotto-fee
Lotto-fee
rosi5
07.10.2018 18:45:41
Liebe Lotto-fee,

zunächst einmal ganz viel Kraft für Dich!
Hut ab, wie Du Dich um Deine Mama kümmerst und wie besorgt Du um sie bist. Das ist wirklich stark, sich so einzusetzen, obwohl man selbst ja auch erstmal mit der Diagnose klarkommen muß.
Deine Mutter spielt alles herunter... "ich hab ja nix"... ich glaube, es ist eine Art Selbstschutz in den ersten 6 Monaten nach einer solchen Diagnose. Man kann machen was man will, man kommt an die betroffene Person nicht ran, die Schotten sind dicht.
Ich würde da nicht weiter versuchen, die Mauer gewaltsam zu durchbrechen.
Ich denke, sie braucht Zeit- ja klar, Zeit ham wa nich- egal.
Ich glaube, nun seid ihr als Familie gefordert, im Hintergrund die Fäden zu ziehen, stets wachsam zu sein und ansonsten immer für sie da zu sein und vielleicht ganz vorsichtig, mit viel Fingerspitzengefühl, die richtigen Momente abzupassen, in denen man weiter zu ihr vordringen kann.
Es geht ihr im Moment doch gut damit. Der harte Moment der Erkenntnis kommt noch früh genug. Laß sie, aber paß gut auf sie auf.
Wegen Infos: es gibt sicher auch in eurer Nähe sogenannte "Krebsberatungsstellen" und soziale Dienste- das sind gute Erstanlaufstellen und beraten und helfen beim Ausfüllen von Formularen.
Ich hoffe, ich konnte Dir einen guten ersten Rat geben, es werden viele folgen, da bin ich mir sicher.

Liebe Grüße,
Rosi
rosi5
Tira
07.10.2018 19:30:24
Liebe Lotto-fee,

das ist echt hart, was du da beschreibst.

Ich würde sie auch, genau wie Rosi, nicht gewaltsam von ihrer Krankheit zu überzeugen versuchen.
Die Sache mit der 24 Stunden-Pflegekraft könnte ich mir am ehesten vorstellen. Vielleicht kann man deiner Mutter erzählen, dass ihr eine nette Dame kennengelernt habt, die dringend eine Wohnung braucht und dafür gerne ein bisschen im Haushalt mithilft...
Geht natürlich nur, wenn es auch wirklich für längere Zeit nur EINE Frau ist und Wohnraum für sie vorhanden ist.
Für's Vergessen hilft wohl meist, wenn für wichtige Dinge Zettel an zentralen Stellen aufgehängt werden. Wenn sie das nerven sollte, muss dein Vater eben sagen, dass er's sonst so leicht vergisst...
Manchmal muss man zu seinem Glück (oder zumindest zu seinem eigenen Wohl) gezwungen werden, glaub' ich.
Hast du bei der Hotline hier schon gefragt?

Hilfreiche Informationen für Patienten und Angehörige
Hirntumor-Informationsdienst: 03437.702 702
wochentags von 10:00 bis 15:00 Uhr

Alles Gute und viel Kraft,
Tira
Tira
Tulip
07.10.2018 19:49:28
Mit der Brechstange muss es sicher nicht sein, aber u U hilft auch die Wahrheit am besten: dass Ihr denkt, dass die Eltern jetzt verstärkt Unterstützung brauchen und Ihr das in der beruflichen Situation leider nicht selbst ausreichend übernehmen könnt. Sie will Euch ja sicher auch nicht unter Druck bringen. Und ggf muss auch Euer Vater klar formulieren, dass es Unterstützung braucht. Natürlich kämpft sie innerlich erstmal gegen diese neue Situation an. Aber Ihr braucht auch Entlastung! Es ist gut, dass Du die Möglichkeiten eruierst.
Tulip
TumorP
07.10.2018 22:12:33
Hallo Lotto-fee,
mit der polnischen Pflegekraft ist eine gute Idee. Hospiz wird JETZT wohl noch nicht nötig sein. Dann ist sie zu Hause in Ihrer Umgebung, bei Ihrem Mann.
Dann wird Dein Vater gleich mit entlastet. Er braucht sich nicht um den Haushalt usw. kümmern. Es ist jemand da und hilft ggf. beim Duschen usw., falls erforderlich.
Wir haben das 4 x bei meiner Mutter gemacht, als wir in den Urlaub gefahren sind. Können wir nur empfehlen.

Es sollte 1 Zimmer für die Kraft vorhanden sein, als Rückzugsraum. Kostet je nach Dienst ca. 2000,- € im Monat plus Verpflegung. Pflegegrad beantragen, für den Vater gleich mit. Dann gibt es "später" (nach 6 Monaten) noch die Verhinderungspflege, bzw. Kurzzeitpflege. Jeweils 1 x 1612,- €. Damit kann dann ein Teil der Pflegekraft bezahlt werden. Mit Frankreich schein nun nichts zu werden. Lasst sie für den Winter planen,.... So bleibt die Freude. Mit der Zeit wird sie vielleicht einsehen, das die Reise nicht möglich ist, weil vielleicht auch der Vater zu schwach ist. Dann muss eben auf den Sommer geschoben werden,...

Viele Grüße
TumorP
Lotto-fee
07.10.2018 23:00:49
Wow, so viele Antworten in so schneller Zeit, ich bin echt dankbar und gerührt, ein tolles Forum!

Danke für die Tipps zum behutsamen Umgang und für die Hotline, die kannte ich tatsächlich noch nicht!

Noch mal zur Klärung.
31.8. Krankenhaus
03.9. Biopsie
06.9. Meine Mutter entlässt sich aus dem Krankenhaus
10.9. Verkündung der Diagnose
21.9. Meine Eltern fahren nach Südfrankreich
30.9. Meine Brüder und ich fahren hinterher (hessischer Ferienbeginn)
Am 5.10. musste ich wieder nach Hause fahren, meine Brüder begleiten den Heimweg meiner Eltern, sie werden im Laufe der Woche eintreffen.

Am 19.9. habe ich mit meiner Mutter noch darüber diskutiert, dass sie nicht mehr Auto fahren darf, am 30.9. sitzt sie b bereits im Rollstuhl. Die Krankheit entwickelt sich so rasant, dass ich das Gefühl habe, dass wir sehr bald sehr viel Unterstützung brauchen. Meine Eltern leben zwar eine Stadt weiter von mir und meinen Brüdern, ihr Haus ist aber voller Treppen und nicht mit Rollstuhl benutzbar. Auch die Wohnungen der Geschwister und mir sind nicht barrierefrei. Wir sind gerade dabei per Kleinanzeigen Pflegebett, Toilettenstuhl und Rampen zu organisieren, aber meine Mutter will nichts davon hören. Wir werden sie wohl vor einige vollendete Tatsachen stellen müssen, wohl ist mir dabei aber nicht. Mein Vater kann sie aktuell alleine noch nicht mal ins Haus bekommen. Ansich wäre eine Art Notfallplatz im Pflegeheim das Beste, bis das Haus hergerichtet ist, aber soweit ich weiß, gibt es ohne Pflegestufe kein Pflegeheim. Ich weiß einfach nicht, was wir ab nächste Woche Montag machen sollen. Vielleicht muss einer von uns Geschwistern Sonderurlaub beantragen.

Meine Schwägerin und ich werden morgen mal alle Optionen durchgehen und viel telefonieren. Ich hoffe wir finden eine zeitnahe Lösung.

Liebe Grüße, Lotto-fee
Lotto-fee
StrahlenArzt
09.10.2018 08:48:35
Liebe Lotto-Fee,

aufgrund dessen was Sie schildern, sollten Sie bitte dringend einen Arzt aufsuchen, um zu klären, ob die Dexa-Dosis erhöht werden muss.
(2mg morgens ist noch sehr wenig!)
Es kann sehr gut sein, dass die Symptome Ihrer Mutter dadurch kurzfristig sehr schnell zurück gehen. Es klingt sehr danach, als habe Sie eine zunehmende Hirnschwellung.
Dexa morgens hoch und Richtung abends niedriger (da sonst Schlafstörungen).
Mit freundlichen Grüßen.
StrahlenArzt
suace
09.10.2018 19:12:19
Liebe Lotto-Fee,
Könnte man die Pflegekraft nicht "für Deinen Vater" einstellen? Er könnte doch sagen, daß er Unterstützung braucht. So ist jemand da und kann helfen wenn nötig und Deine Mutter fühlt sich nicht bevormundet.
suace
Lotto-fee
09.10.2018 19:33:38
Danke noch mal für den Cortison Hinweis, ich hatte auch schon länger die Idee, dass man das noch mal erhöhen müsste. Habe heute mit dem Prof in der Uniklinik telefoniert und wir erhöhen jetzt auf 8mg am Morgen. Zusätzlich gibt es Zopixlon für die Nachtruhe.
Ich habe heute einen Pflegedienst beauftragt, der ab Freitag Mittag kommt, drei mal am Tag für 1,5h. Dann können wir uns in das Thema reinfühlen. Wie es ab Montag weiter geht, müssen wir sehen.
Danke euch für alles! Mal sehen, wie wir meiner Mutter die Pflegerin am besten erklären, ohne geht es nun mal eben nicht...
Lotto-fee
LinaK
09.10.2018 22:13:59
Ja, solche Entscheidungen für die Eltern treffen zu müssen, ist nicht einfach. Aber vielleicht hilft das Kortison.
Gruß Lina
LinaK
Lotto-fee
11.10.2018 17:06:50
Puuh, so langsam sehe ich Licht am Horizont, Pflegedienst ab morgen, polnische Pflege ab Dienstag. Da fühlt man sich gleich erleichterte, wenn es irgendeine Form von Perspektive gibt.
Danke für alles an euch, das meine ich ehrlich. Das Forum ist eine große Hilfe!
Lotto-fee
Lotto-fee
09.11.2018 19:31:19
Ihr Lieben,

leider ist meine Mama vor zwei Wochen nach sieben Wochen seit Erstdiagnose verstorben.

Ich bedanke mich für alle Infos und Anteilnahme. Dieses Forum war sehr wichtig für mich. Allen hier wünsche ich nur das beste.

Viele Grüße, Lotto-fee
Lotto-fee
LinaK
09.11.2018 22:32:02
Liebe Lotto-Fee, das ist jetzt aber schnell gegangen. Es tut mir so Leid für euch!
Lina
LinaK
rosi5
09.11.2018 22:32:54
Liebe Lotto-fee,

ich bin gerade völlig schockiert.
Es tut mir so leid, das zu lesen.
Ich wünsche Dir alles alles Gute und ganz viel Kraft.

Liebe Grüße,
Rosi
rosi5
suace
10.11.2018 19:28:10
Es tut mir unendlich leid
suace
NACH OBEN