Liebe Sabine83,
Ich hatte im Unterschied zu Mego13 das "zweifelhafte Glück", dass ich meine ersten drei Meningeome selbst entdeckte, weil sie Beulen am Kopf verursacht hatten.
Leider hat der erste Radiologe, zu dem mich meine Hausärztin deswegen schickte, nur ein Röntgenbild gemacht und die von außen sehr sichtbare Beule (vorn, oben links, mehr als Handflächengroß), die er als verdickten Teil des Schädelknochens gesehen haben musste, als "Anomalie" bezeichnet. Ich habe es dann abgehakt, ist ja bloß eine Anomalie ...
1,5 Jahre später bemerkte ich irgendwodurch, dass eine bestimmte Stelle (mehr oben links) auf dem Kopf weh tat, wenn ich da dran kam, so als hätte ich mich heftig gestoßen, hatte ich aber nicht. Ich fand das komisch, ging zu unserer Hausärztin und sie sah den Zusammenhang: "Da war doch was ...".
Sie schickte mich zum CT, ich fing an zu grübeln, aber ich war mit meinen drei Kindern bereits seit 1,5 Jahren allein und voll berufstätig, also blieb das so in dem Sinn: "Entweder ist es ein Hirntumor oder nichts." (Internet gab es 1995 noch nicht in dem Umfang wie heute.)
Meine Hausärztin rief auf meiner Arbeit an, als sie den Befund bekam, und ließ mir bestellen, ich möge zu ihr kommen. (Das kam nie vor!)
Und dann kam: "Setzen Sie sich erstmal. Sie haben ein Meningeom. Das ist ein Hirntumor, der von den Meningen ausgeht. Meningen sind die Hirnhäute. Ihr Meningeom sitzt im Persönlichkeitsbereich."
Sie hat das sehr lieb und verständlich erklärt und sofort in meinem Beisein einen Termin mit dem Chefarzt der Neurochirurgie für 8 Tage später in einer traditionell hervorragenden Klinik für mich vereinbart.
Da ich nach dem Weggang meines Mannes sofort die Fahrerlaubnis gemacht hatte, konnte ich selbst zu der Klinik fahren (und mir meine beiden Schocknachrichten abholen).
Aber in den 2 Monaten Wartezeit ging mir das Wort "Persönlichkeitsbereich" nicht mehr aus dem Kopf!
Ich arbeitete, ich hatte meine Kinder, ich hätte mich umgebracht, wenn ich sie nicht gehabt hätte. Naja, nicht wirklich vielleicht, aber darüber nachgedacht habe ich ab und zu.
Da gingen mir so Gedanken durch den Kopf wie: "Werde ich meine Kinder noch erkennen?" und "Werde ich selbst überhaupt merken, wie bekloppt ich danach bin??" Ich habe heulend so eine Art Testament geschrieben, in dem ich meinen Bruder als denjenigen benannte, der sich um meine Kinder kümmern sollte, falls ... Bloß nicht mein Mann, der uns 1,5 Jahre lang hintergangen hatte."
Ich habe das nie jemandem gezeigt.
Musste ich auch nicht, denn so groß das "Ding" auch war, der Neurochirurg hat es vollständig entfernen können. Der Radiologe, wo ich nach der OP war, fragte mich, ob da nicht ein Tumor gewesen wäre und gratulierte auf dem Kurzbefund dem Neurochirurgen.
Ich wollte wegen der Kinder auch nicht die AHB machen, die mir der Neurochirurg angeboten hatte. Aber mein Vati sagte: "Natürlich fährst Du!" Ich habe das nie bereut und seitdem immer auf einer AHB bestanden, nachdem ich operiert bzw. operiert und nachbestrahlt wurde. Ich habe sie mir mehrmals mit Widersprüchen erkämpfen müssen - und dann wurde sie in der Rehaklinik sofort von drei auf fünf Wochen verlängert.
Es ist natürlich so, dass dort viele Patienten herum-"laufen", die viel kränker sind. Aber ob einen das herunterzieht oder ob man sieht, dass es andere gibt, denen es anders schlecht geht, das entscheidet ja nicht der Neurochirurg, das entscheidet man selbst.
Und gerade, wenn es einem einigermaßen gut geht, braucht man nicht so spezielle Therapien, wo man enttäuscht sein könnte, wenn sie vielleicht nichts bringen.
Wenn man spezielle Therapien braucht, dann bekommt man sie so als Anfang mit Tipps und Hilfen und Adressen für zuhause.
Man erfährt auch überhaupt, was es alles für Möglichkeiten gibt, denn ich bin wie viele hier aus dem völlig gesunden aktiven Leben in diese für mich zuerst tödlich oder vernichtend erscheinende Situation geraten.
Ich habe vor allem auch die "Reserviertheit" vor der Psychotherapie verloren, denn ich wäre - und das betrifft immer noch viele - nie zu einem Psychotherapeuten gegangen, weil ich ja nicht "irre" war.
Ich bin seitdem davon überzeugt, wie wichtig eine psychische Begleitung für viele Hirntumorpatienten ist. Nach und nach wurde das auch von den Ärzten erkannt. Schwer ist es leider für uns immer noch, einen Psychotherapeuten überhaupt zu finden.
Vor allem aber ist man in der Rehaklinik raus aus dem Alltag und hat Zeit für sich. Denn die Psyche muss eine OP am Gehirn ganz anders verarbeiten, als die orthopädischen Patienten, die wieder laufen lernen - und sie lernen wieder laufen!
Die Psyche braucht Ruhe, braucht Zuwendung, braucht auch mal Gespräche mit völlig fremden Ärzten, Physio-, Ergo-, Sport-, Musik-, Psychotherapeuten, die einem alle zugewandt sind, denn dafür sind sie da.
Und auch bei den Patienten findet man welche, mit denen man reden kann, wenn man will. Und wenn man nicht will, dann eben nicht.
Sich auf sich selbst besinnen, nachdenken, auf Spaziergängen das Schöne wiederfinden, sich aktivieren lassen (was darf ich und was vielleicht nicht?), in Gruppen wieder unbeschwert lachen - und das alles fernab von Kindern, Arbeit, Kochen, Wäsche waschen, Einkaufen - das ist wirklich eine gute Zeit!
KaSy