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Pinktiger

Hallo zusammen,

Ich bin neu in dem Forum und erhoffe mir hier weitere Informationen zu der aktuellen Situation:

Meine Mutter (60 Jahre) ist am 02.03.2021 mit Sprachstörungen ins Krankenhaus gekommen. Abends dann die Diagnose Hirnturmor. Der Boden wurde mir unter meinen Füßen weggerissen. Die OP erfolgte am 08.03. Am 14.03 wurde uns dann das Untersuchungsergebnis Glioblastom mitgeteilt. Zusammenbruch für mich. Am 17.03 ist meine Mutter nach Hause gekommen. Ihr geht es soweit gut. Hat nur weiterhin teilweise Sprachschwierigkeiten bzw. Wortfindungsstörungen. Noch dazu sind seit der OP Sehschwierigkeiten aufgetreten, weshalb sie im Wechsel immer eine Augenklappe trägt.

Diese Woche am Mittwoch beginnt die StrahlenChemotherapie. Bei der Aufklärung beim Radioonkologen hatte uns dieser auf die Kombinationschemo Temozolomid und Lomustin (CCNU) hingewiesen, die bei meiner Mama aufgrund des passenden Gentyps in Frage käme. Nach Recherche hat die Kombination ja tolle Ergebnisse was die Verlängerung der Lebenszeit betrifft. Bei der Aufklärung bzgl der Chemo bei der Onkologin hat diese aber die Kombinations Chemo ausgeschlossen weil sie aufgrund der Nebenwirkungen davon nichts hält. Nun bin ich total verzweifelt weil ich große Hoffnungen in die Kombi gesetzt habe.

Was sind hier die Erfahrungen damit? Sollte trotzdem auf einen Kombi bestanden werden? Zweitmeinung? Es geht allerdings ja schon sehr bald los.

Vielen Dank! Ich wünsche allen Betroffenen und Angehörigen alles Gute!

Berberine

Liebe Pinktiger

Ich würde mich da nicht so schnell abbringen lassen. Wie Du schon richtig recherchiert hast, sind die Ergebnisse gemäss der CETEG/NOA-09 Studie (CCNU & Temozolomid) beim MGMT methylierten GBM in der Tat besser als wenn nur Temozolomid alleine verwendet wird. Wenn es der Gesundheitszustand erlaubt, sollte daher beides eingesetzt werden. Und ganz ehrlich: Im Voraus kann man nicht wissen, wer wie auf die Chemo reagiert. Mein Mann hat z.B. Temozomid nicht vertragen, hatte aber mit CCNU mit etwas reduzierter Dosis kaum Mühe. Wir haben daher nachdem wir in den ersten drei Monaten Temozolomid hatten, auf CCNU mit COC-Cocktail, Bevacizumab, vielen Nahrungsergänzungsmittel, viel Bewegung etc. gewechselt und sind damit gut gefahren.
Das Forum ist eine tolle Informationsquelle und der informierte Patient fährt am besten. Alles Gute!

Mego13

Liebe Pinktiger,

tatsächlich würde ich auch eine Zweitmeinung einholen. Bestrahlung und eine Kombichemo mit CCNU bringt die besseren Effekte. Ich hatte CCNU und Procarbazin. CCNU gilt als Mittel, das mit weitaus mehr Nebenwirkungen behaftet ist. In der Praxis war es bei mir genau umgekehrt. Auch in dem Fachbuch "Neuroonkologische Therapie" wird mittlerweile eine Kombi auch bei Patienten jenseits der 65 empfohlen. Solange es der gesundheitlichen Zustand zulässt.
Im Notfall kann man während der Therapie auf die Monochemo umstellen: Nur CCNU oder nur Temodal. Oder aber man reduziert in der Kombi die Dosen. Ganz wichtig ist, dass CCNU, nur EINMAL alle 6 Wochen oder in noch größeren Abständen gegeben wird. Das ist ein Unterschied zur reinen Temodalchemo, die einen 28 Tage-Rhytmus hat.
CCNU ist viel stärker knochenmarkschädigend als Temodal, daher ist möglichst tägliche Bewegung wichtig. Das beste ist dabei an der frischen Luft. Es gibt sogar sogenannte Hockergymnastik, die man auch auf der Bettkannte machen kann.
Ach ja, eine Chemo mit CCNU verlangt wöchentliche Bluttests.

LG
Mego

Melissa26

Hallo Pinktiger,

ich habe zu CCNU erst in einem anderen Thema geantwortet aber möchte auch dir hier berichten (teils in Kopie aus meinem anderen Beitrag), falls du nicht in die anderen Themen reinschaust:

Bei meinem Vater wurde vor ziemlich genau zwei Jahren ein Glioblastom diagnostiziert, nachdem er vermehrt epileptische Anfälle erlitten hat.
Der Tumor konnte operiert werden und wurde nahezu restlos entfernt. Danach wurde er bestrahlt und bekam zudem Temozolomid. Leider hat sich unter der TMZ-Gabe recht schnell ein Rezidiv gebildet, sodass wir uns dann in HD nach weiteren Behandlungsmöglichkeiten informiert haben. Schnell war klar, dass man es mit CCNU und VP16 versuchen sollte. Das wurde uns allerdings nur in HD geraten, die Onkologin in meiner Heimatstadt riet uns aufgrund der Nebenwirkungen davon ab! Mein Vater hat zugestimmt und die Behandlung hat im Januar 2020 begonnen. Dann hieß es alle 6 Wochen einen Zyklus CCNU/ VP16 stationär in HD. Mein Vater hat das Medikament recht gut vertragen - er war allerdings zu diesem Zeitpunkt schon stark eingeschränkt (Sprachstörungen, halbseitig zunehmende Lähmung, allgemeine Schwäche usw.). Ob das vom Medikament zusätzlich verschlimmert wurde oder es der normale Fortlauf der Krankheit war, kann leider nur schwer beurteilt werden.
Final wurde dann vor Gabe des dritten Zyklus leider klar, dass das Medikament nicht angeschlagen hat. Das Rezidiv ist weiter gewachsen und so galt mein Papa Mitte März 2020 als austherapiert und hat sich dazu entschlossen aufgrund seiner zunehmenden Einschränkungen in eine Pflegeeinrichtung zu ziehen. Wir bekamen direkt einen Platz in seiner Wunscheinrichtung, was absolut die richtige Entscheidung war, da seine Einschränkungen zusehends stärker wurden.
Leider ist er dann genau heute vor einem Jahr verstorben. Er hatte sich allerdings in der Pflegeeinrichtung mit Corona infiziert - und hatte keine Chance dagegen. Wie lange er noch gelebt hätte wenn er sich nicht infiziert hätte, kann leider niemand sagen. Im Nachhinein betrachtet bin ich aber sehr dankbar, dass er in diesem Stadium seiner Tumor-Erkrankung "erlöst" wurde. Seine Einschränkungen waren schon so massiv, dass er selbst nicht mehr leben wollte. Und er ist in seiner Todesnacht in meinem Beisein zwar mit Corona-Symptomen aber unter Betreuung eines Palliativ-Teams schmerzfrei eingeschlafen.
Damit konnte ich gut Frieden finden.

Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass das nur unser Erfahrungsbericht ist und keinesfalls etwas verallgemeinert werden darf. Ich wünschte ich könnte von einer Erfolgsgeschichte berichten, doch leider erzielte CCNU/ VP16 bei meinem Papa nicht den gewünschten Erfolg.
Dennoch hatte er keine großartigen, klar auf das Medikament zurückführbaren Nebenwirkungen - ich denke das kann motivieren es einmal auszuprobieren. Und wenn doch Nebenwirkungen davon auftreten sollten, die zu viel Lebensqualität rauben, ist man jederzeit frei die Behandlung abzubrechen...aber dann hat man es wenigstens probiert.

Meine Schlussfolgerung also:
Es lohnt sich definitiv eine Zweitmeinung einzuholen!

Ich wünsche allen Betroffenen und Angehörigen weiterhin viel Kraft und eine wundervolle gemeinsame Zeit!

Liebe Grüße

Pinktiger

Hallo zusammen,

erstmal danke für die Antworten und eure Erfahrungsberichte. Leider bin ich mit meiner Meinung die einzige in unserer Familie und der Rest vertraut der Entscheidung der Ärztin. Deshalb hat gestern die Strahlenchemotherapie mit TMZ begonnen. Die Ärztin meinte man könne auf ccnu bei einem Reszidiv nochmal starten um dann nochmal was in der Tasche zu haben sozusagen..

Ich weiß nicht wie ich es schaffe mich mit der Diagnose anzufinden.. ich werde immer zurück geworfen und will diese schlimme Krankheit bei meiner Mutter nicht wahr haben..

rawa

Unsere Erfahrung mit der Kombitherapie war nicht sehr gut.
Mein Vater hatte letztes Jahr bereits nach dem ersten Zyklus mit CCNU massive Probleme, Blutwerte waren im Keller, musste ins Krankenhaus und er hat sich dann noch eine Lungenentzündung eingefangen. Anfang August ging es ihm so schlecht, so das wir und die Ärzte auch, mit dem Ende gerechnet haben.

Er konnte sich zu Glück erholen, und ist stabil. CCNU hat er nicht mehr bekommen.

Eris

Die verstaerkte, alkylierende Therapie (also die KombiChemo) vermindert nicht die Lebensqualität:

https://www.medical-tribune.de/medizin-und-forschung/artikel/glioblastom-verstaerkte-alkylierende-therapie-vermindert-nicht-die-lebensqualitaet/

rawa

Eris,

das Ergebnis dieser Studie war Hauptgrund warum mein Vater überhaupt CCNU bekommen hat.
Ich kenne die Ausschlusskriterien nicht unter denen die Studie durchgeführt wurde, bei meinem Vater jedenfalls waren die Nebenwirkungen, ohne zu übertreiben, lebensbedrohlich.

Was ich damit sagen will, meistens haben die Ärzte mit ihren Entscheidungen und Empfehlung recht. Insbesondere bei einer so schweren Krankheit ist die Frage ob man den Patienten zum Pflegefall macht oder ihr/ihm noch einigermaßen eine Lebensqualität lässt.

Ich für meinen Teil, glaube fest daran, dass gute Lebensqualität sich positiv auf den Verlauf auswirkt.

Pinktiger

Guten Morgen zusammen,

Ich hatte Kontakt mit Prof. Herlinger von der Uniklinik Bonn, der mit der Pilotstudie befasst war. Dieser hat mir mitgeteilt, dass die nun schon begonnene Therapie mit TMZ wohl die richtige für meine Mutter sei. Die Entschdeidung der Onkologin meiner Mutter kein CCNU aufgrund der Toxizität und Nebenwirkungen für den neurologischen Zustand zu geben, ist vertretbar.

Ich gehe jetzt positiver in die Therapie rein und hoffe dass meine Mutter TMZ gut verträgt und eben eine gute Lebensqualität hält.

Schönes Wochenende!

Eris

Hallo Pinktiger,
warum hast Du Professor H. kontaktiert? Professor H. ist bewusst, dass die guten Ergebnisse der Kombichemogruppe bei NOA-09 trotzdem nicht dazu führen, dass über Nacht ein neuer Standard etabliert wird. Es geht hier auch nicht darum, ob Mono- oder Kombichemo. Klar sollte sein, dass der Behandlungsvorschlag der Onkologin, obwohl Standard, sehr begrenzt wirksam ist. Wenn tatsächlich Nebenwirkungen auftreten würden, ob bei Mono oder Kombi, wird die Therapie abgebrochen, ausgesetzt oder die Dosis reduziert. Die Begründung der Onkologin ist darum haltlos. Da CCNU im Rahmen des PCV-Protokolls oder als Monotherapie seit über 40 Jahren Anwendung findet, ist das Nebenwirkungsprofil von CCNU sehr gut bekannt. Überraschungen dürfte es da also nicht geben. Ebenso wurde die Lebensqualität der Kombi untersucht (siehe oben). Die verstärkte, alkylierende Therapie (also die KombiChemo) vermindert die Lebensqualität nur moderat. Man reibt sich hier an Problemen auf, die normalerweise keine sind. Innovative und findige Ärzte kombinieren schon längst zusätzliche Medikamente zur CCNU/TMZ-Kombi (also CCNU+TMZ+X) oder setzen auf den Off-Label-Einsatz von mehreren Medikamenten zur Standardtherapie oder untersuchen, basierend auf der DNA-Analyse, Behandlungsstrategien, die bei anderen Krebsarten erfolgreich sind und nicht erst im Rezidivfall, denn dann läuft oft die Zeit davon. Wir haben die Situation auch unterschätzt bzw. verdrängt. Wenn Du Dir die Daten der Fälle anschaust, die seit 2005 mit TMZ behandelt wurden, dann wird erkennbar, dass unter und trotz TMZ-Standardtherapie (bei MGMT-Status positiv) das Rezidiv 9-22 Monate nach Erstdiagnose zu erwarten ist.

rawa

Die Studie sagt zwar OS verbessert sich von 31,4 auf 48,1, sagt aber auch keinen Unterschied bei Rezidiv:

" Progression-free survival (PFS) did not differ between the treatment groups in the modified intention-to-treat population (p = 0.4113, stratified log-rank test) or in the intention-to-treat population (p = 0.4735)."

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7005933/

Die Ergebnisse dieser Studie sind also einen wesentlichen Überlebensvorteil für die Kombitherapie aber kein Unterschied beim Rezidiv und auch kein Unterschied bei der Toxizität. Ich glaube weitere Studien sind notwendig.

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