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Thema: Hirntumore - Schwerionentherapie

Hirntumore - Schwerionentherapie
Gast[a]
01.02.2001 12:56:08
Projektgruppe: Schwerionentherapie
Sprecherin: Dr. med. Daniela Schulz-Ertner

Das Deutsche Krebsforschungszentrum führt in Zusammenarbeit mit der Radiologischen Universitätsklinik Heidelberg, der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI), Darmstadt, sowie dem Forschungszentrum Rossendorf bei Dresden eine klinische Phase I/II Studie zur Schwerionentherapie von Patienten mit Schädelbasistumoren durch. Die Studie ist auf 5 Jahre angelegt. 250 bis 350 Patienten sollen in deren Verlauf bestrahlt werden.
Am europaweit einzigen und technisch richtungsweisenden Teilchenbeschleuniger der GSI wurden seit Dezember 1997 45 Patienten mit Schwerionen (genauer: mit Kohlenstoffionen) bestrahlt (Stand: Januar 2000). Die Einrichtung, die primär für Forschungszwecke auf dem Gebiet der Hochenergie-Physik eingesetzt wird, bietet der Strahlentherapie eine jährliche Kapazität von 70 Patienten.
Schwere Ionen zeichnen sich gegenüber herkömmlicher Photonenbestrahlung sowohl durch verbesserte Dosisverteilungen als auch durch eine erhöhte relative biologische Wirksamkeit aus. Bedingt durch ihre größere Masse durchqueren Schwerionen das Gewebe als scharf begrenztes Strahlenbündel. Ihre maximale Energie geben sie erst am Ende ihrer Reichweite ab. Danach kommt es zu einem steilen Dosisabfall auf nahezu null. Hinter dem Tumor liegendes gesundes Gewebe ebenso wie seitlich benachbartes Gewebe wird kaum belastet. Diese hervorragende Dosisverteilung erlaubt es, die Dosis im Tumor deutlich zu erhöhen. Somit wächst die Wahrscheinlichkeit der Tumorzerstörung, während Häufigkeit und Schwere der Nebenwirkungen am gesunden Gewebe abnehmen.
Die biologische Überlegenheit der Schwerionen ist darauf zurückzuführen, dass sie vergleichsweise häufiger das Erbgut von Tumorzellen zerstören als Photonen. Und genau dieses Ereignis führt zum Zelltod. Außerdem können Schwerionen Tumorzellen zerstören, die a) wenig oder gar keinen Sauerstoff enthalten (solche Zellen kommen in jedem Tumor vor) und die b) wenig teilungsaktiv sind (langsam wachsende Tumoren). Hier ist die Wirksamkeit der konventionellen Photonentherapie sehr begrenzt.
Aufgrund ihrer einzigartigen physikalischen und biologischen Eigenschaften sind Schwerionen insbesondere indiziert bei Tumoren, die kritisch lokalisiert sind, also in der Nähe lebenswichtiger, extrem strahlenempfindlicher Strukturen liegen, sowie bei sehr strahlenresistenten Tumoren. Dies ist beispielsweise der Fall bei Tumoren im Bereich der Schädelbasis. Sie sind Photonenbestrahlung gegenüber relativ unempfindlich und liegen dicht neben hochempfindlichen Organen (Auge, Sehnerv, Hirnstamm). Hinzu kommt, dass auch eine komplette operative Tumorentfernung oft nicht möglich ist, ohne diese Organe in Mitleidenschaft zu ziehen. Daher stellt eine hochdosierte präzise Bestrahlung häufig die einzig dauerhafte Heilungschance dar.
Klinische Studien belegen die Überlegenheit von Schwerionen gegenüber konventioneller Photonenbestrahlung bei einigen ausgewählten Tumorlokalisationen. Eine Reihe von Ergebnissen bei weiteren Tumorlokalisationen legt zumindest die Vermutung nahe, dass diese Strahlenqualität zu größeren therapeutischen Erfolgen führen könnte. Weitere klinische Forschung mit statistisch belastbarer Aussagekraft ist notwendig.
Von der Universitätsklinik Heidelberg werden für die Schwerionenbestrahlung an der GSI in Darmstadt vor allem Patienten mit Chordomen und niedriggradigen Chondrosarkomen der Schädelbasis, adenoidzystischen Karzinomen, anaplastischen / malignen Meningeomen und malignen Schwannomen ausgesucht.
Der Schädel des Patienten wird während der Bestrahlung in einer Kopfmaske fixiert und fest mit der Patientenliege verschraubt, so dass er unbeweglich ist und der Strahl präzise treffen kann. In gleicher Position wird die dreidimensionale Bestrahlungsplanung basierend auf Computertomographie- und Magnetresonanztomographie-Bildern durchgeführt. Der Tumor wird dreidimensional in seinen genauen Grenzen dargestellt, die Verteilung der Strahlendosis im Tumor und im angrenzenden Normalgewebe wird am Computer vorausberechnet und darauf aufbauend ein Bestrahlungsplan erarbeitet.
Erstmals weltweit wird das intensitätsmodulierte Rasterscan-Verfahren eingesetzt. Dabei wird das Tumorvolumen am Computer in einzelne Schichten gleicher Tiefe zerlegt, die vom Strahl rasterförmig abgetastet werden. Der Strahl verweilt so lange auf einem Punkt, bis die vorher berechnete Solldosis erreicht ist. Der Schwerionenstrahl ist elektrisch geladen und kann daher zusätzlich im Magnetfeld seitlich ausgelenkt werden. Seine Reichweite wird durch Variationen der Strahlenergie am Beschleuniger reguliert. Jedes Tumorvolumen kann somit präzise mit der vorgegebenen Dosisverteilung bestrahlt werden. Die Therapieanlage der GSI arbeitet hier in weltweit niemals zuvor erreichter Präzision.
Weiterhin wird die Lage des Strahls im Körper des Patienten während der gesamten Bestrahlungszeit überwacht - mittels der sogenannten Online-Therapiekontrolle, die ebenfalls eine weltweite Neuerung in der Teilchentherapie darstellt. Der Schwerionenstrahl bzw. seine Wechselwirkungen mit dem Gewebe können mit Hilfe der Positronen-Emissionstomographie (PET) sichtbar gemacht werden. Hierzu wird eine am Forschungszentrum Rossendorf bei Dresden speziell entwickelte PET-Kamera eingesetzt. Die Intensität und die Position des Strahls werden damit pro Sekunde 10.000mal geprüft. Bei der kleinsten Abweichung wird die Bestrahlung innerhalb von einer halben Millisekunde gestoppt.
Die bisher erzielten klinischen Ergebnisse sind außerordentlich ermutigend und erscheinen bereits jetzt besser im Vergleich zur herkömmlichen Therapie. Bei keinem Patienten kam es bisher innerhalb des Bestrahlungsfeldes zu einem erneuten Tumorwachstum.
Die Projekte innerhalb dieser Arbeitsgruppe befassen sich damit, Bestrahlungsplanung, Patientenimmobilisierung und PET-Monitoring weiter zu optimieren sowie Studien zur Qualitätssicherung und Dosimetrie durchzuführen. Langfristiges Ziel ist die Entwicklung einer klinikeigenen Schwerionenanlage in Heidelberg und darauf aufbauend die Durchführung weiterer klinischer Studien zur Teilchentherapie.


quelle: http://www.dkfz.de/radioonkologie/deutsch/
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