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Thema: Ist Hospiz gleich Abschiebung?

Ist Hospiz gleich Abschiebung?
Hamsterleser
05.08.2013 08:05:11
Hallo Zusammen,

mein Vater hat vor 6 bzw. jetzt knapp 7 Wochen seine Diagnose 2 inoperable Glioblastome bekommen. Seit dem haben uns die Ereignisse (und die Krankheit) überrollt. Mittlerweile gilt mein Vater als austherapiert. Er liegt auf der Palliativen. Uns wurde nun seitens des Krankenhauses mitgeteilt, dass mein Vater nur noch max. 10 Tage auf der Station verbleiben kann. Dann müsste er entweder ins Hospitz oder zu uns nach Hause. Wir sind alle voll berufstätig. Meine Mutter fühlt sich nicht in der Lage meinen Vater nach Hause zu holen und zu Hause zu pflegen. Ihr fallen 1000 Gründe ein, welche dagegen sprechen. Aber kein einziger, der dafür spricht. Ich habe mehrfach versucht, mit Ihr zu reden und Sie davon zu überzeugen versucht, dass mein Mann und ich sie bei der Pflege unterstützen würden. Ich habe ein solch schlechtes Gewissen gegenüber meines Vaters. Aber auf der anderen Seite kann ich meinen Job auch nicht aufgeben, oder mich für 2 oder 3 Monate freistellen lassen. So gerne ich es auch täte und wollte. Darf ich sie also deswegen verurteilen? Wohl eher nicht!
Ich fühle mich so ohnmächtig, weil ich genau weiß, dass mein Vater einfach nur nach "Hause" möchte. Jetzt erwartet meine Mutter auch noch von mir, dass ich dabei bin, wenn die "Psychoonkologin" meinen Vater diese Nachricht überbringt. Ich bin seit 7 Wochen jeden Tag nach der Arbeit im Krankenhaus. Aber zum ersten Mal überlege ich mir, einen Tag ausfallen zu lassen, weil ich nicht in die Augen meines Vaters blicken kann und will, wenn ihm diese Hiobsbotschaft überbracht wird. Ich habe das Gefühl, dass ich ihn verrate und er denken könnte, dass wir ihn abschieben wollen. Die Psycho-Tante versucht mir zu erklären, dass ein Hospitz etwas ganz Tolles wäre und vergleichbar mit einem Hotel, in dem die "Gäste" hofiert werden. Aber das kann doch nicht das "zu Hause" und die Familie ersetzen.
Hat jemand die gleichen Erfahrungen mit seinen Angehörigen gemacht und wie war es dann im Hospitz? Ich habe Angst, dass mein Vater sich dann ganz aufgeben wird. Kamen Vorwürfe, Tränen? Ich bin so verzweifelt.

Bis bald
Hamsterleser
Hamsterleser
Felsquellwasser
05.08.2013 08:54:17
liebe Tochter
aus eigener Erfahrung kann ich sehr positiv vom Hospiz berichten, es ist
eine andere Art von Zuhause, meine Trauzeugin hat 67 Tage dort verbracht ich war fast immer da, sie fühlte sich dort zu Hause ,sie wußte ,dass sie allein nicht leben kann, wollte ihre Tochter nicht belasten die arbeiten muss,..
meine liebe Hedi musste 2 x ins KRH und sagte immer,aber ich will wieder nach Hause und meinte das Hospiz, sie war umsorgt ,was sie sich wünschte zu essen zu trinken ,das bekam sie, ihr 68 .Geburtstag war ein Highlight, ein Fest ,wir machten Musik und aßen Kuchen ,sie lachte und strahlte und hat es so genossen alle um sich zu haben.
Die Umsicht mit der die Menschen dort behandelt werden ist einzigartig ein Hospiz ist durchaus ein Ort der Freude, sie hatte ihren Lieblings Sessel und Fotos bei sich ,geliebte Gegenstände,das was ihr etwas bedeutete,abgeschoben fühlte sie sich nie.
Was sie irritierte ,war dass sie soviel Zeit hatte und sich nicht krank fühlte, die Medikamente wurden sehr sanft dosiert, so dass sie meinte sie müsse gar nichts schlucken.
Sie hatte klar entschieden wer zu ihr durfte und wen sie nicht sehen wollte ,der Hausarzt kam 2-3 mal die Woche und natürlich wenn die Hospiz MA meinten ,er müsste kommen.
Das Verhalten deiner Mutter kann ich nicht einschätzen beurteilen mag ich es nicht ,es ist sehr schwer ,jemanden rund um die Uhr zu betreuen,
das hat nicht nur etwas mit Liebe zu tun ,wer es kann ,wunderbar ,wer das nicht kann ,es ist ok. ,ein gutes Hospiz kann mehr leisten als wenn jemand sich daheim durchquält.
Deine Aussage bzgl der Bitte deiner Mutter,dass du dabei sein sollst ,
ehrlich ,wenn du es so fühlst wie du es hier schreibst ,dann lasse es,
Ich würde es nur tun ,wenn ich es auch möchte, nicht um Mutter zu entlasten ,aber es ist nur meine Meinung,....
Mit Hoffnung
100wasser
selber Glio Grad IV Dez.2010, viele Hospiz Erfahrungen ,durch Angehörige und Freunde
Felsquellwasser
Dr. Orchidee
05.08.2013 09:11:54
auch ich als palliativ tätige Hausärztin kann nur positiv vom Hospiz berichten. Neben einer intensiven medizinischen /pflegerischen Versorgung kümmern sich auch Physiotherapeuten/ Psychologen/ Seelsorger und zahlreiche ehrenamtliche (geschulte!) Kräfte sehr engagiert darum ein menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen.
"Wir können dem Leben nicht mehr Tage, aber den Tagen mehr Leben geben" seht im Eingangsbereich unseres Hospizes, das in einem Wohnhaus eingerichtet ist und so gar nichts von Krankenhausathmosphäre hat.

Ich kann nur empfehlen: Hingehen, ansehen und mit den Leuten sprechen... und sich ein eigenes Bild machen.
Grüße, Orchidee
Dr. Orchidee
amaryllis62
05.08.2013 09:32:18
Liebe Hamsterleser,

es ist gut, dass Du Dich mit Deinen Ängsten, Sorgen und Nöten an das Forum wendest. Es tut einfach gut, diese Dinge ohne Bewertung los zu werden.
Aus deinen Zeilen höre ich fast nur Zweifel, wie ihr als Angehörige damit umzugehen versucht. Diese Situation ist verständlicher weise auch extrem belastend. Was wünscht sich denn dein Vater?
Es gibt ja verschiedene Möglichkeiten, seine Zeit mit euch friedlich, würdevoll und für alle Beteiligten machbar zu gestalten.
Ich kann nur die Erfahrungen, die ich gemacht habe weitergeben.
Als meine Tochter im Krankenhaus palliativ entlassen wurde, überkam mich eine große Panik. Wie schaffe ich es zu Hause ohne den Beistand der Ärzte. Allein mit der Verantwortung und ohne große med. Kenntnisse. Ich habe mich dann auf der Palliativstation beraten lassen und der dortige Arzt konnte mir sehr viel Angst nehmen. Daraufhin habe ich Kontakt mit dem Hospiz aufgenommen und wir haben eine sehr befriedigende Lösung gefunden.
Ich pflege meine Tochter mit Hilfe des SAPV / Palliativ-Care-Programm, d.h. Pflegedienst, Palliativarzt und Hospizhelfer kümmern sich um uns zu Hause. Falls es uns überfordert hatten wir parall dazu ein Bett im Hospiz reservieren lassen. Das nahm mit unheimlich Druck und die Angst vor Verantwortung und Überforderung.
Wir wurden so wunderbar betreut, das wir unsere Tochter zu Hause lassen konnten und ihr damit ihren größten Wunsch erfüllen konnten: zu Hause sterben.
Aber dies ist nur mein Bericht und wie auch immer ihr entscheidet, ist es richtig und verdient Respekt.
Ich wünsche euch von ganzem Herzen Kraft und die nötige Energie, die richtige Entscheidung zu treffen, die für alles akzeptabel ist.
Füllt diese intensive Zeit mit viel Liebe, Verständnis und Toleranz, denn das ist Lebensqualität für deinen Vater.

Liebe Grüße von Amaryllis mit ihrer wunderbaren Tochter im Herzen
amaryllis62
alma
05.08.2013 17:22:52
Hallo,

im Hospiz oder auf der Palliativstation ist der Betroffene bisweilen besser aufgehoben als in einer Familie. Die Möglichkeit, sich mit der Pflege zu Hause zu überfordern, ist doch recht groß. Und - immerhin 50% der Patienten einer Palliativstation wird wieder in die Häuslichkeit entlassen, vorerst stabilisiert. Auch aus einem Hospiz kann man entlassen werden. Habe ich schon einige Male bei anderen erlebt. Das bedeutet natürlich nicht Genesung, aber es ist ein Aufschub. Wie bei uns allen, eingeschlossen die Gesunden, nur wohl ein kürzerer.

Alma.
alma
gramyo
05.08.2013 19:07:56
Hallo, liebe Tochter,

auch ich schließe mich eigentlich den Berichten meiner Vorredner an, obwohl mein Partner hier zu Hause, in einer von ihm ausgebauten Scheune, diese Welt verließ.

Allerdings habe ich auch pflegerische und medizinische Kenntnisse. Dazu kam , dass wir wirklich ein wunderbar funktionierendes Palliativteam hatten, die mir die nötige Sicherheit gaben.

Ich kenne Hospize von 2 Freundinnen und kann meine Vorredner nur bestätigen. Ihr würdet deinen Vater absolut nicht "abschieben". Wichtig fände ich nur, dass er so häufig wie möglich von all seinen gewünschten Lieben besucht wird.

Ich würde mir wünschen, dass es noch viel mehr Hospize gäbe, weil ich finde, dass es einer der besten Möglichkeiten ist, schön, ruhig, gut betreut, von seinen Lieben umgeben, Abschied von dieser Erde zu nehmen.

Ganz liebe Grüße von uns beiden und ein liebevolles Abschiednehmen
wünschen wir euch
Gramyo und ihr Mann, der in ihrem Herzen und Leben
einen wunderschönen Platz einnimmt
gramyo
Toska
14.08.2013 09:52:45
Hallo,

auch ich kann nur positives über Hospiz sagen.
Eine bessere Betreuung kann ein sterbenskranker Mensch nicht erfahren.
Die Schwierigkeit ist wohl für die Angehörigen einzusehen, der Patient wird keine Heilung mehr erfahren.
Aber im Hospiz erfährt er eine optimale Betreuung. Schaut euch doch einfach mal ein Hospiz an.
Mein Mann war auch an einem Glio erkrankt, seit Dezember 2011, er verstarb am 04.07.2013 in einem Hospiz und ich war bis zum letzten Atemzug bei ihm.
Ich wünsche euch viel Kraft und trotz allem eine schöne Zeit beim Abschied nehmen.
Toska
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