Hallo hopeflower,
ich kann voll nachvollziehen, was Du gerade durchmachst. Meiner geliebten armen Frau geht es jetzt im Hospiz, wo sie seit 4 Wochen und einem Tag ist, zunehmend schlechter. Nach einer kurzen Verbesserung letzte Woche (sie konnte sogar wieder einige Schritte gestützt gehen, die Verwirrtheit war zurückgegangen, und sie hatte wieder großes Interesse an ihrer Umwelt- shoppen gehen, die Freunde der Kinder kennenlernen, mit Freundinnen abends ein Glas Wein trinken etc.- ich hatte eigentlich ins Auge gefasst, sie wieder nach Hause zu holen) geht es jetzt die letzten Tage steil bergab: Sie ist wieder zunehmend verwirrt, wird aggressiv und "bockig" wie ein kleines Kind, kommt kaum noch aus dem Bett, der rechte Arm ist jetzt auch gelähmt und gestern ist sie das erste Mal bewusstlos geworden :(.
Aber die Therapie mit CCNU und Avastin will sie trotzdem weitermachen, und wenn das ihr Wille ist, wird ihr dieser selbstverständlich erfüllt- das ganze ist ja auch eine Frage der Psyche, und wenn der/die Kranke subjektiv das Gefühl hat, er/sie würde noch aktiv gegen die Krankheit kämpfen, geht es der/dem Kranken innerlich sicherlich besser.
Das Furchtbare an dieser Krankheit ist einfach, dass wir gar nichts tun können, außer am Bett oder am Rollstuhl zu sitzen, die Hand zu halten und dem geliebten Menschen das Gefühl geben, dass er eben auch auf diesem letzten Abschnitt des Lebensweges nicht alleine ist - den allerletzten Schritt muss sowieso jeder von uns alleine machen. Also lass uns als Angehörige alles tun, was wir leisten können, um dem Kranken diese (vor-)letzten Schritte eben so angenehm wie möglich zu gestalten. Und dazu gehört eben auch, die "Therapie" weiter durchzuziehen, auch wenn es objektiv nichts bringt - außer vielleicht einige Wochen länger Quälerei. Aber es ist nun mal nicht unser Leben, sondern das des geliebten Menschen - also muss er/sie auch entscheiden, so lange wie er/sie es noch können. Der Moment, wo wir als Angehörige möglicherweise weitreichende Entscheidungen treffen müssen, kommt ja in den meisten Fällen sowieso noch (z. B. bei komatösem Zustand), und das wird dann schon schrecklich genug.
Also: Freuen wir uns über jeden Tag, den der/die Kranke noch bei uns ist, auch wenn wir uns immer wieder fragen, wie lange man selber das noch durchhalten kann: Eines Tages ist es vorbei, und dann müssen wir unseren Anblick im Spiegel ertragen - ich könnte das nicht, wenn ich mir nicht selbst sagen könnte, das man wirklich, wirklich alles versucht hat und an seine Grenzen gegangen ist - die ja bei allen anders sind, schließlich konnte ich meine Frau nach 10 Monaten Krankheit nicht mehr pflegen, deshalb ja jetzt das Hospiz.
So, und jetzt fahre ich erstmal wieder aus dem Büro zu meinem Schatz, um mit ihr - hoffentlich - gemeinsam Mittag zu essen.
Viel Kraft euch allen
Totti