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Tinkii

Hey ihr alle,

ich habe lange überlebt, ob ich einen ausführlichen Bericht über meinen Verlauf hier in diesem Forum hinterlegen soll.

Wie man sehen kann, habe ich mich nun doch dazu entschlossen und möchte vor allem den Beteiligten mit dieser Erkrankung Hilfestellung geben und andere Perspektiven und Verläufe schildern.

Es folgt ein etwas längerer Beitrag, da einiges passiert ist <3
Ja, mit einem Meningeom kann man Glück haben. Diese sind zum Großteil (WHO I-II), bedeutet es nicht, dass das Leben damit leicht ist. Weder für den Betroffenen, noch für die Beteiligten im Hintergrund. Am Ende ist es ein Gehirntumor, etwas, was in unserer Schaltzentrale heranwächst und nicht hingehört und Dein Leben komplett verändert – auch wenn es „nur“ gutartig ist.

Kurz zu mir:
Ich bin weiblich, 36 Jahre, keine Vorerkrankungen in der Familie zu Tumore bekannt.

Es begann im drittel Quartal 2023, dass mein Umfeld und mein Mann mich auf mein Verhalten, mein Gedächtnis und meine Veränderungen angesprochen haben.
Ich selbe habe es nicht wahrgenommen.

Demnach dachte man sich, dass ich entweder Urlaubsreif bin ( zu diesem Zeitpunkt war der letzte erholsame Urlaub fast ein Jahr her), oder laut meinem Mann, eine andere Erkrankung, wie z.B. Alzheimer dahinter stecken könnten.

Wir sind dann zu einer Neurologin gegangen, die eigentlich keine Neurologin war, jedoch in einer solchen Praxis gearbeitet hat und auf Psychologie und Alzheimer spezialisiert ist.
Es wurden neurologische Bewegungstests gemacht und durch Vitamin B durfte ich auch einen Demenztest in einem Institut machen mit einer sehr fatalen Auswertung und überhaupt nicht Altersentsprechend.

Außerdem hatte ich starke Wesensveränderungen, Vergesslichkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Kurzzeitgedächtnis, Rückzug sozialer Bindungen und Kontakte, Fußhebelschwäche, meine Sätze in Emails ergaben keinen Sinn mehr und zum Schluss noch motorische Schwierigkeiten meine rechte Hand nur Nutzung der Tastatur und der Maus.

Ein MRT sollte auch noch gemacht werden, dazu kam es jedoch nicht mehr( Wartezeit 6 Wochen), da meine „Beschwerden“, die ich selber nicht als solche Wahrnahm, sondern nur mein Umfeld & Ehemann, immer schlimmer wurden und mein Ehemann der „Neurologin“ eine Email diesbezüglich schrieb und wir bereits einen Tag später vorbei kommen durften.
Mittlerweile haben wir den Monat Januar 2024 erreicht.

Unsere „Neurologin“ untersuchte mich noch einmal und holte Rat bei einem richtigen Neurologen. Sie bestand auf ihre Prognose und schickte mich mit Überweisung an einem Freitag in die Notaufnahme und telefonierte vorab mit der Notaufnahme.

Ihr Kollege machte noch die abfällige Bewertung, dass ich sie die Hühner aufscheuchen würde, da sie nicht einmal Neurologin sei und Patienten verrückt machen würde. Nach all dem, habe ich ihr noch einmal persönlich Danke gesagt. Denn sie hatte mich ernst genommen! Denn in der Notaufnahme wurde sofort ein CT gemacht, nach 30 Minuten hatten wir die Diagnose und waren quasi wieder zu Hause.

Diagnose: Gehirntumor, welcher es ist, kann man noch nicht genau sagen, vermutlich aufgrund der Bilder ein Meningeom – das sei eine gute Nachricht. Meningeome seien einfach zu entfernen, die schlechte Nachricht – so schnell wie Möglichkeit.
Wir wurden direkt in die Aufnahme der Neurochirurgie (NC) übermittelt. Ich sollte Montag direkt ins Krankenhaus aufgenommen werden, Dienstag direkt am Morgen auf Platz 1. der OP Liste stehen.

Größe meines Meningeoms: 8x6x4 cm, Frontallappen links, oder in der Sprache der Ärzte:
Ossär infiltrierte Raumforderung links frontal, Atypisches Meningeom WHO Grad II.

Die OP verlief ohne Komplikationen und relativ kurz wohl nur 2 Stunden.
Nach einem Tag auf der Intensivstation und zurück auf der normalen Station, hatte ich einen generalisierten Krampfanfall, seitdem muss ich Keppra 1000 mg nehmen (1-0-1).

Ich erhielt eine Intracutannaht, daher kein Fadenzug notwendig. Ich wurde nach 12 Tagen nach Hause entlassen, konnte selbstständig bereits nach drei Tagen Treppen steigen.

Mitte Februar ging ich in die Reha, diese hätten mich niemals aufnehmen dürfen. Meine Naht war noch „Nass“ und es waren vermehrt gelbe / rote Flüßigkeiten auf meinem Kopfkissen. Das hat die Rehaärzte nicht als dramatisch empfunden und sei normal. Erst durch regen Austausch auf Facebook habe ich auf ein Konsil in einem Krankenhaus bestanden, da war ich gerade zwei Wochen in der Reha. Also 140 km zurück zum Krankenhaus.

Am 29.02.24 bin ich im Krankenhaus gegen 15 Uhr angekommen, untersucht und lag bereits um 17 Uhr in Narkose. Wundheilstörung, an der Grenze zur Hirnhautentzündung.
Also wurde mein Knochendeckel entfernt und vernichtet.

Aufgrund der Infektion war eine Rekonstruktion zu diesem Zeitpunkt nicht möglich, somit lief ich mit einem ca 30 cm² großen Loch im Kopf bis zum 15.01.2025 durch die Gegend und lebte mein eingeschränktes Leben.

Leider durfte ich meinen Knochendeckel nicht behalten. Nun war aber auch die Bestrahlung in Gefahr. Aufgrund der Typifizierung des Tumors sollte ich noch bestrahlt werden. Dies musste aber von den Strahlenärzten erst noch abgeknickt werden, da der Strahlenbereich direkt unterhalb der Schädeldecke liegt und dieser ja nun nicht mehr existiert.

Nach 3 Wochen Antibiose und zwei weiteren Wochen, begann dann meine Bestrahlungstherapie. Ich entschied mich für die Protonenbestrahlung, die auch aufgrund ihrer „Bestrahlung“ besser für mein junges Alter sei und weniger Spätfolgen zu erwarten wären.

Insgesamt erhielt ich 32 Bestrahlungssitzungen, 6 Wochen von Montag bis Freitag.
Die Bestrahlung an sich dauert nur wenige Sekunden, die Vorbereitung je nach Team zwischen 2-5 Minuten.

Meine Haare fielen aus – nicht ein bisschen, sondern sehr sehr viele. Die Hälfte meines Kopfes bis zum Mittelscheitel existiert nicht mehr. Leider werden diese Haare nie wieder nachwachsen.

Besonderheit: Tumor lag unterhalb des Knochens, Knochen existiert nicht mehr, volle Bestrahlungslast, volle Zerstörung der Haarfollikel – ich soll keine Hoffnung haben.
Ich war immer sehr stolz auf meine Haare. Alle erkannten mich aufgrund meiner Haare.
Viele denken sich: Es sind NUR Haare, meine Haare waren für mich das Schönste an mir.

Nebenwirkungen durch die Bestrahlung hatte ich lediglich nur die typischen Hautverbrennungen, jedoch nur oberflächlich. Leichte Müdigkeit. Ich hatte das Glück, dass die Strahlenklinik ca 2.4 km von uns entfernt ist, also bin ich jeden Tag nach Hause spaziert. Vielleicht hat dies dazu beigetragen, dass ich die Bestrahlung körperlich gut verkraftet habe.

Nach der Bestrahlung war erst einmal Ruhe angesagt, bis zum nächsten Gespräch in der NeuroChirurgie Ende August, bei der meine Rekonstruktion des Schädels besprochen wurde.

In dieser Zeit durfte ich weder Auto fahren (als Fahrer), noch in einen Flieger steigen, geschweige denn, sportliche Aktivitäten ausüben.

Meine EEG Berichte besserten sich, Keppra schlug an, ich hatte keine Anfälle mehr.
Diese habe ich ohnehin nie wahrgenommen.

15.01.2025 – Einweisung ins Krankenhaus und die Rekonstruktion meines Schädels begann in einer kurzen und einstündigen OP am 16.01.2025. Ich erhielt das Implantat Stryker / Medpor. Begründung: Aufgrund der Nähe zum Knochendeckel und der „Verstrahlung“ durch Titan bei Kontrollterminen.

Es war die schlimmste OP für mich. Es hat sich raus gestellt, dass mein Hirndruck zu hoch war und man die Kranioplastik nicht durchführen konnte, ohne mein Gehirn zu schädigen. Also wurde der Druck durch eine Lumbaldrainage in der Lende, gesenkt und es wurden ca. 70 ml entnommen.

Die Drainage ist mit der OP entfernt worden, aber die Übelkeit, Schmerzen und Bewegungsabläufe die mit einem Liquorverlust daher gehen, habe ich völlig unterschätzt.
Ich lag „nur“ vier Tage im Krankenhaus, danach wurde ich mit dem Gleichbleibenden Symptomen nach Hause entlassen. Ich konnte nicht mal aufrecht zur Toilette gehen, da ich mich sonst hätte übergeben müssen und der Druck im Kopf so dermaßen anstieg, als wenn man mich von beiden Seiten auf den Schläfen mit einem Presslufthammer bespielt.
Nach ganzen 12 Tagen war es plötzlich weg, aber durch das viele Liegen und meine Verspannungen im Nacken habe ich so falsch gelegen, dass ich eine Massage brauchte, da ich meinen Hals durch die vielen Blockaden nicht mehr bewegen konnte. Das hat echte Linderung mit sich gebracht.

Meine Nähte konnte ich erst nach 19 Tagen entfernen lassen. Zwischendurch wurde ich einmal von einem Rettungsdienst abgeholt, weil ich fokale Anfälle entwickelt habe (2 Tage nach dem KH). Meine Zunge schwoll an und die Finger meiner rechten Hand wurden taub, kribbelig und dies zog sich bis zum Ellbogen. Beim ersten mal habe ich mir nichts bei gedacht, da es nach ca. 10 Minuten vorbei war und ich atmen konnte,
Beim zweiten mal wurde es schlimmer und mein Mann rief den Rettungsdienst.

Diagnose: Angebliche Novalginunverträglichkeit.

Man hat kein Kontroll- CT von mir bekannt, oder mich auf meine fokalen Anfälle angesprochen, obwohl wir diese mitgeteilt haben. Es wurde weder ein EKG, noch ein EEG gemacht. Also wurde ich nach Hause geschickt.

Im Zeitraum von 5 Tagen hatte ich 6 fokale Anfälle, manchmal zwei an einem Tag. Ich habe daraufhin meine Ärztin kontaktiert und sollte die Keppra jetzt erhöhen, im Krankenhaus wurde das nämlich nicht angesetzt. Zur Zeit nehme ich daher 1250 mg (1-0-1) und seitdem sind die Anfälle verschwunden.

Die Nähte sollten an Tag 14 nach der OP vom Hausarzt entfernt werden, dieser schickte mich mit einer Überweisung in die Notaufnahme: Verdacht auf Wundheilstörung.
Der junge Arzt hatte mir große Angst gemacht, musste erst einmal abklären, ob ich schon wieder ein CT erhalten darf inkl. Kontrastmittel.

Aufnahme auf die Station, man sieht etwas unter der Haut. Panik. Der Oberarzt der meine Kraniotomie und die Kranioplastik operiert hatte kam Morgens vorbei. Er ist sich unsicher ob alles wieder raussoll, er ruft den Chefarzt an. Dieser hatte meinen Tumor bei OP 1 rausgeholt, weil mein „Ding“ so riesig war und es einfach Chefsache sei.
Er kam kurz vorbei, drückte, klopfte, Fragen gestellt. Antwort zum Kollegen: Wir sind doch nicht bekloppt und machen wieder alles auf. Wir versuchen erst einmal eine Antibiose und die Creme und dann schauen wir weiter. Gott Sei DANK!

Ich bin noch in der Therapie, ich nehme das AB lieber 2 Tage länger, da scheinbar die Störung zurück gegangen ist und die Haut „nur“ noch rot an der Stelle ist und nicht mehr wie ein riesen hügeliger Pickel aussieht.

Zudem muss ich jeden Tag eine Creme / Gel auftragen, die die Heilung fördern soll.
Bisher – TOI TOI TOI, die nächste Kontrolle für meine Entzündungswerte wären am 11.02., derzeit hat mich aber eine Erkältung weg gehauen, weswegen ich diese vermutlich nach aktuellen stand, um 1 oder 2 Tage verschieben werde.

Wundkontrolle und Fadenzug war dann zur Wiedervorstellung im Krankenhaus. Laut Arzt ( der mich und meinen Fall nicht einmal kannte) schien alles OK zu sein, um eine Verlängerung meiner AB musste ich betteln, da ich diese erst 5 Tage zu mir genommen habe. Normalerweise sollte man ja mindestens 7 Tage AB nehmen.

Jetzt warten wir und hoffen, dass das Implantat ohne weitere Komplikationen für IMMER in mir bleiben darf. Nächste Woche ist die vierte Woche, an dem ich meine restlichen Haare nicht gewaschen habe, aus Angst vor einer Wundheilstörung. Nach dem Fadenzug sollte man 3 Tage mit einer Haarwäsche warten, ich gebe mir lieber eine Woche mehr Zeit.
Mein Kontroll- MRT Ende 2024 war nämlich OK und ohne Rezidiv.

Neulich habe ich einmal zusammen gezählt, wie oft ich „Strahlung“ durch Röntgenaufnahmen und CT in einem Jahr erfahren musste:

CT = 6
Röntgen = 41

Es war und ist ein auf und ab.
Ja, der Tumor ist gutartig, bedeutet aber nicht, das auch ich und mein Umfeld die selben Ängste und Sorgen hat wie Krebspatienten. Selbst mit einem gutartigen Tumor, je nach Lage, hat man einen langen Heilungsprozess, muss von vorne starten.

Ich habe mich dazu entschlossen, in der letzten Woche meiner Bestrahlung im Mai 2024 mit der Wiedereingliederung zu starten und bin so happy, dass ich das gemacht habe. Es gab mir einen Sinn, eine Routine im Alltag.

Ich bin offen für Eure Fragen, für einen direkten und persönlichen Austausch und wünsche Euch, ein gutes Durchkommen durch Eure Therapie.

Liebe Grüße
R

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