Liebe plady70,
ich kann Dir nur von meiner Erfahrung mit Gutachten berichten, aber ich habe nicht die gleiche Hirnerkrankung wie Du und ich habe auch in einem anderen Beruf gearbeitet. Dennoch ist einiges vergleichbar.
Ich stamme aus der DDR und habe vor und nach der Wende als Ma-Ph-Lehrerin gearbeitet. Wir waren nicht verbeamtet.
1993 wurde mein erstes WHO-I-Meningeom entfernt, ich blieb danach 6 Monate zu Hause und arbeitete mich 6 Monate lang wieder ein.
1998 wurden wir zur Amtsärztin bestellt, da wir verbeamtet werden sollten. Ich habe ihr natürlich ehrlich gesagt, dass ich eine Meningeom-OP hatte, davon keine Folgen habe und bereits wieder arbeite. Sie sagte: „Ein Meningeom ist ja gutartig.“ Und demzufolge lief die Untersuchung völlig normal mit allen möglichen „Lappalien“ ab, die jeder gesunde Mensch, der keine chronische Krankheit hat, locker übersteht. Die Empfehlung an den Arbeitgeber war die übliche Verbeamtung auf Probe. Ich blieb jedoch gesetzlich versichert.
Vergleichbar mit Dir ist das insofern, dass auch ein Kavernom kein Krebs ist, also als „gutartig“ angesehen werden kann.
1999 hatte ich ein Rezidiv an derselben Stelle, das entfernt wurde. Da es sich als anaplastisch (WHO III) herausstellte, musste eine Bestrahlung folgen. Ich war etwa 9 Monate zu Hause, die Wiedereingliederung dauerte 6 Monate und nach und nach gelang es richtig gut.
Im Jahr 2001 ging die Probezeit dem Ende zu und wir wurden erneut zur Amtsärztin bestellt. Nun musste ich ihr sagen, dass ich erneut operiert worden war und dass es sich um ein WHO-III-Meningeom handelte. Sie begann gar nicht erst mit der Untersuchung, sondern unterhielt sich mit mir. Entscheidend waren mein unbedingter Wille, weiterhin zu arbeiten, sowie dass ich keine Folgen von den Therapien hatte und bereits erfolgreich wieder unterrichtete. Sie schrieb das so in ihr Gutachten. Sie sagte, dass der Arbeitgeber entscheiden müsse, ob ich verbeamtet werde. Für mich würden bestenfalls geringe finanzielle Nachteile entstehen, um den Arbeitsplatz ging es nicht, da ich ja weiterhin als Angestellte arbeiten würde.
Ich wurde verbeamtet.
Im Jahr 2005 war ich wegen Augenoperationen fast 9 Monate arbeitsunfähig. Nach etwa 6 Monaten schickte mich mein Arbeitgeber zur Amtsärztin, um meine weitere Arbeitsfähigkeit feststellen zu lassen. Zu dieser Zeit war das Ende der Krankheit bereits abzusehen und die Wiedereingliederung war geplant. Ich sagte der Amtsärztin, dass ich selbstverständlich unbedingt weiter arbeiten möchte. Es gab ja auch keine weiteren Krankheiten und auch keine Folgen der Meningeom-Therapien. Sie schrieb ein „wohlwollendes“ Gutachten und ich blieb im Schuldienst.
Im Jahr 2007 hatte ich eine weitere OP eines WHO-III-Meningeoms, die Krankheitszeiten verteilten sich aber, so dass keine länger als drei Monate dauerte. Aber im Jahr 2011 wurde zwei WHO-III-Meningeome entdeckt, die beide entfernt wurden, eins wurde nachbestrahlt, was wieder eine längere Arbeitsunfähigkeit zur Folge hatte. Das war wohl zu viel.
Gegen Ende des Jahres 2011 musste ich zur Amtsärztin, der ich nicht eindeutig sagen konnte, wann ich wieder arbeiten kann. Das lag auch daran, dass noch eine Augenoperation ausstand, für die ich noch nicht fit genug war. Dass ich auf jeden Fall wieder arbeiten möchte, habe ich ihr gesagt. Entsprechend zweideutig fiel das halbwegs wohlwollende Gutachten aus. Diesmal führte mein Arbeitgeber im Beisein seines Stellvertreters, eines Personalratsmitglieds und der Schwerbehindertenbeauftragten ein Gespräch mit mir. Ich war überzeugt davon, dass ich weiter arbeiten möchte und kann, nicht nur für mich, sondern vor allem für die Kinder und stellte das auch so dar.
Ich denke heute, dass es richtig war, dass ich „aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt wurde“, obwohl ich selbst es nicht wollte. Es war vorgesehen, dass ich etwa alle ein bis zwei Jahre zur Ämtsärztin bestellt werde, damit sie feststellt, ob ich wieder arbeitsfähig sei. Ich hielt den Kontakt zu meiner (letzten) Schule und brachte mich in außerschulische Veranstaltungen ein, was mir Spaß machte, aber nicht leicht fiel.
Als ich im Jahr 2014 zur Amtsärztin bestellt wurde, sah sie mir sofort an, dass ich nicht mehr arbeiten kann. Sie schrieb es so in ihr Gutachten und ergänzte, dass man mich nicht mehr zu ihr einladen möge.
(Dass weitere Meningeom-Operationen und Bestrahlungen folgen würden, wusste damals niemand.)
Für Dich habe ich ein wenig gesucht, was ein Kavernom ist und welche Folgen es haben könnte. Einige wenige Betroffene schreiben ja auch hier im Forum. Es ist wohl eine schwer fassbare Erkrankung. Man kann sofort arbeitsunfähig werden oder sein Leben lang normal weiterarbeiten und es gibt viel dazwischen.
Das führt zu dieser Unsicherheit aller Beteiligten. Dein Arbeitgeber kommt seiner Fürsorgepflicht für Dich nach, indem er Dich zu diesem Gutachter schickt.
Für Dich spricht, dass der Gutachter genauso wenig wie Deine behandelnden Ärzte wissen kann, was künftig bei Dir geschehen wird. Die Zeit arbeitet für Dich. Du warst 6 Monate lang zu Hause und hast alles getan, um wieder arbeitsfähig zu werden. Vermutlich steht auch im Bericht aus der Rehaklinik nichts eindeutiges, aber dieser Aufenthalt ist ja jetzt schon länger vorbei. Auch seit dieser Zeit sind bei Dir keine Folgen aufgetreten. Du bist gesund (zumindest fühlst Du Dich so) und Du willst arbeiten. Auch Du kannst nicht wissen, was in Zukunft geschieht. Aber Dein unbedingter Wunsch, weiter als U-Bahn-Fahrerin tätig zu sein und Dich dafür auch fit und sicher zu fühlen, sollte von Dir aus der Kern des Gesprächs sein.
Als U-Bahn-Fahrerin hast Du natürlich die Verantwortung für sehr viele Passagiere. Aber ich denke, es ist etwas anderes als Lokfahrerin eines Personenzuges zu sein, der auf frei liegenden Schienen fährt und mehr Gefahren ausgesetzt ist. Ich glaube, bei der U-Bahn ist es vergleichbar mit der Berliner S-Bahn, die auch elektrisch betrieben wird. Der S-Bahn-Fahrer muss in kurzen Zeitabständen „einen Knopf drücken“, um mitzuteilen, dass er nicht eingeschlafen oder sonstwas passiert ist. Tut er das nicht, bleibt die S-Bahn stehen.
Dennoch finde ich es aus der Sicht Deines Arbeitgebers richtig, dass er aus der Sicht der Fahrgäste ganz sicher gehen will, dass ihnen nichts passiert, was er vorhersehen hätte können. Er tut das auch für Dich, denn wenn Fahrgäste zu Schaden kommen, dann kann es sein, dass Du eine Mitschuld erhältst.
Ich hoffe, meine Schilderungen im Zusammenhang mit den Gutachten helfen Dir ein wenig.
(Ich war übrigens verwundert, dass die Schwerbehindertenvertretung noch keinen Schwerbehinderten hatte, der zu einem Gutachter geschickt wurde, deswegen habe ich gezögert, ehe ich das hier aufgeschrieben habe.)
Ich wünsche Dir einen „wohlwollenden“ Gutachter und eine Entscheidung Deines Arbeitgebers in Deinem Sinne. Ich kann das so sehr gut verstehen!
Beste Grüße
KaSy
PS: Wenn Dich Dein Arbeitgeber zu einem Gutachter schickt, sollte er die Kosten dafür tragen. (Ich habe für die amtsärztlichen Untersuchungen nie etwas bezahlen müssen.)