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Thema: Informationsaustausch rund um das Meningeom

Informationsaustausch rund um das Meningeom
Sarai 51
08.02.2020 18:09:31
Hallo,
nachdem ich selbst sehr viele Fragen habe und glaube, dass es vielen so geht wie mir, würde ich mich gerne über alle möglichen Fragen austauschen, wie und was beim Meningeom geht oder auch nicht geht. Leider gibt es in meiner Nähe keine Selbsthilfegruppe. Wer Lust hat, ich freue mich auf viele Infos und Erfahrungen in Bezug auf Meningeome.

Narkose? Ist es möglich eine Narkose zu erhalten, bei Schädelbasis Meningeomen, mit lanstreckiger Ummantelung der Schlagader und Sinus Cavernosus Beteiligung? Muss man da mit Komplikationen rechnen?

Röntgenaufnahmen beim Zahnarzt, ich habe ein Meningeom, welches die Schädelbasis infiltriert. Kann das Röntgen Wachstum verursachen?

Zahn ziehen im Oberkiefer, wenn auch noch der Trigeminusnerv vom Tumor tangiert wird. Kann das eine Neuralgie auslösen?

Medikamente? Ich hatte vor längerer Zeit ein Antibiotikum, da stand im Beipackzettel, dass es bei Hirnerkrankungen nicht genommen werden darf. Gilt das auch bei Meningeomen? Gelten Meningeome in dem Sinne als Hirnerkrankungen, oder sind die dahingehend gar nicht gemeint?

Darf ich mit Meningeom fliegen ?

Freue mich auf Austausch.
Sarai 51
Efeu
08.02.2020 19:41:56
Hallo Sarai,

ich versuche, deine Fragen zu beantworten.

Natürlich wird mit Narkose operiert. Ich habe auch ein Meningeom in der Schädelbasis.

Komplikationen: Kann es immer geben, der Verlauf der OP ist von vielen Faktoren abhängig, jeder Mensch reagiert anders, die Beschaffenheit ist neben der Lage des Tumors ein Kriterium......Die NCs versuchen, so viel wie möglich vom Tumor zu entfernen, im besten Fall alles sichtbare Gewebe. Ist das nicht möglich, werden sie so viel entnehmen, wie mit möglichster Schadensfreiheit des gesunden Gewebes machbar ist.
Bei aller Berechnung ist vorher aber nicht wirklich sagbar, wie der Verlauf ist.
Doch du kannst davon ausgehen, die Ärzte machen das Bestmögliche, und sie sind hochspezialisiert in ihrem Gebiet.
Von dem her ist ein gesunder Optimismus gut, bei den Meisten verläuft es problemlos, sie erholen sich rasch.

Grundsätzlich Eine OP im Gehirn ist eine massive Belastung, für den ganzen Organismus, man braucht danach Zeit, sich zu erholen, für den Heilungsprozess. Wie lange, auch das ist individuell.

Ich denke, eine Zahnextraktion kann keine Trigeminusneuralgie auslösen. Aber das kann nur ein Arzt wirklich beantworten.
Meine Erfahrung: Ich hatte eine Extraktion, und ich hab eine Trigeminusneuralgie, unabhängig davon, ein Jahr später bekommen.

Röntgenaufnahmen des Kiefers: Ich lasse sie machen, wenn es notwendig ist.

Mit Meningeom darf man fliegen, klar, warum nicht.

Zu deiner Frage wegen dem Medikament kann ich nichts sagen. Arzt fragen.

LG Efeu
Efeu
Sarai 51
08.02.2020 19:58:20
Hallo Efeu,
danke für deine Antwort. Mit der Narkose bezog ich es nicht auf eine Entfernung des Meningeoms, sondern allgemein auf OP-Narkose.
An anderer Stelle wurde gefragt, ob durch eine Narkose das Meningeom wachsen könnte. Diese Frage habe ich mir zum Beispiel nie gestellt, aber es hat mir gezeigt, dass es Gedankengänge gibt, die die betreffenden Personen beschäftigen, da es anscheinend keine Antwort gibt/gab. Ich habe mich immer gefragt, ob bei einer Ummantelung der Carotis ein Problem entstehen könnte, z.B. Kreislauf etc. wenn eine Narkose erfolgt. Ich würde mir dann z.B. eine Notfall-Karte anfertigen, falls ich z.B. bei einem Unfall nicht mehr ansprechbar wäre.

Klar, den Arzt muss man immer fragen. Trotzdem interessiert es mich, was andere erleben, gesagt bekommen, Erfahrungswerte. Ich habe eine sehr breite Spanne von "Meningeome wachsen nicht" über "kommen Sie in 4 Jahren wieder" bis zu " halbjährliche Kontrollen" gesagt bekommen und auch sonst einige divergierende Antworten. Diesbezüglich bin ich gut angekommen und habe meine Linie gefunden. Aber da sind immer wieder Situationen die verunsichern, weil noch nicht da gewesen.

LG Sarai
Sarai 51
Sarai 51
08.02.2020 20:08:39
Was mich zum Beispiel auch interessiert ist, ob der infiltrierte Knochen bersten kann und was das dann bedeutet. Ich habe bestimmt Fragen, worüber einige den Kopf schütteln, aber es beschäftigt mich, da ich keine Antwort habe. Was, wenn das passieren kann? Kann man die Schädelbasis "kitten"? Ich finde nicht viele Leute um das zu besprechen. Ich mache mich da nicht verrückt, es interessiert mich einfach.

Oder ob es tatsächlich so ist, dass ein infiltrierendes Meningeom keinen WHO Grad 1 mehr hat. Ich meine, das wäre hier mal erwähnt worden. Und was das dann bedeutet. Wachstum, etc.

Klar, den Arzt fragen. Aber, was kann ich hier erfahren?
Sarai 51
KaSy
08.02.2020 23:04:51
"Kann ein infiltrierter Knochen bersten?"

Wenn ein Knochen des Schädels durch ein Meningeom infiltriert wird, dann teilen sich auch die Zellen des Knochens und ihre Anzahl nimmt zu. Der Knochen besteht dann also nach und nach aus einem höheren Anteil an Meningeomzellen.

Aus meiner Erfahrung wird der Knochen nicht "bersten".

Mein erstes Meningeom hatte den Schädelknochen seit mehreren Jahren infiltriert. Ich bemerkte es 1,5 Jahre vor der Erstdiagnose an bereits vorhandenen einige Millimeter hohen Verdickungen im linken Stirnbereich auf einer 10 cm x 10 cm großen Fläche.
Eine Erklärung fanden ich, meine Hausärztin und auch der Radiologe nach dem Röntgen nicht. Instabil war der Knochen überhaupt nicht.

Der infiltrierte Knochen wurde mit dem Meningeom entfernt und durch eine Palacosplastik ersetzt. Diese wurde auch infiltriert, was ich 4,5 Jahre nach der OP an einer 1 cm kleinen Schwellung auf dem Kopf bemerkte. Tatsächlich war die gesamte Plastik infiltriert und musste ersetzt werden.
Ich erinnere mich, dass mir auf diese bereits infiltrierte Plastik versehentlich eine Kofferraumklappe draufgeknallt wurde, was zwar weh tat, aber sie blieb völlig stabil und intakt.

Ich nehme also an, dass Meningeomzellen den Knochen und auch eine Palacosplastik nicht in seiner Stabilität beeinträchtigen.

KaSy
KaSy
KaSy
08.02.2020 23:23:43
"Kann man die Schädelbasis kitten?"

Von ganz allein gehen Schädelknochen nicht kaputt.

Wenn eine Operation dazu führt, dass Knochen ersetzt oder Teile davon entnommen werden müssen (um den Zugang zum Tumor freizulegen), werden dieselben Teile oder ein Ersatzknochen passgenau eingesetzt und, wenn nötig, mit Titanmaterialien befestigt.

Vermutlich wird nach Unfällen, durch die Knochen gebrochen oder verletzt wurden, auch so gehandelt.

Ich nehme an, dass nicht "gekittet" wird.

Es sei denn, man fasst die Materialien für die Herstellung des Knochenersatzes (Palacos = "Knochenzement" oder PEEK) als Kitt auf.

KaSy
KaSy
KaSy
08.02.2020 23:53:49
"Kann Zahnröntgen das Wachstum eines Hirntumors erzeugen oder beschleunigen?"

Es gibt Länder, in denen Zahnärzte jede Zahnbehandlung mit einem Röntgenbild begründen und selbst dort ist keine höhere Anzahl von Hirntumoren festzustellen. Auch das Wachstum von vorhandenen Hirntumoren wird nicht beschleunigt.

Wenn das Röntgen der Zähne derartige Folgen hätte, dürfte man keine CT des Kopfes oder irgendeines Organs durchführen, da man sonst einen Tumor erzeugen würde, indem man ihn feststellen möchte.

Auch für Bestrahlungen von Hirntumoren werden (u.a.) Röntgenstrahlen verwendet, die im Vergleich zu jeder normalen Röntgenaufnahme eine vielfach höhere Dosis haben.
In den mit betroffenen gesunden Bereichen entstehen nahezu nie (bzw. erst mehrere Jahrzehnte später mit einer statistisch genauso geringen Wahrscheinlichkeit wie in der Normalbevölkerung) Tumoren.

(Es können durch die Bestrahlung Schäden entstehen, aber keine Tumoren.)

Natürlich sollte man seinen Zahnarzt und die Radiologen darüber informieren, was, wann, wo geröntgt wurde sowie dass man einen Tumor hat. Danach wird in der Radiologie normalerweise in einem Fragebogen gefragt. Gut wäre es, einen Röntgenausweis zu führen.

KaSy
KaSy
KaSy
09.02.2020 00:12:47
"Wie schnell wachsen Meningeome?"

Mein erstes Meningeom ist sehr langsam gewachsen, über viele Jahre vermutlich, es hatte den WHO-Grad I mit WHO-II-Anteilen.

Der Rest meines letztes WHO-III-Meningeoms wuchs nach der Teilentfernung innerhalb von einem Jahr um etwa 1 cm.

Es gibt also große Unterschiede.

Das Wachstumstempo wird in der pathologischen Untersuchung des entnommenen Tumormaterials mit einer Prozentzahl angegeben. Dabei gelten Angaben von 5 % oder 10 % als gering.
Diese (ich glaube, sie heißt) Progressionsrate fließt als eine von vielen Werten in die Bestimmung der Tumorart ein.
(Es gibt mehr als 100 verschiedene Hirntumorarten, bei Meningeomen sind es wohl auch mehrere 10 Arten.)

KaSy
KaSy
KaSy
09.02.2020 01:02:03
"Hat ein infiltrierendes Meningeom nicht mehr den WHO-Grad I ?"

Meningeome wachsen zunächst sehr langsam und verdrängen das Gehirn. Deswegen werden sie unbemerkt mitunter sehr groß.

Sie können im Verlauf ihres Wachstums Hirnhäute und Knochen infiltrieren, was oft keine Symptome erzeugt.

Falls sie wichtige ("eloquente") Hirnbereiche derart bedrängen, dass diese ihre Funktion nicht mehr richtig erfüllen können, kann es zu spezifischen (Sprachstörungen, motorische Probleme, ... ) oder unklaren, schwer deutbaren Symptomen (Kopfschmerzen, Aggressivität, Konzentrationsprobleme, ...) kommen.

Der weitaus größte Teil aller Meningeome hat trotz der genannten Auswirkungen den WHO-Grad I, also auch diejenigen, die infiltrierend wuchsen oder extrem starke Symptome zeigten.

Aus den MRT-Bildern ist möglicherweise erkennbar, ob es ein Meningeom ist. Es könnte vielleicht auch die Infiltration des Knochens gesehen werden.
Es ist aber nicht möglich, den WHO-Grad festzustellen und all die anderen Tumoreigeschaften auch nicht.

Dazu benötigt man Material des Tumors, um es pathologisch zu untersuchen.

Die Tumoreigeschaften bestimmen bei den hirneigenen Tumoren die weiteren Therapien, deswegen wird bei diesen mitunter erst nur ein Teil des Tumors durch eine Biopsie entnommen.

Meningeome sind keine hirneigenen Tumoren. Sie sind meist als solche im MRT gut zu definieren. Man operiert sie so vollständig wie möglich und lässt das Tumormaterial (mitunter noch während der OP als "Schnellschnitt") im Labor untersuchen.

Erst aus dem Ergebnis, das ein bis zwei/drei Wochen später vorliegt, kann definitiv gesagt werden, welchen WHO-Grad und welche weiteren Eigenschaften das Meningeom hat.

Bei fast allen genügt die Operation.

Falls der WHO-Grad II ("atypisch") oder III ("anaplastisch") festgestellt wird, beraten die Ärzte in der Tumorkonferenz, ob eine Bestrahlung folgen soll.


Meine Erfahrungen seit 1995:
Mein 1. Meningeom (1995) hatte laut mündlicher Info des NC den WHO-Grad I und wurde "vollständig" entfernt.
Mein 2. Meningeom (1999) war ein anaplastisches Rezidiv an derselben Stelle und wurde nach der OP bestrahlt.
Mein 3. Meningeom (2007) lag an einer anderen Stelle, war auch anaplastisch, wurde aber nicht bestrahlt.
Die Meningeome Nr. 4 und 5 (2011) waren anaplastisch, wurden in einer OP von zwei NC entfernt, aber nur eines war ein Rezidiv und wurde bestrahlt.
Das Meningeom Nr. 6 (2016) war an einer ganz anderen Stelle, es war atypisch, konnte nur teilentfernt werden und sollte deswegen bestrahlt werden, was erst 14 Monate später (2017) möglich war. Da war dieses Restmeningeom bereits auf seine Größe von vor der OP gewachsen.

KaSy
KaSy
Sarai 51
10.02.2020 13:09:03
Hallo KaSy,

danke, dass du mir so viele und auch sehr persönliche Informationen gibst.
Der Vorfall mit der Kofferraumklappe ist tragisch, aber ein bildhaftes Beispiel und man erhält eine Vorstellung von der "Materie".
Dass eine Plastik auch infiltriert werden kann, hätte ich nicht gedacht.

Auch dass es so viele verschiedene Meningeomarten gibt, wusste ich gar nicht.

Im Moment kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, auch nur eine einzige OP am Schädel vornehmen zu lassen. Dieses nun seit 5 Jahren. Ich hatte 2015 eine Bestrahlung. Du hattest so viele Op's. Ich glaube, das einzige worüber ich froh war, als ich die Diagnose bekam, war, dass der Tumor nicht operiert werden kann. Ich müsste mich tatsächlich psychologisch vorbereiten, wenn es doch einmal Thema wird.

Ich danke dir herzlich.
Sarai
Sarai 51
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