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Isarflimmern

Ich bin so hin- und hergerissen, ob ich diese Frage stellen sollte. Aber es treibt mich um, und wo soll ich denn fragen, wenn nicht hier im Forum? Als Partnerin eines Langzeitüberlebenden (Erstdiagnose im November 2014) muss ich leider zugeben, dass mich der mögliche weitere Verlauf sehr beunruhigt. Ist es derzeit die Ruhe vor dem Sturm? Der Progress ist vor allem in der mentalen Präsenz und im Verhalten erkennbar. Es ist wie bei einer langsam voranschreitenden Demenz. Körperlich geht es meinem Mann zur Zeit ganz gut. Er ist aber sehr erschöpft, wird insgesamt immer stiller, zieht sich zurück, hat wenig Antrieb, ist unruhig, traut sich alles zu, schafft aber kaum mehr etwas. Fordert viel Zuwendung ein, will versorgt und umhegt werden. Das kostet viel Kraft. Klar würde niemand eine Prognose wagen, es ist immer nur der Einzelfall zu sehen. Aber, es ist ein Glioblastom, das eint uns ja alle. Wie lange kann es überhaupt weitergehen? Was darf man hoffen? Wie sind denn Eure Erfahrungen? Wann trat eine Wendung ein? Wie schnell verschlechterte sich der Zustand? War noch Zeit, sich darauf einzustellen? Ich weiß, dass ich mit allem rechnen muss. Einstellen kann man sich darauf nicht. Ich freue mich über Eure Erfahrungsberichte. Danke!

Angela

Liebe Isarflimmern,
Deine Zustandsbeschreibung könnte beinahe wortwörtlich von mir sein. Bei meinem Mann wurde 1/2016 eine Teilentfernung des Glioblastoms vorgenommen, anschließend 6 Wochen Radiochemotherapie, 3 Wochen Reha. Er hat inzwischen 42 Zyklen mit Temozolomid gut überstanden.
Außer 1x wöchentlich Gymnastik, tägliche kurze Spaziergänge, Treffen mit Freunden, viele Ruhepausen und möglichst gesundes Essen, aber täglich auch Kuchen haben wir bisher nichts gemacht.
Psychoonkologische Betreuung, Methadon, Cannabis, ketogene Ernährung, Curcumin und was sonst noch alles helfen soll, haben wir bisher nicht ausprobiert. TTF haben wir abgelehnt, es hat uns nicht überzeugt. Wir hoffen auf langfristig helfende Mittel.
Leider kann ich Deine Fragen auch nicht beantworten. Wir hoffen selbst, dass es noch recht lange so weiter geht und nicht so schlimm wird. Du hast recht, einstellen kann man sich darauf nicht. Ich jedenfalls nicht, nur hoffen.
LG Angela

Isarflimmern

Mein Mann hat auch keinerlei sonstige Therapieversuche unternommen. Er isst und trinkt, was ihm schmeckt, macht keinen Sport, höchstens kleine Spaziergänge. Er macht eigentlich nur noch, was er will und lässt sich auch durch niemanden in irgendeiner Form von seinem Weg abbringen. Die Zeit ist wie eine Achterbahnfahrt. Nach 12 Avastingaben ging es ihm vor 2,5 Jahren so schlecht, dass er auf Anraten eines anderen Neurochirurgen die Therapie abgebrochen hatte, um nicht an den Nebenwirkungen zu sterben. Seitdem hat ers ich enorm erholt und ist bis auf wenige Einbrüche ziemlich stabil. Die jährlichen MRT unspektakulär. Ein Wunder! Aber von einem normalen Alltag sind wir weit entfernt. Es dreht sich alles um Versorgung, Sorge um und für ihn, die Handycaps sind ja trotz allem da und verbunden mit großen Einschränkungen für ihn - aber auch für mich. Ein Langstreckenlauf.

Angela

@Isarflimmern
Ja, genauso ist es. Ein Langstreckenlauf bei dem einem langsam die Puste auszugehen droht. Es dreht sich alles nur noch um seine Bedürfnisse, sein Wohlbefinden. Ich versuche geduldig zu bleiben und tröste mich mit dem Gedanken, dass wir noch Glück im Unglück haben, dass er noch lebt, dass es ihm trotz mancher Einschränkung noch verhältnismäßig gut geht.
Wie schlimm muß es für ihn selbst sein? Er äußert sich nicht dazu, erträgt sein Los tapfer, klagt nicht.
Die Diagnose und die Behandlung haben unsere Männer körperlich, geistig und seelisch aus dem Gleichgewicht gebracht, einen normaler Alltag mit seinen Belastungen verkraften sie nicht mehr. So schwer es ist: wir müssen es wohl so hinnehmen.
LG Angela

SkiAdler

Guten Morgen,

ich habe auch schon ein Versuch gestartet so einen ähnlichen Beitrag zu posten.
Ich weiß genau wovon ihr sprecht und wie es euch geht. Nur das bei mir meine Mutter (66J) betroffen ist.
seit 9/2018 läuft alles anders und alles dreht sich um die Krankheit.
OP erfolgreich, Zyklen Chemo seit 11/2019 durch. Kontroll MRT letzten Freitag ohne Rezidiv.
Eigentlich alles aus medizinischer Sicht positiv.
Aber dennoch ist der körperliche Zustand schlecht. Die ständige Müdigkeit, depressive Phasen, ständige Schmerzen im Rücken. Dadurch ist Bewegung an der frischen Luft kaum möglich.

Mich plagt auch immer die Frage, kann es eigentlich körperlich auch mal bergauf gehen? wenigstens so, dass sie wieder mal mehr als 10 min am Stück ein Gespräch führen kann, oder mal mehr als 500 Meter gehen kann? Oder ist es jetzt so wie es ist!?
Diese Frage quält, obwohl man genau weiß es kann sie keiner beantworten.

Wenn wir Freunden sagen, es gibt kein Rezidiv freuen sie sich so unheilich doll, klar, wir freuen uns auch !!! Aber irgendwie kann man die Freude nicht feiern. Man sieht keine Besserung und kann auch nichts tun.
Ich glaube das ist das schlimmste.
Ich hätte nie gedacht das mit so einer Krankheit so viel Last auf einem liegt.
Es ist wie du sagst ein Langstreckenlauf und ich kann verstehen das einem die Puste ausgeht. Selbst mir als Tochter geht es so.

LG

Angela

Hallo SkiAdler,
jeder Verlauf ist anders. Ich kann nur schildern, wie es bisher bei uns gelaufen ist, vielleicht ist das auch eine Anregung für euch. Bei meinem Mann hat sich der Zustand allmählich gebessert, das ist aber nicht von alleine gekommen. Ich habe ihm bei Appetitmangel privat Trinknahrung besorgt. Ihn zu Caféhausbesuchen, Treffen mit Freunden/Bekannten und zum Reha-Sport animiert. Er kann inzwischen in Begleitung ohne Hilfsmittel etwa 600m laufen, dann braucht er eine Ruhepause. Sein Allgemeinzustand hat sich etwas gebessert, seine Leistungsfähigkeit ist manchmal kurzzeitig wieder besser, er schläft ruhiger, die fokalen Anfälle haben nachgelassen, sein Kurzzeitgedächtnis scheint sich etwas erholt zu haben. Ohne meine Hilfe und Versorgung geht es aber nicht.
Ich denke, dass sich der Zustand bei deiner Mutter noch bessern kann. Sie braucht sicher noch einige Zeit, um sich zu erholen, es ist aber wichtig, sie langsam wieder aufzubauen. Vielleicht hilft ihr regelmäßiges möglichst gesundes Essen, etwas Ablenkung, Krankengymnastik/ Mobilisation im Hause oder Hockergymnastik in einer Reha-Einrichtung. Es wird nicht leicht sein, sie zu animieren. Wer oder was könnte ihr denn Freude machen, ihr Abwechslung bringen?
Was schlagen denn eure Ärzte vor?
LG Angela

suace

Bei uns ist es ähnlich (ED 7/14) , Frontalhirn li
Die schleichende Veränderung führe ich auf die Bestrahlung zurück, das sit auch in den MRTs nachzuvollziehen. Wir wurden ja damals vor der Bestrahlung über die Spätfolgen informiert ..... war mir aber egal, weil niemand damit gerechnet hätte, daß es uns mal betrifft - und es ja auch keine sinnvolle Alternative gibt.
Mein Mann geht täglich im Schneckentempo eine kleine Runde mit dem Hund und hat 2x pro Woche Physiotherapie. Unterhaltungen sind manchmal möglich und wenn hier Trubel ist, macht er gerne mit bis es ihm zuviel wird und er in seinem Sessel einschläft oder wenn das abends ist gleich ins Bett geht. In manchen Dingen ist es besser geworden, in anderen schlechter. Die Erholung nach der Bestrahlung (das war wirklich ab Woche 3 ganz schlimm) ging unendlich langsam. Jetzt freue ich mich über jeden "normalen" Tag. Und hoffe (so schlimm das klingt ....aber Ihr wißt was ich meine...) daß am unvermeidlichen Ende der Tumor bitte explodiert und es dann schnell und ohne Schmerzen oder Krämpfe geht.
Uns allen wünsche ich weiter viel Kraft und hilfreiche Menschen an unsrer Seite

Isarflimmern

Bergauf ging es bei meinem Mann nach jeder schlechten Phase immer wieder. Anfangs hat die Erholung von der OP Monate gedauert, die Bestrahlungen und die Chemo hat er eigentlich sehr gut vertragen. Beides musste er wegen eines Rezidivs nochmal durchmachen. Dann ging es rapide bergab, für ein halbes Jahr hat dann noch das Avastin anfangs gute Dienste geleistet. Die Nebenwirkungen hätten ihm dann aber fast das Leben gekostet. Nach Abbruch der Avastin-Therapie hatte er sich erstaunlich gut erholt. Immer wieder Einbrüche. So nach und nach haben sich die Spätfolgen der Bestrahlung ausgewirkt. Und der fehlende Termporallappen. Die MRT-Bilder waren immer diffus und uneindeutig. Sein Lebenswillen ist ungebrochen, er setzt sich nicht mehr mit seiner Krankheit auseinander und berichtet auch allen, dass er gesund sei. Eigentlich eine gesunde Einstellung. Ich hoffe auch auf einen gnädigen Verlauf - für uns beide. Wie sagt Mascha Kalekó so schön: Bleib klug und halte dich an Wunder.

Nellie

Bei uns geht es auch immer wieder rauf und runter und wieder rauf. Nach OP und erster Strahlentherapie/Chemo (Ende 2016/Anfang 2017) ging es ihm wieder richtig gut. Dann kam 11/2018 das Rezidiv und seitdem Temodal 5/9. Im Sommer nochmal Strahlentherapie, weil er kleine Anfälle und Wortfindungsprobleme hatte. Außerdem war er manchmal aggressiv. Danach ging es ihm dahingehen wieder richtig gut ... aber er war sehr schwach.
Inzwischen ist die Sprache und das Verstehen wieder schwieriger und er ist wieder schwächer. Schläft viel. Trotz ganz gutem MRT und inzwischen noch Avastin. Was er bisher gut verträgt. Was heftig war, war der Grauer Star, welcher sich durch das Kortison entwickelt hatte. Das hat ihm fast seinen Lebenswillen gekostet. Vor zwei Wochen wurde nun auch das zweite Auge operiert und es aufwärt. Jedenfalls mental.
Wir geben die Hoffnung nicht auf, aber ich hab manchmal schon Angst, was da noch alles kommen mag ...
Ich hoffe nur, dass wir dann die richtige Unterstützung finden und es am Ende - ja, da kann ich mich suaces Wunsch nur anschließen- schnell geht.
Ich drück euch fest,
Ihr seit super ... denkt aber auch an euch und, gönnt euch auch ein paar Freuden!

Isarflimmern

Ich danke Euch für die lieben Rückmeldungen. Es tröstet mich wirklich, zu wissen, dass es uns allen ähnlich geht. Auch die Verläufe ähneln sich doch mehr oder weniger. Leider kann man in den Kopf nicht reinschauen und muss immer mit allem rechnen. Ich denke viel an Euch alle. Dann machen wir mal fröhlich weiter. Es kommt wie es kommt.

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