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Pipolino

Tumorpatienten hören und lesen es so oft:

„Du brauchst jetzt alle Kraft für die Therapie.“

„Du musst jetzt stark sein und den Tumor bezwingen.“

Oder Sätze, wie „Sie kämpft wie eine Löwin.“

Was bedeutet das eigentlich? Wie kämpft man gegen den Tumor im Kopf? Was heißt das im Einzelnen?

Läuft man am besten mit geballten Fausten herum und beschimpft die Reste des herausoperierten Astrozytoms III möglichst laut und gezielt?

Ich will das überhaupt nicht lächerlich machen und suche Rat. Für mich klingt das aber alles so abstrakt und mir fehlen die praktischen Tipps.

Bislang bestand „Mein Kampf“ gegen den miesen kleinen Diktator in der OP, Beginn der Chemo-Strahlentherapie, zig Terminen bei Ärzten, Einholen von Zweitmeinungen, Besorgung von komplementären Präparaten zur Unterstützung der Terapie, spazierengehen aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich wie ein Löwe kämpfe.

Ich bin zu allem bereit und habe auch noch einige Kraftreserven. was kann ich mit denen anfangen? Wenn ich mit den Ärzten zum Beispiel über das Rauchen spreche (ich rauche seit der OP glatt doppelt so viel wie vorher und schaffe gut zwei Schachteln), dann höre ich von ALLEN: „Eine Baustelle nach der anderen.“ oder „Schränken Sie jetzt nicht Ihre Lebensqualität ein.“ Und das aus den Mündern der Mediziner. Für mich klang das sowas von paradox doch einer traf es auf den Punkt: „Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass Sie jetzt noch an Lungenkrebs erkranken, tediert gegen Null.“ Meine Motivation mit dem Quarzen aufzuhören damit auch.

Was also zeichnet den Kampf gegen den Tumor aus? Was macht ihr?

Medea

Hallo Sascha,

wie du unten siehst, bin ich in ähnlicher Lage wie Du. und oh schreck ich rauche auch noch, allerdings weniger.
Das mit dem kämpfen habe ich auch lange nicht verstanden.

Alle haben immer gesagt ich sei so tapfer, weil ich nach der Op gleich wieder fit war, auch gleich wieder gearbeitet habe, vollzeit, jetzt immer noch.
Und sogar nach vier Wochen wieder angefangen habe Sport zu machen.
Ich habe dann immer gesagt, warum tapfer? Mir geht es gut, ich hatte einfach Glück, dass es mir ao gut ging, hat nichts mit tapfer zu tun.

Dann hat mir meine beste Freundin, die Neurologin ist und auch auf einer Tumorstation gearbeitet hat, gesagt, dass das tapfer was mit der Einstellung zu tun hat, und dass die Einstellung ganz viel mit gut gehen zu tun hat. Dass wenn ich versuche einfach mich nicht von der Diagnose und den vielen Veränderungen, wie ständigen Arztbesuchen, kein Autofahren, leicht Nebenwirkungen von der Chemo, nicht runterziehen zu lassen.
Das heisst kämpfen.
Ich habe meine Diagnose jetzt seit dem 1.1. und erst jetzt merke ich langsam was mit kämpfen gemeint ist, es heisst einfach positiv sein, einen Schritt nach dem anderen und durchzuhalten , denn es ist nicht nach Op und chemo und strahlen vorbei, es ist etwas mit dem man leben lernen muss.

Keine Ahnung ob das hilft, aber dachte ich schreibe es mal

Gruss Medea

oligoastrozytom III, erkannt Anfang Januar 2013' OP Februar 2013' status, geht mir aktuell sehr gut , stecke jetzt in der PCV Chemo, vertrage sie gut, arbeite voll

alma

"Die Leute haben nicht Krebs - man hört von ihnen, dass sie gegen den Krebs kämpfen. Kein wohlmeinender Freund, der einem alles Gute wünscht, lässt die kämpferische Redensart aus: Das packst du. Selbst in Nachrufen auf Krebsverlierer steht es, als könne man vernünftigerweise von jemandem sagen, er sei nach langem und tapferem Kampf gegen die Sterblichkeit nun tot. Man hört so etwas nicht bei Menschen, die lange an einer Herzkrankheit oder an Nierenversagen gelitten haben."

Christopher Hitchens, brit. Journalist, 1949-2011, an Speiseröhrenkrebs verstorben

In Wirklichkeit kämpft der Krebs auf unpersönliche Weise gegen dich und du kannst nur versuchen, ihn aufzuhalten.

Alma.

Felsquellwasser

ich habe heute meinen 27 . Hochzeitstag,
was für ein Glück,das ist wchtig ,
31 Monate lebe ich mit der Diagnose.
deine Frage,lieber Sascha ,finde ich klasse.
als die Diagnose mir mitgeteilt wurde ,von der Radio Onkologin
verbunden mit dem Satz, 6 Monate bis zu wenn ich Glück habe 2 Jahre drängte sich der Trotz in mir nach oben--
ich mache doch nicht den ganzen Mist durch um dann sowieso schnell abtreten zu müssen
---Totgesagte leben länger--,
ist das eine Kampfansage ? ich habe keinen Feind, es ist eine Krankheit
Wir sind eben chronisch krank ,wie Herzkranke ,MS oder Parkinson oder Rheuma ,soviele Menschen leben unter schwierigen Bedingungen .
Ich habe immer wieder dem Untermieter offiziell gekündigt , laut ausgesprochen habe ich es, während der Behandlungen oder sonst wo im chat hier haben es 4 Mitglieder mit mir gemeinsam getan.
Wie wird Kampf definiert ? Ich weiß es nicht ,manche benutzen den Ausdruck ,wenn es hilft.
Du hast an anderer Stelle geschrieben ,dass ihr geheiratet habt ,ein Baby
möchtet,das nenne ich eine positive Auseinandersetzung mit der Erkrankung.ach ja die Qualmerei ist nicht so super , aber das weißt du selber.
Lebe dein Leben ,so gut es geht, es kommt die Zeit ,dass du nicht mehr ständig daran denkst,......
100wasser

gramyo

Lieber Sascha und Frau,

ja, das ist so eine Sache mit dem kämpfen. Ich habe hier auch öfters die Worte "friedvoll kämpferisch" gebraucht. Aber eigentlich geht es nicht darum, in der Zeit einer schweren Erkrankung. Wir waren und jetzt bin ich es halt, der Meinung , dass es um eine lebenswerte , intensive und DURCHAUS glückliche Zeit geht, die man hat und mit seinen Lieben verbringt.

Also, wenn du deine Zigaretten geniesst, dann würde ich sie dezimieren , aber auch noch nicht damit aufhören.Ich glaube, man horcht in solchen Zeiten einfach immer wieder in sich hinein und entscheidet sich für oder gegen etwas, was einem gut tut oder eben halt nicht.

Nach wie vor denke ich, dass dein Leben, auch gerade mit deiner Frau dich ja glücklich macht und dir ein "Ja" zum Leben gibt.

Also vergessen wir mal alle das kämpfen und leben wir lieber und geniessen das Leben und sammeln Kräfte für schwierige Behandlungen, wie bei dir die Chemo, die jetzt ansteht.

Übriegens, es war jetzt nicht in diesem Beitrag deine Frage, aber ich würde mich an eurer Stelle für ein Kind entscheiden. Jeder hier auf dieser Welt bekommt aus egoistischen Gründen seine Kinder ,weil man tief innerlich den Wunsch hat, das " etwas von einem selbst" hier weiter auf der Erde ist, wenn man diesen Planeten verlassen hat.

Also auf ein gutes Leben !!

Ganz liebe Grüße von uns an euch
senden euch Gramyo und ihr Mann in ihrem Herzen

Adler

für mich heißt KÄMPFEN =

DIE HOFFNUNG NIE AUFGEBEN !

jürgen

kämpfen heißt für mich: sich helfen lassen und gleichzeitig selber tätig werden, sofern man denn leben will! im internet steht viel mist, aber man kann sich diese technik auch zu nutzen machen und gucken, was neben standard sonst noch helfen könnte...
alles gute!
jürgen

anikgjen

Kämpfen heisst in Deinem Fall sich bewusst mit der Krankheit auseinanderzusetzen und nicht klein beizugeben!!!!!
Das ist denke ich ziemlich wichtig.
Stark sein, durchhalten, das Beste draus machen.
Ich habe das bisher nur als Angehöriger mitgemacht, ich habe auch gekämpft - gekämpft die Wahrheit zu erfahren, gekämpft nicht angelogen zu werden, gehofft dass die Ärzte nicht Recht haben.
Bei uns konnte der Patient selbst nicht kämpfen, denn die Wahrnehmung war sofort weg......
Einfach nicht Aufgeben rate ich Dir!

Weihnacht

Hallo Sascha - und all die lieben anderen,

Das "Kämpfen" finde ich persönlich einen zu aggressiven Ausdruck für das, was wir tun - aber so sind wir Deutschen halt... (Für unsere kriegerische, preussische Sprache sind wir in der Welt bekannt. Bin Kommunikateurin und achte deshalb sehr auf Sprache.)

Ich selbst spreche von "Kooperieren". Ich kämpfe nicht GEGEN sondern mit... Allerdings bin ich auch davon überzeugt, dass mein Körper nichts tut, um sich selbst zu schaden. Und damit auch mir als ganzem Menschen nicht. (Wir tendieren dazu, Körper und das andere voneinander zu trennen.)
Lg Iz

Felsquellwasser

hallo Iz....
es ist so herrlich was wir hier von dir lernen dürfen
hallo sascha,
kannst du mit der Vielfalt der Einträge etwas anfangen?
100wasser

Pipolino

Hallo ihr Lieben,

Danke für Eure Antworten, mit denen ich viel anfangen kann. ich stelle fest, dass ich kämpfe und zusammen mit meiner Frau alles richtig gemacht habe. Vielleicht bin ich Preuße und Krieger, kämpfe gegen den Tumor und nicht mit ihm. Meine neuesten Verbündeten heißen seit vorgestern Temodal und Bestrahlung. Obwohl sie beide ihre Kehrseiten haben, sind sie doch diejenigen, die mit mir kämpfen und den Feind besiegen wollen. Keine Schlacht ohne Kollateralschäden. Ich habe in den letzten Tagen viel über das Kämpfen nachgedacht und war ertaunt, dass meine liebe Mama mir fast alles aus diesem Thema gesagt und geraten hat. Das kam unerwartet klug und erfahren, aber schließlich haben wir vor drei Jahren unseren lieben Papa an Krebs verloren und die beiden wussten, was es heißt zu kämpfen.

Zusammenfassend kann ich sagen, was kämpfen für mich in den letzten Wochen bedeutet hat:

1. Vertraue den Ärzten, aber nicht bloß nicht blind.

2. Trage so viele Imformationen zusammen, wie möglich, aber lese nicht zu viel über und glaube nicht an die Prognosen. Du bist kein Statist, sondern derjenige, der die Statistik über den Haufen werfen wird.

3. Viele Informationsquellen sind veraltet, gerade was die Überlebensraten betrifft.

4. Schreib Dir jede Frage auf, die Dir bei der Recherche einfällt und stelle sie nur den besten Ärzten, die es in Deutschland gibt. Suche diese gezielt auf und frage sie, welche Therapie sie machen würden, wenn sie in Deiner Situation wären. Nimm zu allen Gesprächen jemanden mit, der den Überblick behält. Du kannst Dir nicht alles merken. Macht Notizen und führt Protokoll, ein paar Tage später ist vieles vergessen. Lass Dir damit ruhig etwas Zeit, Therapiebeginn vier Wochen nach der OP ist völlig okay. In dieser Zeit kann man viele Termine machen.

5. Sei nicht enttäuscht, wenn fast alle die Standardtherapie mit Temodal und Bestrahlung nach Stupp-Schema vorschlagen, anscheinend gibt es derzeit keine Alternative, zu der man ruhigen Gewissens raten könnte.

6. Gestalte Deine Zeit so, wie DU es für richtig hältst. Genieße die gewonnene Freizeit so gut es geht. Geh nicht zu früh wieder arbeiten. Für die „positive“ Arbeitsmoral bekommst Du keinen Cent mehr und streicheln tut Dich deswegen auch keiner.

7. Mach einen schönen Urlaub, wenn Du es Dir leisten kannst, das ist die beste Reha, ansonsten erkunde deine Gegend und genieße neue Eindrücke.

8. Lass Dich so schnell wie möglich operieren. Wenn man Dir zu einer Wach-OP rät und Du den Gedanken daran nicht erträgst, dann lass Dich in Vollnarkose operieren. Du entscheidest das. Ich sollte im Wachzustand operiert werden, habe aber beim Aufwecken gehustet, wie irre, sodass ich gleich wieder abgeschossen wurde. Auch wenn man deswegen vielleicht etwas weniger Tumorgewebe entfernen konnte (immerhin sind 85-90 % weg), war ich anschließend froh, dass ich nichts mitbekommen habe. Für mich war das so oder so eine Horrorvorstellung, zu der man sich nicht tapfer verpflichtet fühlen muss.

9. Vielleicht hast Du ja auch das Glück, eine/n Hausarzt/ärztin zu finden, der/die in Onkologie promoviert hat. Das hilft ihm beim Verstehen der anderen Arztberichte ungemein und macht eine Begleitung Deines Weges einfacher.

10. Wenn Du bis hierhin gelesen hast und kein Betroffener bist, der die Krankenkasse nicht mehr wechseln kann, dann werde möglichst Privatpatient. So ungerecht es auch ist: Es bleibt weiterhin der schnelle Türöffner zu allen Chefarztzimmern. Dieser Punkt ist aber wirklich nicht der Wichtigste, er macht es einem aber leider um einiges einfacher.

Felsquellwasser

Hallo lieber Sascha,ich muss jetzt Lieber schreiben
was du aufführst sollte als Patienenratgeber überall aushängen
-beim Lesen habe ich eine Gänsehaut bekommen und das bei der Hitze-
35 grad C,,,,
es trifft es für mich als Betroffene Person auf den Punkt

Du schaust nach vorn ,mit Hoffnung und Bangen ,die Therapie ist echt anstrengend, vielleicht bist an Tipps interssiert ,was du Komplementär zusätzlich machen kannst ,um gut dadurch zu kommen, Begleitchemo und Bestrahlung und anschließend 6 Zyklen Chemo.

Ich wünsche dir gute Medizinische Beratung und Begleitung für die nächsten Monate und""" trotz allem""" eine richtig gute Zeit

!00wasser
Glio Grad IV 2010 Dez/ Bestrahlung 60 Gray Temodal bis März 2011
Temodal 6 Zyklen bis September 2011

Harry Bo

Hallo Sascha, auch von mir ein dickes Lob für diese Zusammenstellung und damit einem super Ratgeber für frisch Betroffene.
Genau so sollte man die Sache Angehen!
Grüsse aus dem RehaUrlaub
Harry

anikgjen

Lieber Sascha! Ich bin froh dass heutzutage operiert wird! Ich freue mich über jeden der es schafft ...... Vor 22 jahren gab es nur die diagnose glioblastom- mehr nicht- die ärzte haben weder bestrahlung noch chemo angeboten noch op egal ob privatpatient oder kasse.....
Zum glück ist die medizin heute weiter!
Ich wünsche dir und deiner frau kraft! Ich wünsche euch unendlich viele schöne gemeinsame stunden!
Ich wünsche euch zuversicht und ich hoffe du gewinnst !
Das "positive" an einem hirntumor ist dass er im körper nicht streut!
Man kann zwar metastasen im hirn bekommen aber ein hirntumor kann nicht streuen - somit hast du es definitiv geschafft wenn du ihn besiegt hast!
Daumen sind gedrückt sascha!!!!!!

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