Liebes Forum,
anbei eine Übersicht für alle Interessierten, was einen von der Diagnose bis zur OP und danach erwarten kann und auch im Detail die OP Vor- u. Nachbereitung sowie Infos zu einem Meningeom Typ der hier noch nicht aufgetaucht ist. Da ich diese Infos selbst gesucht hatte, dachte ich, es könne dem ein- oder anderen helfen. Und da mir selbst ein ganz ausführlicher Bericht von Jacky extrem geholfen hat, dachte ich, ich schreibe hier im Detail mal auf, was ich alles erlebt habe. Ich habe extra Überschriften, dann kann man auch direkt in das Thema springen, das einen interessiert. Dies ist ein durchweg POSITIVER Bericht :-)
Ich bin weiblich, 47 Jahre alt, glücklich verheiratet, kinderlos und berufstätig.
DIAGNOSE
30.1.2015 Diagnose beim HNO, da ich dachte, meine Nasennebenhöhlenentzündung wäre nicht richtig verheilt. Er fand keine Entzündung und machte ein spezielles Röntgenbild. Darauf waren weiße Schatten im Schädel zu erkennen. Er sandte mich taggleich zum MRT.
30.1.2015 MRT - Diagnose "Gutartiger Tumor im Kopf" und den Namen Keilbeinmeningeom, den ich mir nicht merken konnte. Meine Reaktion "Ach so". Keinerlei Ängste oder Befürchtungen.
Plan war, dass ich am 2.2.2015 ein CT erhalten sollte, um die Diagnose noch zu unterstützen.
31.1.2015 Die Diagnose vom MRT lag im Briefkasten, es war Samstag und ich googelte das Wort "Keilbeinmeningeom". Ich landete auf Hirntumorseiten. Das war der Hammer. Ich und ein Hirntumor? Die Angst und die Befürchtungen begannen. Das ganze Wochenende googelte ich und war sehr gut vorbereitet auf den CT Termin.
2.2.2015 - CT, die Diagnose wurde von der Radiologin bestätigt. Keilbeinmeningeom, linke Seite, hinterm Auge, ca. 4,5 cm groß. Meine Frage, wie es jetzt weitergehen soll, beantwortete sie wie folgt: "Tja, das ist nicht operabel, da müsste man Ihnen ja die komplette linke Seite des Schädels wegnehmen. Schauen Sie mal wie und wo das überall sitzt, das kann man nicht mehr rekonstruieren". Auch meine Frage, welchen Arzt ich aufsuchen solle, beantworte sie nicht. Dies sei ein interdisziplinärerer Fall, Schädel und Auge. Ich solle mal zum Augenarzt gehen. Ich beschloss, die Dame für inkompetent zu halten und verdrängte diese Horroraussagen.
Ich suchte mir in der Nähe 2 Neurochirurgen. Ich wollte eigentlich erstmal zur Uniklinik (NC 2). Dort bekam ich einen Termin am 16.2.2015. Aber ich wollte schnelle Antworten, da ich wissen wollte, ob sie mir das Ding rausholen können. An der zweiten Klinik, bekam ich bereits am 10.2.2015 einen Termin (NC 1). Noch immer viel zu viel Zeit bis dahin, aber die Antworten lagen vor mir.
Neurochirurg 1:
10.2.2015 Die Aussage von ihm war, Operation geht, ggf. 2. Operation, falls ich noch Beschwerden, Rezidive hätte. Kein Wort von Bestrahlung. Meine Frage nach der Operationsmethode beantwortete er mit, dass mir der Schädel von der Schädelmitte bis zum Ohr aufgeschnitten wird. Ich fragte, ob das minimalinvasiv sei. Hierauf hörte ich mir an, dass Neurochirurgen bereits seit den 60er Jahren minimalinvasiv operieren und sich dieses Wort, genau wie Bio, als Modewort etabliert hätte. Meine Antwort war, dass ich dann gerne die Demetervariante der Operation hätte. Der Neurochirurg als Mensch sagte mir nicht zu, für mich ein Halbgott in weiß, zu dem ich kein Vertrauen aufbauen konnte. Hier wollte ich definitv nicht operiert werden. Aber das ist ja Typsache, ein anderer findet ihn sicherlich klasse.
Ich war auf jeden Fall glücklich. Das Ding konnte operiert werden.
THERAPEUT-psychologische Unterstützung
11.2.2015 Ich nahm Kontakt zu einer Therapeutin auf, die mich in dieser Zeit unterstützen sollte. Das war das Beste was ich getan habe. Sie schrieb mich erstmal krank, damit ich meine Panikattacken und Angstzustände verarbeiten konnte. Gleichzeitig gab sie mir wertvolle Hinweise, in medizinischer, wie auch psychologischer Sicht. Ich war nicht oft da, aber bin dankbar, dass sie mich so toll unterstützt hat. Ich war ja das erste Mal in meinem Leben in einer wirklichen Lebenskrise.
Neurochirurg 2:
16.2.2015 Eine andere Welt im Gegensatz zu Neurochirurg 1. Ein Mensch sprach mit einem Menschen. Er klärte mich hervorragend auf. Er sagte mir direkt, dass er nur 60-70% entfernen könne, dass die OP 7-8 Stunden dauert, ich aber sicher wieder auf die Beine kommen würde. Später erfuhr ich, dass er international bekannt ist für komplizierte Tumore. Er meinte, ich hätte jetzt noch etwas Zeit alles zu organisieren, würde mir die OP aber "demnächst" anraten. Wir vereinbarten einen OP Termin für den 25.3.2015 und die prästätionäre Aufnahme am 24.3.2015. Ich dürfte in der Nacht aber wieder heim. Man sagte mir, dass er das nur mit stabilen Persönlichkeiten machen würde, ich habe mich total gefreut, dass ich wieder heim durfte in der Nacht vor der OP.
WARTEZEIT BIS ZUR OP:
Dann begann die Wartezeit. Vom 16.2. -25.3.2015 -> 5 1/ 2 Wochen
Das war eine harte Zeit. Das erste Mal in meinem Leben hatte ich einfach nur Angst. Ich mag mich sehr gerne, mit 47 kommt man ja so langsam bei sich selbst an und deshalb hatte ich die große Angst, dass die Folgen der OP etwas daran verändern könnten. Würde ich anders werden? Würde ich mein Augenlicht verlieren? Depressionen? Belastbarkeit? Nachwirkungen, die ich heute noch nicht einschätzen konnte? Erwerbsunfähigkeit? Ich war komplett in Angst und Panik. Ich las sehr viel in der Zeit. Unter Anderem einige Dissertationen über Meningeome, Statistiken über Rezidive, Nebenwirkungen, etc. Im Hirntumorforum Erfahrungsberichte. Ich wollte alle Informationen, die ich finden konnte, nur um Entscheidungen treffen zu können. Es dauerte einige Zeit, und manchmal fragte ich mich, ob es nun gut sei, dass ich so viel Zeit bis zur OP hatte. Im Nachhinein ja, denn ich hatte alle Zeit der Welt a) mit dem Thema fertig zu werden und b) alle Vorbereitungen zu treffen. Unter anderem für meinen Mann eine Generalvollmacht & Patientenverfügung erstellen. Mein Leben aufräumen, damit ich für den Fall des Falles keinen Müll hinterlasse und mein Mann in eine blöde Situation kommt.
Ca. 1 Woche vor der OP war ich dann tatsächlich durch. Im positiven Sinne. Alle Ängste waren verschwunden. Ich hatte die Kröte geschluckt und meine Seele "heilte". Ich war wieder die Alte. Positiv und tapfer wie ich eigentlich bin. Natürlich hatte ich noch großen Respekt vor der OP, das war aber nichts gegen die Ängste, die ich vorher durchgestanden hatte.
OPERATION - prästätionär einen Tag vorher
24.3.2015 Prästationärer Termin Uniklinik, Neurochirurgie
Um 10:00 Uhr ging es los. Termin auf der Station für Neurochirurgie. Und wieder hatte ich Glück, wie so oft in meinem Leben. Ich traf eine Frau, die auch prästationär da war. Sie und ich hatten in wenigen Minuten so viel Vertrauen zueinander, dass wir wie Freundinnen gesprochen haben, den ganzen Tag gelacht haben und der Tag einfach nur positiv und kurzweilig war. Ich bekam die ganzen Beratungsgespräche: Anästhesist, Blutabnahmen, erneutes MRT, um ein 3 D Bild vom Kopf zu errechnen, Tonnen an Fragebögen, Unterschriften, etc. Gegen Mittag kam ein junger Mann mit dem rechten Arm in einer Schiene zum Stationszimmer. Die Schwestern drückten ihn und ich dachte es sei ein Patient. Dann meinte eine Schwester zu mir: Frau X darf ich Ihnen Ihren Neurochirurgen für Morgen vorstellen. Ein Riesenbrüller. Die ganze Station lachte sich kaputt, ich auch. Ich meinte nur, wenn er nett sei, dürfe er mir gerne mit links den Kopf öffnen, aber er solle sich wagen, mich operieren zu wollen.
Ganz zum Schluss an dem Tag, so gegen 17:00 Uhr, kam das ernste Gespräch mit dem Arzt - die Vorbereitung zur OP. Das wovor ich mich neben der OP am meisten gefürchtet hatte. Die Risiken....
Das MRT wurde vorab unter den Ärzten diskutiert, weil mein Tumor kompliziert war. Ich erfuhr, dass es sich um ein sphenoorbitales (ossäres) Meningeom handelt. Lange OP Dauer, da man wirklich das meiste rauskriegen wolle und sich deshalb sehr viel Zeit lassen würde. Irgendwo habe ich gelesen, diese Tumorart sei technisch herausfordernd. Die laterale Orbitawand und das Dach würden abgetragen bzw. entfernt, ich bekäme ein Titan Implantat (MESH/MASH-> Sieb), das durch das MRT heute bereits vorab angepasst worden wäre. Risiken wurden deutlich besprochen: Erblindung, Infarkt, Augenbeschwerden, Schielen, Hirnblutungen, Lebensgefahr, Hirnschwellungen, Kaubeschwerden, ggf. Öffnung der harten Hirnhaut was nach der OP zu Benommenheit führen kann und 1-2 Wochen dauert, bis es besser wird. Und natürlich noch viele, viele andere. Die genannten waren die Wichtigsten in meinem Fall. Das ist bei jedem sicher anders, individuell. Um 17.45 Uhr war ich dann mit allem fertig.
Ich bin dann erstmal mit meinem Mann essen gegangen und hab mich einfach ins Bett zum Schlafen gelegt. Angst hatte ich auch da keine mehr.
OPERATION:
25.3.2015 - ich fand mich um 7.00 Uhr auf der Station ein, räumte meinen Schrank im Zimmer ein, bekam um 7:10 Uhr eine Dormicum (Beruhigung) und wurde auch schon in den OP Vorraum geschoben. Die Dormicum wirkte schnell. Ich habe nur noch mitbekommen, dass ich das Bett wechseln musste, den ganzen Rest nicht mehr. Bin friedlich eingeschlafen.
15:00 Uhr Intensivstation. Eine Schwester hat mich so gelegt, dass ich wie auf weicher Watte gelegen habe, gleichzeitig hat sie mich mit Franzbranntwein eingerieben. Noch heute denke ich an diese liebevolle Behandlung. An Zugängen hatte ich: Drainage im Kopf, Blasenkatheder, ZVK (zentraler Venenkatheder , pheripervenöser Zugang am linken Arm, Braunüle rechter Handrücken, Braunüle rechte Armbeuge. Die Haare rund um den Kopfschnitt waren ca. 2 cm auf jeder Seite abrasiert. Und ich war schlapp. Aber ich hörte, sah, konnte mich bewegen und war selig. Dann hatte ich extremen Durst und trank die ersten Schlucke. Nach 5-10 Minuten musste ich alles wieder ausspucken, dann war das Thema aber auch erledigt. Abends bekam ich ein Toastbrot mit Butter. Richtig den Mund aufmachen ging noch nicht, ich glaube, mir wurde der Kaumuskel durchtrennt und wieder zusammengenäht.
Intensivstation 26.3.2015 morgens
Mir ging es viel besser, aber ich war noch Matsch im Kopf. Die Schwester, die Dienst hatte, hat mich dann für die Normalstation vorbereitet. Die Drainage und der Blasenkatheder wurden entfernt - ich habe nichts davon gespürt! Sie flocht mir sogar Zöpfe, damit meine Haare, die ich ja ewig nicht waschen durfte, nicht verfilzen. Auch das ist etwas, was ich nie in meinem Leben vergessen werde. So großartige Menschen auf der Intensivstation hatte ich nicht erwartet.
Genau diesen beiden Schwestern habe ich nach meiner Entlassung nochmal ein kleines Geschenk gemacht und ihnen mit ein paar Worten mal gesagt, was sie für großartige Schwestern sind. Die bekommen von uns Intensivpatienten in der Regel ja nur die Matschvarianten :-)
Nach der OP 26.3.2015 nachmittags - NORMALSTATION
Ich war bereits in der Lage aufzustehen und rumzulaufen. Zwar wackelig aber immerhin. Die Schwellung des OP Bereichs sowie meines linken Auges war erheblich. Ich bekam Kochsalzlösung und Cortisonsalbe zum Kühlen. Medikamente bekam ich 3 x täglich 400 mg Ibuprofen & Cortisontabletten und abends eine Pantozol 40mg.
Der ZVK war noch drin, aber die ersten anderen Zugänge wurden entfernt.
Und ab da ging es aufwärts. Ich war dann genau eine Woche im Krankenhaus. Übte täglich laufen, natürlich sah ich noch nichts mit dem linken Auge, das schielt heute immer noch, aber ich konnte mich bewegen. Anfangs mit Rollator, später alleine und steigerte jeden Tag meine Entfernung. Ich wollte für zu Hause üben, wohne im 4.OG ohne Aufzug - da musste ich ja hochkommen.
Tag 2 nach OP - der ZVK wurde entfernt. Der ist angenäht, aber auch davon habe ich nichts gespürt. Das lief wie Drainage und Katheder völlig schmerzfrei ab.
Montag nach der OP war die entscheidende Visite. Ich hatte zwischendurch noch ein MRT und CT. Diese Ergebnisse lagen nun vor. Mein Arzt, Prof. Seifert, war nur positiv. Zunächst zu meiner eigenen Fitness und Mobilität, dass ich so schnell nach so einer OP wieder fit war. Und dann zu den Ergebnissen. Er hatte mehr vom Tumor entfernt, als jemals erwartet und glaube, obwohl ich noch minimale Reste in mir habe, dass ich Ruhe haben müsste. Keinerlei Bestrahlung! Davor hatte ich auch großen Respekt. Ich solle mir nun alle Zeit der Welt lassen, um wieder auf die Beine zu kommen, müsse noch eine Sehschule besuchen, da ich derzeit noch leicht schiele und Doppelbilder sehe,) ansonsten würde alles super aussehen. Ich war einfach nur noch selig. Am Abend bin ich dann im KH nach draussen gegangen, hab mich auf eine Bank gesetzt und vor Glück geweint. "Ich werde wieder richtig gesund", habe ich nur gedacht.
Entlassung am 1.4.2015 - glücklich !
Klammern aus dem Kopf am 3.4.2015, das spürt man auch kaum, das zwickt etwas aber ohne Schmerzen - also keine Angst davor !
Haare waschen (vorsichtig, mit Babyshampoo und ohne an der Wunde zu föhnen) am 4.4.2015, ich habe lange, braune Haare und kann einfach alle über den Schnitt legen - man sieht nichts :-)
REHA
Bei 2 unterschiedlichen Ärzten habe ich eine Reha angesprochen. Um ehrlich zu sein, ich wollte nicht, ich mag Krankenhäuser nicht so gern. Aber wenn ein Arzt gesagt hätte, ich solle das unbedingt machen, wäre ich wohl gegangen. Für mich stand im Vordergrund, dass ich wieder richtig gesund werde, egal wie. Meine Ärzte sagten bei beiden Visiten, ich bräuchte keine, besser eben der Augenarzt. Das habe ich gern gehört. Gleichzeitig gehe ich zu einer Osteopathin.
12 TAGE NACH DER OP - ZUSTAND:
Jeden Tag gehts mir besser. Mein Gesicht/Operationsbereich ist komplett abgeschwollen, das Auge noch nicht 100% aber jeden Tag einen Schritt weiter. Noch schiele ich ..:-)
Die Watte im Kopf ist seit 3 Tagen verschwunden. Kopfschmerzen sind kaum vorhanden. Ich nehme noch immer Ibuprofen. Manchmal sticht es erheblich auf der operierten Seite, dann nehme ich halte eine Ibuprofen. Gleichzeitig nehme ich Augentropfen, entzündungshemmend und befeuchtend, da ich meistens eine Augenklappe trage.
Die Energie wird jeden Tag mehr, dennoch muss ich mich immer zwischendrin lange ausruhen. Gestern hatte ich meinen ersten 30 minütigen Spaziergang! Es geht eigentlich nur aufwärts. Jetzt muss ich halt wieder sehen lernen und meine Energie zurückbekommen. Das kann sicher noch etwas dauern aber ich bin zufrieden und freue mich jeden TAg, wie gut alles geht.
RÜCKBLICK:
Was nehme ich aus der ganzen Zeit seit Januar mit? Ehrlich? Nur Positives. Ich glaube, der Tumor hat mein Leben nur bereichert. Mein Mann hat mir in der ganzen Zeit nie gezeigt, welche Sorgen er sich gemacht hat - er war einfach nur stark und zuverlässig an meiner Seite. Ich habe JEDEN Tag entweder einen Blumenstrauss, eine Postkarte/Brief oder ein Geschenk im Briefkasten gehabt. Meine Freunde/Familie haben im KH vor mir gesessen und vor Freude geweint, dass ich es überstanden habe. Kann man schöner beschenkt werden? Ich bin total dankbar, dass ich das erlebt und überstanden habe und habe das Gefühl, mein Leben hat eine neue Qualität bekommen. Ich empfinde tiefes Glück und Dankbarkeit.
Meine Oma hat immer zu mir gesagt "Alles im Leben ist irgendwie zu etwas nütze". Und genau das empfinde ich auch.
Ich hoffe, ich konnte den ein-oder anderen ein paar brauchbare Infos geben und freue mich auch, mal einen richtig positiven Bericht loszuwerden. Gerade am Anfang einer Diagnose kann das hoffentlich helfen ! Ich hab genau die Sachen auch mal aufgeschrieben, die ich vorher gesucht habe. Euch allen wünsche ich von ganzen Herzen, dass Ihr die gleichen Erfahrungen machen könnt wie ich - nur Positive !
Alles Liebe
Anja