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Efeu

Hallo zusammen,

bin vor 1 Jahr an einem grossen Meningeom in der rechten Schädelbasis operiert worden, der Tumor hatte das Stammhirn bereits massiv verdrängt und alle Nerven ummauert. Die OP dauerte 15 Stunden, eine Teilresektion war möglich, alle Nerven wurden geschädigt. Nach 1 Woche Koma habe ich das Meiste neu lernen müssen. Schlucklähmung ging nach 3 Monaten zurück, komplette Fazialisparese ist noch teilweise vorhanden, Augenlähmung noch deutlich, da steht jetzt eine Schieloperation an, auf dem rechten Ohr bin ich taub, starke Gleichgewichtsstörungen (Seegang im Kopf, mal mehr mal weniger), heftige, immer schmerzende Geschmacksstörung im Mund, Drehschwindel, ausgeprägte Fatigue, erhebliche kognitive Defizite betreffend Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis, kann mich kaum konzentrieren, vergesse auch mir wichtiges, kann mich an GEspräche nicht erinnern, aber auch an "Altes", es scheint wie gelöscht, verlaufe mich z.B. manchmal in der mir bekannten Gegend, habe Absenzen (abgeklärt, keine Frontallappen-Epilepsie).
Einen Monat nach der OP wurde ich notfallmässig nochmal operiert, weil sich ein Hydrozephalus gebildet hatte, es wurde ein Shunt gelegt (gab Komplikationen, die OP dauerte 8 Std). Ab Anfang November für 6 Wochen tägliche Bestrahlung mit dem Linearbeschleuniger. In dieser Zeit ging es mir physisch extrem schlecht ( Erbrechen, Müdigkeit, Kopfschmerzen). Seit der Bestrahlung haben sich alle Defizite verschlechtert. Und das ist meine Frage: Kennt das jemand, dass durch die Bestrahlung eine Verschlimmerung ausgelöst wird? Wenn ja, wieso? Am schlimmsten ist für mich das Gedächtnis und die Aussetzer, diese "Löcher", dass ich mich einfach nicht erinnern kann. Bin mir selbst so fremd geworden, mit allem.
Kontroll-MRT unauffällig.

alma

Hallo Efeu,

du hast ja einiges hinter dir. Einen tiefen Eingriff ins Gehirn, von dem man sich nicht so schnell erholt.
Ich hatte von Ende Nov. bis Mitte Jan. Bestrahlung. Während dessen ging es mir gut, seit Mitte März nun nicht mehr, v.a. wegen Fatigue. Die Probleme treten häufig nicht während oder unmittelbar nach der RT auf, sondern auch später oder ganz spät.
Fatigue trägt einen Teil zu den kognitiven Defiziten bei. Es kommt nicht alles durch die Schäden im Gehirn zustande. Und Fatigue führt auch zu depressiven Schüben. Ich hatte einmal am Tag einen heftigen psychischen und körperlichen Absturz, wo ich mich nur noch hinlegen und warten konnte, bis sich das legte. Ohne eine Ahnung von der Dauer zu haben, was man normalerweise bei Überforderung ja hat. Und ein Symptome der Depression ist auch ein Fremdheitsgefühl. Nicht mehr man selbst. Vielleicht meinst du das.
Auch die Löcher kenne ich. Nicht dass die Erinnerung auch später noch fehlte - sie kam wieder, aber in dem Moment war mir einfach der Faden gerissen. Das ist jetzt besser. Auch die psychischen Abstürze.
Gegen die Fatigue hilft mir Bewegung. Radfahren, eine Krebssportgruppe in einer Klinik, Übungen zu Hause. Vom Liegen wird es eher schlimmer. Sobald ich kann, stehe ich auf und mache etwas.
Ich kann nicht beurteilen, ob dein momentaner Zustand das zulässt, aber auf die Suche nach so einer Gruppe kannst du ja trotzdem gehen. (Mein Physiotherapeut ist Schweizer:)
Oder eine REHA beantragen.

LG, Alma

Efeu

Hallo Alma,

mit dem Fremdsein meine ich, dass ich so viel nicht mehr kann. Mir geht es
ähnlich wie dir, Bewegung hilft. Ich gehe wieder laufen (laufe, seit ich 16 bin, jetzt bin ich 52), reite wieder, gehe schwimmen, werkel im Garten, koche, backe Brot, mache Käse..... War immer schon ein Bewegungsmensch, früher auch Berführerin....in Reha war ich, 3 Monate, zwischen und nach den OPs. War aber nicht so der Hit. Jetzt mach ich ambulant Reha, wobei ich viel zu Hause mache, weil mir das lieber ist. Fahrtechnisch auch, und weil mir Menschen schnell zu viel sind. Mittlerweile nervt mich auch das "Behandelt-Werden". Je selbständiger ich bin, um so lieber. Deswegen hab ich mir auch ein Behinderten-Velo gekauft, so ein Dreirad, mit dem übe ich grad das Fahren, denn der Führerschein ist weg und bleibt weg.

Eigentlich will ich sagen: Danke für den Hinweis mit der Fatigue, die hab ich irgendwie aus dem Blick verloren, werd mich damit intensiver beschäftigen.

LG,
Efeu

KaSy

Hallo, Efeu,
ich hatte durch die Bestrahlungen (2000 und 2011) diese auch von Dir beschriebenen kognitiven Defizite, die mich mehrere Jahre lang belasteten. Ich habe mir alle möglichen Methoden einfallen lassen, um mit der Vergesslichkeit klarzukommen. Ich konnte mich nicht lange konzentrieren, was sich extrem auf das Lesen von Büchern auswirkte - ich las den selben Satz immer wieder, um ihn sofort zu vergessen. Das ist nach wenigen Jahren (währenddessen Hörbücher) besser geworden. Ich war nicht mehr "multitaskingfähig", mittlerweile kann ich mitunter zwei Dinge gleichzeitig. Viele Menschen kann ich auch nicht lange ertragen. Ich habe in der Reha Hirntraining angeboten gekommen und nutze immer noch zu Hause irgendwelche Rätsel, Logikaufgaben, Sudokus, ..., um die Hirnleistungen zu verbessern.

Ich bemerkte übrigens während der 6 Wochen Bestrahlung eine rasch zunehmende Müdigkeit, die ich als positiv empfand, weil ich endlich gut schlafen konnte. Aber auch diese Wirkung war eigentlich nachteilig und bremste mich monatelang.

Warum das durch die Bestrahlung so ist?
Die Strahlen sollen bewirken, dass die sich rasch teilenden Tumorzellen in ihrer Teilungsphase zerstört werden. Konkret wird der sich teilende DNS-Doppelstrang durch die Strahlen geschädigt, so dass keine komplette Ergänzung zu einem neuen DNS-Doppelstrang entstehen kann.
Die Strahlen schädigen aber auch die gesunden Zellen, an denen sie vorbei- bzw. durch die sie hindurchkommen. Diese haben wesentlich bessere Reparaturmechanismen. Außerdem erhalten sie durch die fraktionierte Bestrahlung (wochentäglich wird mit meist nur 2 Gy bestrahlt anstatt mit bis zu 60 Gy auf einmal) eine Zeit zur Regeneration. Das bedeutet aber nicht, dass sich alle gesunden Zellen in den Stunden zwischen zwei Bestrahlungen wieder voll erholen konnten. Das braucht längere Zeit und es können sich durchaus bleibende Schäden auch noch bis wenigstens fünf Jahre nach der Strahlentherapie einstellen. Deshalb besteht nach Strahlentherapien auch die Pflicht der Nachsorge für mindestens fünf Jahre.

Die Strahlentherapeuten müssten Dich eigentlich über diese zu erwartenden Folgen zuvor aufgeklärt haben. Das ist für Dich ja um so problematischer, da Du derartige Beschwerden bereits durch die Operation, aber vorrangig sicher durch das Meningeom hattest.

Ich kann Dir nur sagen, dass ich beeindruckt bin, was Du alles bereits wieder tun kannst und auch tust. Bei dieser starken Motivation und dem Willen, wieder richtig gut zu leben, wird Dir Vieles gut gelingen. Manches sehr langsam, denn die Hirnzellen sind mitunter nicht so schnell wie Deine Zielstrebigkeit.
Ich habe nach Jahren und mitunter erst in der Rückbesinnung bemerkt, dass sich vieles gebessert hat.
Du willst es und Dein Kopf auch und nach und nach, mit viel Geduld werden einige Defizite geringer werden.
Ich wünsche Dir alle Gute nach diesem für Dich sehr schwierigen Jahr!
KaSy

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