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Jmourago

Hallo liebe Mitglieder❤️, vor einer Woche wurde bei meiner Mutter (55) ein Hirntumor, mit großer Wahrscheinlichkeit ein Glioblastom diagnostiziert. Da sie vor einer Biopsie Angst hatte und diese abgelehnt hat, wurde keine gemacht und es kann somit auch keine Strahlentherapie stattfinden. Eine OP stand nicht in Frage, nur eine Bestrahlung/Chemo. Meine Mutter ist sehr gläubig und viele Familienmitglieder glauben, dass Gott sie heilen wird (ich teile diesen Glauben nicht). Außerdem hat sie verschiedene andere Vorerkrankungen, auch einen künstlichen Darmausgang und Depression. Ohne Hilfe laufen oder Körperpflege geht nicht mehr, sie muss 24 Stunden jemanden bei sich haben und liegt meistens im Bett/Sofa. Mittlerweile ist sie zuhause und wird regelrecht sauer, wenn man von Ärzten redet. Zum Beispiel habe ich in einer Uniklinik eine zweite Meinung angefragt. Sie sagte, sie brauche keine zweite Meinung, denn sie habe überhaupt gar nichts.
Hatte jemand so einen Fall schonmal, dass die Krankheit nicht akpzeptiert bzw. komplett verdrängt wurde? Das Glioblastom ist bereits 5cm groß mit mehreren Metastasen und laut den Ärzten im KH aufgrund der Lage nicht operierbar. Epileptische Anfälle hatte sie sich bereits vor wenigen Tagen aufgrund des Tumors. Sollen wir sie in dem Glauben lassen, dass alles ok ist und einfach nichts mehr unternehmen? Die Diagnose gehört hat sie, sie will sie nur nicht wahrhaben.
❤️Danke Euch

Prof. Mursch

Solange ihre Mutter klar bei Verstand ist, sollten Sie Ihre Entscheidung akzeptieren. sie müssen das rechtlich sogar. Wichtig wäre es, jetzt zu klären, wie sie verfahren will, wenn sie nicht mehr selber entscheiden kann, z.B. per Patientenverfügung.
Das sollten Sie rasch klären.

Prof. Dr. med. Kay Mursch
Neurochirurg
Zentralklinik Bad Berka

Jmourago

Hallo Hr. Dr. Mursch,

danke für Ihre Antwort. Es ging mir gar nicht so sehr darum, ob wir ihre Entscheidung akzeptieren müssen, das wusste ich. Ich wollte eher psychologischen Rat und wollte wissen, ob es gut ist, sie in dem Glauben zu lassen, sie habe nichts. So ist sie wenigstens nicht gestresst, im Krankenhaus als sie mit Diagnosen und Ärzten konfrontiert war, ist sie nur zusammengebrochen. Auch zuhause will Sie nichts von dem Thema hören.

Mego13

Liebe Jmourage,

viele Stellen bieten psychoonkologische Hilfe an, vielleicht könntest Du Dich dort stützen und beraten lassen. Du könntest Dich natürlich auch direkt an einen Psychoonkologen oder Psychotherapeuten wenden. Dort könnte es allerdings zu lange mit dem Termin dauern.
Für mich liest es sich übrigens nicht so, als wisse Deine Mutter nicht, dass sie "etwas" hat. Du kennst Deine Mutter am Besten, was könnte ihr am ehesten helfen? Würde sie vielleicht doch zustimmen, dass Du zumindest eine zweite Meinung einholst? Gibt es einen Hausarzt, der Zugang zu ihr findet, um vielleicht zumindest die Begleiterscheinungen des Tumors wie Epilepsie zu behandeln.

LG
Mego

Marsupilami

Hallo Jmourago,

wie willst Du sie denn "aufklären", Deine Mutter weiß es ...

Wenn sie sich schützt, indem sie es verdrängt, dann wird sie es umgehend wieder vergessen. Vermutlich würde sie sich nur merken, dass sie sich von Dir bedrängt fühlt.

Da ich mit Not-OP operiert wurde, hat bei mir die ganze Realisation anschließend eingesetzt. Ich kann mich erinnern, dass ich die Diagnose "Hirntumor" durch meine Zimmernachbarin jeden Tag mehrfach gehört habe. SIe hat jedem Besuch und Anrufer in epischer Breite von meiner Erkrankung erzählt. Und trotzdem habe ich es eine gute Woche so oft vergessen wie ich es gehört habe.
Als ich es schließlich aushalten konnte, habe ich mich an die ganzen Telefonate von ihr erinnern können. Ich hatte es also gewusst oder verstanden oder was auch immer. Dass ich operiert worden war, war mir die ganze Zeit klar, allerdings habe ich nur die Zyste akzeptiert, Tumor, nicht.
Klassischer Fall von Verdrängung.

Eine Woche seit Diagnose ist nicht lang!!!

toi toi toi, das ist heftig für Dich als Tochter.




Gruß vom Marsupilami


PS: Mego war natürlich schneller :-D


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"Don´t feed the troll"

„Trollen ist ein Spiel um das Verschleiern der Identität, das aber ohne das Einverständnis der meisten Mitspieler gespielt wird.“
– Judith Donath: Identity and Deception in the virtual Community
(Wikipedia)

Jmourago

Hallo Mego13 und Marsupilami,

danke für eure Antworten. Eine psychoonkologische Beratung habe ich bereits angefragt, ich warte noch auf den Rückruf, allerdings wird es sich dabei glaube ich um nur einen Termin handeln, an dem Sie selbst auch nicht teilnehmen wird, da es 20km entfernt liegt und eine Reise für sie sehr anstrengend wäre, sie liegt praktisch nur noch im Bett und ist auf einen Rollstuhl angewiesen. Es ist also ein Gespräch für Angehörige.Freiwillig teilnehmen würde sie sowieso nicht, da sie ja mit niemandem über die Krankheit sprechen mag, bzw. verneint, dass es eine Krankheit gibt.

Als ich ihr heute erklärt habe, dass ich eine zweite Meinung in einer größeren Klinik angefragt habe, wurde sie böse und sagte, sie brauche keine zweite Meinung, wofür denn, sie habe doch nichts! Und dass sie nichts von Ärzten und Untersuchungen wissen wolle. Es hat mich sehr traurig gemacht, als sie sagte, sie habe nichts, denn sie ist schwerkrank und auf 24-Stunden-Hilfe angewiesen, sogar auf die Toilette geht sie nicht alleine.

Die Epilespie wurde bereits auf der Intensivstation behandelt und nun nimmt sie vorbeugende Medikamente, um einen erneuten Anfall zu verhindern. Sie möchte einfach nichts von Ärzten wissen, das steht auch im Entlassbrief des Krankenhauses, dass sie nicht bereit ist, mit Ärzten über ihre Krankheit zu sprechen und nur sagt, sie wolle nach Hause.

Rosa 61

Hallo Jmourago,
Du schreibst Deine Mutter ist sehr gläubig. Falls das bedeutet, dass sie z.B. katholisch ist, könntest Du einen Priester rufen, der ihr die Sakramente spendet, so etwas würde ihr sicher viel bedeuten. An so was denken die meisten Angehörigen nicht, wenn sie selbst dem Ganzen eher ablehnend gegenüberstehen.
Wenn es jemand wäre, zu dem sie in religiöser Beziehung Vertrauen hat, würde sie sich vielleicht eher etwas bezüglich der Realität ihres Zustandes sagen lassen als von einem Arzt.
Ansonsten stellt sich die Frage, ob sie überhaupt kognitiv noch in der Lage ist, das Ausmaß ihrer Erkrankung zu verstehen, wenn das Glioblastom schon Metastasen gebildet hat. Vielleicht handelt es sich weniger um ein nicht verstehen wollen, als um ein nicht verstehen können.

Mayla

Hallo Jmourago,

nichts hören, nichts sehen, nichts sagen.

eine Erinnerung aus meiner Kindheit, Wenn ich Angst vor dem Drachen in deinem Kleiderschrank hatt, dann hieß es verschließe mit den Händen deine Ohren, petze deine Augen zu und denke an was Schönes und lenke dich ab.
Mit viel Geduld konnte ich mich später davon lösen. Aber leicht war es nicht.

LG Mayla

Mayla

Eine Hochwasserkatastrophe hat einen Mann auf das Dach seines Hauses getrieben. Doch auch dort ist er nicht sicher – das Wasser steigt bedrohlich an. Retter in einem Boot kommen vorbei und wollen ihn mitnehmen. „Nein danke“, antwortet er, „Gott wird mich retten.“ Es wird Nacht, das Wasser steigt weiter, der Mann klettert auf den Schornstein. Wieder kommt ein Boot vorbei, und die Helfer rufen: „Steig ein!“ „Nein, danke, Gott wird mich retten.“ ist die Antwort. Schließlich kommt ein Hubschrauber. Die Besatzung sieht ihn im Scheinwerferlicht, das Wasser reicht ihm bis zum Kinn. „Nehmen Sie die Strickleiter“, ruft einer der Männer. „Nein, danke, Gott wird mich retten.“ sind die letzten Worte des Mannes, denn kurze Zeit später ertrinkt er. Im Himmel beschwert er sich bei Gott: „Mein Leben lang habe ich treu an Dich geglaubt. Warum hast Du mich nicht gerettet?“ Gott sieht ihn erstaunt an: „Ich habe dir zwei Boote und einen Hubschrauber geschickt. Worauf hast du gewartet?“

Vielleicht ist die vorherige weise Geschichte eine Möglichkeit das deine Mutter ihre Gedanken, Gefühle, Einstellung überdenken möchte.
Viel Feingefühl ist wichtig ein Bevorumundung oder überstülpen der eigenen Meinung ist für einen Patienten oft unerträglich und kann Zorn und Wut schüren.
Seelsorger können sehr gute Gesprächspartner sein, Familienangehörige sind oft zu 'nah dran' und haben Emotionen die sie selbst erstmal verarbeiten müssen.

Dem Vorschlag von Rosa schließe ich mich an.

LG und alles Gute Mayla

bordun

Hallo zusammen,
Ich bin neu hier und bin seit einigen Monaten stiller Mitleser.
Bei unserer Tochter wurde 2018 im Alter von 27 Jahren ein Glioblastom diagnostiziert. Nach OP (der Tumor saß im linken Frontallappen und konnte makroskopisch komplett entfernt werden), Bestrahlung und Chemo hat sie im Januar 2019 mit den Wechselfeldern begonnen. Im MRT vom April zeigte sich eine geringe Kontrastmittelaufnahme am Seitenventrikelvorderhorn. Man vermutet eine Strahlennekrose, die sich im MRT, 6 Wochen später, leicht vergrößert hatte. Man ging jetzt vermehrt von einer Nekrose aus, da wohl die typische Girlandenform zu sehen war. 100% sicher war man aber nicht. Unsere Tochter bekam jetzt 4 Wochen Kortison. Das MRT zwei Wochen danach zeigte einen stabilen Befund, ebenso die beiden nächsten MRTs 3 bzw 6 Monate später. Im MRT vom April diesen Jahres hat sich die Stelle verkleinert, ebenso im MRT vom Juli. Die Ärztin meinte, es sieht so aus, als würde sich die Stelle "auflösen".
Jetzt hätte ich eine Frage:
Es wurde nie ein FET-Pet gemacht. Kann man wirklich von einer Nekrose ausgehen? Oder könnte es sich um einen neuen Tumor handeln, der sich verkleinerte? Außer Levitiracetam nimmt unsere Tochter zur Zeit keine weiteren Medikamente und die Wechselfelder hat sie seit dem letzten MRT beendet.
Liebe Grüße
Bordun

toastbrot81

Hallo Jmourago,
ich habe ein ähnliches Thema. Bei meiner Mama geht es um Lungenkrebs mit Hirnmetastasen. Diagnose ist ca 1 Monat her. Sie konnte kaum reden und nur schlecht laufen. Außer dem CT in der Notaufnahme wurde noch CT Thorax gemacht. Mehr hat sie abgelehnt, auch keine Behandlung. Akzeptieren wir natürlich.
Zu Hause bekam sie dann vom Palliativarzt Cortison. Damit ging das Ödem zurück. Seitdem geht es ihr blendend und sie verleugnet die Krankheit ebenfalls. Mittlerweile ist sie schnell reizbar/aggressiv, hat manchmal auch Warnvorstellungen und lässt sich nichts sagen. Sie hat die Palliativversorgung abbestellt (sie denkt sie muss das zahlen, alle Erklärungen laufen ins Leere). Psychologische bzw. Psychoonkologische Hilfe wird sie ebenfalls ablehnen.

Innerlich wird sie das Ganze aber vermutlich schon wissen. Sie hat ausgemistet, Papiere sortiert etc.

Nur wir Angehörigen sind halt leider genauso hilflos wie du.
Habe daher auch keinen Tipp. Wollte Dir nur schreiben, dass es wohl nicht so selten ist. Such mal nach den 5 Phasen des Sterbens/Todes.

Leider ist es aber so, dass sie die Notwendigkeit von Patientenverfügunh und Vorsorgevollmacht derzeit nicht sieht und daher nicht bereit ist eine aufzusetzen und unterschreiben. Alles ruhiges Reden bringt nichts. Sie versteht es leider nicht, wie wichtig das ist. Sie will zB nicht wieder ins Krankenhaus. Würde ein Notarzt aber sicherlich, da er Leben retten will und nicht palliativ tätig ist.

GanZ ehrlich? Ich bin damit absolut überfordert und hoffe, dass sie zugänglicher wird mit der Zeit ... vielleicht auch erst, wenn es ihr schlechter geht :(

Ich wünsch Dir viel Kraft,
toasti

Tulip

Mein Mann hat die Prognose mehrfach gesagt bekommen und jedesmal erneut vergessen/verdrängt. Ich habe das irgendwann akzeptiert, weil ich dachte, wenn das so deutlich ist, braucht er diese Verdrängung wohl.
Deine Mutter wirkt ähnlich entschieden aus Deiner Erzählung. Vielleicht ist das nicht die schlechteste Entscheidung so damit umzugehen...

Amira

@Jmourago: Lass deine Mama in dem Glauben, dass sie nichts hat. Wenn sie mit Verleugnen am besten mit der Diagnose umgehen kann, dann ist das für sie der beste Umgang damit. Wenn sie keine Zweitmeinung will, dann holt auch keine ein. Kümmert euch um ein Palliativteam, das sie betreut wenn sich ihr Zustand verschlechtert. Wenn sie Krankenhäuser hasst, kann sie vielleicht sogar zu Hause sterben.

Ich weiss, es ist hart so hilflos daneben zu stehen. Aber deine Mama allein darf entscheiden, was sie an Behandlungen will und was nicht.

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