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Thema: Langzeitwirkung einer stereotaktischen radiochirurgischen Behandlung?

Langzeitwirkung einer stereotaktischen radiochirurgischen Behandlung?
A.B.
28.10.2018 20:17:48
Bei mir ((59 J.) wurde ein 10 mm großes Akustikusneurinom diagnostiziert und eine stereotaktische radiochirurgische Behandlung vorgeschlagen. In 90% der Fälle gebe es in den folgenden 10 Jahren einen positiven Verlauf. Was passiert danach mit den bestrahlten Tumorzellen? Können diese Zellen eventuell bösartig werden und wenn ja, wie oft kommt das vor?
A.B.
asteri1
28.10.2018 20:29:03
Mich würde das auch interessieren. Mein Radiologe verneinte die Möglichkeit einer etwaigen Malignisierung der Zellen nach einer stereotaktischen Strahlentherapie und auch die Möglichkeit einer Strahlendemenz wurde ausgeschlossen. Ich kann das nicht wirklich glauben.

Dennoch sind diese Gedanken müssig: Sollte der Tumor weiterwachsen droht der Tod. Eine Operation, wie beim Primärentumor führte bei mir damals, laut Angaben der Neurochirurgen, zum Auftreten aller Nebenwirkungen, die es gibt mit einem jahrelangen Genesungsprozess.
asteri1
Prof. Mursch
28.10.2018 22:20:29
Eine Malignisierung eines AKN nach stereotaktischer Radiochirurgie habe ich persönlich noch nicht erlebt. Es ist möglich, aber diese Entwicklung vom Akustikusneurinom zum malignen Nervenscheidentumor ist sehr selten und kommt auch ohne Vorbestrahlung vor. Ein Zusammenhang ist nicht bewiesen.


Prof. Dr. med. Kay Mursch
Neurochirurg
Zentralklinik Bad Berka
Prof. Mursch
KaSy
29.10.2018 01:00:45
Hallo, A.B.
Einen Tumor bei Notwendigkeit nicht behandeln zu lassen, hat sicher viel schwerwiegendere Folgen, als die Nebenwirkungen der Operationen und Bestrahlung.

Ich selbst wurde 1999, 2011 und 2017 an drei verschiedenen Stellen im/am Hirn (fraktioniert, also je 30 mal) bestrahlt (60 Gy, 60 Gy, 54 Gy) und von Strahlen"demenz" - keine Spur.
Das Kurzzeitgedächtnis kann leiden, auch die Konzentration, aber das lässt sich trainieren bzw. mit Hilfsmitteln überbrücken, bis es wieder wie vorher funktioniert.
KaSy
KaSy
SpinEcho
29.10.2018 11:07:54
> Was passiert danach mit den bestrahlten Tumorzellen?

Bestenfalls sind die Zellen so geschädigt, dass sie nach der Bestrahlung absterben.


Ansonsten kann ionisierende Strahlung bei jeder Zellart, die sich noch teilen kann, zu Mutationen führen. Das liegt einfach am Wirkmechanismus der Strahlung. Was genau passiert ist allerdings zufallsabhängig und lässt sich nur statistisch an Hand großer Fallzahlen analysieren.
SpinEcho
SpinEcho
29.10.2018 14:18:27
> Einen Tumor bei Notwendigkeit nicht behandeln zu lassen, hat sicher viel schwerwiegendere Folgen, als die Nebenwirkungen der Operationen und Bestrahlung.

Das trifft zu.

Die Latenzzeiten zwischen Strahlenexposition und dem eventuellen Auftreten einer strahleninduzierten Tumorerkrankung sind für die meisten Gewebearten sehr lang - viele Jahre bis mehrere Jahrzehnte.
SpinEcho
Mirli
31.10.2018 16:32:38
Guten Tag,

aus meinem Akustikusneurinom (stereotaktische fraktionierte Strahlentherapie mit Gesamtdosis 54 Gy) ist nach 13 Jahren ein maligner peripherer Nervenscheidentumor (MPNST) WHO 2 entstanden. Ich war damals 39 Jahre alt und habe die Strahlentherapie sehr gut toleriert. Und die jährlichen Befunde waren immer zufriedenstellend.

Nach der langen Zeit glaubte ich, der Kelch wäre an mir vorübergegangen. Doch es kam anders. Nachdem der Tumor nun bösartig geworden war, musste ich das „volle Programm“ durchlaufen. 3 OPs, Chemotherapie, erneute Strahlentherapie wieder 54 Gy.

Bin jetzt schwerbehindert mit Grad 80, habe Hörverlust links (nur Tinitus ist noch in Stereo;-)),Gleichgewichtsverlust, Ataxie, Fazialisparese (operiert) und Einiges mehr.

So viel von mir zum „gutartigen“ Tumor.

Grüße Mirli (bin ganz neu hier)

" Zur Wahrscheinlichkeit gehört auch, dass das Unwahrscheinliche eintritt." (Aristoteles)
Mirli
Efeu
31.10.2018 19:28:32
Hallo Mirli,

jaaaa, nichts ist selbstverständlich, so hart das ist. Trotzdem erschüttert mich, was du schreibst; nach sooo langer Zeit.

Wie geht es dir jetzt, insgesamt?

Eine Frage, weil ich's nicht verstehe. "Fazialisparese (opieriert)", was meinst du damit? Wurde die Parese operiert oder ist sie durch eine OP entstanden?
Interessiert mich nur, weil ich auch ienen habe, aufgrund OP und Bestrahlung.

Bin übrigens zu 100% schwerbehindert.

Liebe Grüsse,
Efeu
Efeu
A.B.
01.11.2018 13:24:58
Hallo zusammen! Ganz vielen herzlichen Dank für die vielen aussagekräftigen Beiträge! Meine Entscheidung habe ich zwar letztendlich noch nicht getroffen, aber mein eigener Standpunkt fühlt sich etwas fundierter an. Ein Dankeschön an alle!!
Dir, liebe Mirli, wünsche ich von Herzen, dass du Deinen Mut behältst und für Dich einen guten Weg findest!! Dein Beitrag ist für mich wichtig.
Liebe Grüße, A.B.
A.B.
Liz
01.11.2018 16:05:54
Eben wurde meine Beitrag gelöscht vom Moderator, aber ich werde es wiederholen weil wir 7 Jahre Erfahrungswert durch eine Stereotaktische Behandlung haben.

Durch die Stereotaktische Behandlung hat sich nach 7 Jahren eine Nekrose um den Tumor gebildet. Das bestrahlte Gewebe stirbt ab.
Funktionen werden dadurch beeinträchtigt.
Liz
KaSy
01.11.2018 16:28:31
@A.B.
Es gibt einen Unterschied zwischen einer Strahlentherapie, die fraktioniert (30 x 2 Gy) erfolgt, und der Radiochirurgie, die Dir angeraten wurde und von der auch Prof. Mursch schrieb.

Asteri1, Mirli und ich schrieben über die fraktionierte Strahlentherapie, die mit einem - mittlerweile immer moderner, schonender und genauer gewordenen - Linearbeschleuniger durchgeführt wird.

Bereits seit mehreren Jahren werden Akustikusneurinome mit der Radiochirurgie bestrahlt. Das ist eine Einzeitbestrahlung, in der die Gesamtdosis in einer (oder sehr wenigen) "Sitzung(en)" verabreicht wird.

Die Geräte heißen Gammaknife und Cyberknife.

Bevor Nachweise erbracht wurden, dass die Radiochirurgie bei bestimmten kleinen Hirn- und anderen Tumoren bessere oder gleich gute Ergebnisse erzielt, haben die Krankenkassen erst auf Widerspruch diese Therapieart bezahlt. Das hat sich mittlerweile geändert.

Frage noch einmal genauer nach, welche Bestrahlungsart Dir angeraten wurde und vergleiche dann deren Folgen mit denen nach einer OP.

(Die 3. Variante wäre, nichts zu tun, abzuwarten, später evtl. eine Therapie zu beginnen.)
KaSy
KaSy
KaSy
01.11.2018 16:36:48
@Liz
Was meinst Du mit der "Stereotaktischen Behandlung"?
Stereotaktisch werden Operationen, Strahlentherapien und die Radiochirurgie durchgeführt, wobei sich das Wort "stereotaktisch" jeweils darauf bezieht, dass der Kopf während der Therapie so fixiert wird, dass er sich nicht bewegen kann. Das dient der Exaktheit aller dieser Therapien und damit der Sicherheit der Patienten.
KaSy
KaSy
Rieke30
01.11.2018 16:44:47
Gammaknife ist schon längst veraltet wurde mir gesagt

ich durfte meinen Kopf auch bewegen während der Bestrahlung.
Rieke30
Liz
01.11.2018 16:45:09
@Kasy, da werden Seeds mit 54 Gy unmittelbar am Tumor implantiert und bestrahlen diesen.
Hat den Tumor um die 60% verkleinert
Dann hatten wir 6 Jahre Ruhe bis er dann aggressiv wurde
Liz
Mirli
01.11.2018 17:21:06
@Efeu
Ja, die Fazialiparese wurde operiert, da der Nerv bereits unwiederbringlich verloren war. Vor der OP bekam ich die FP und sie war Beginn der schweren Zeit. Heute geht’s mir so lala, man will ja nicht jammern. Wenn ich nur wieder gescheit laufen könnte ohne zu torkeln. Brauche Rollator oder eine Begleitung. Zum Glück habe ich keine Schmerzen.

@A.B.
Danke für die guten Wünsche. Mein Fall ist anscheinend sehr selten. Deshalb dachte ich mir, es wäre interessant, darüber zu berichten.

@alle Anderen
Was KaSy schreibt ist korrekt. Gammaknife und Cyberknife sind „knife“ = Messer = Chirurgie (Radiochirurgie).
Bei mir fand Strahlentherapie mit ultraharten Röntgenstrahlen im Linearbeschleuniger/NOVALIS 27x2Gy = 54Gy Gesamteinheiten statt.

2. Strahlentherapie auch mit 30x1,8Gy Gesamtdosis wieder 54Gy.

Liebe Grüße Mirli


„Zur Wahrscheinlichkeit gehört auch, dass das Unwahrscheinliche eintritt.“ (Aristoteles)
Mirli
KaSy
01.11.2018 18:53:01
Danke, Liz.
Das, was Du, Liz, beschrieben hat, ist die so genannte "Brachytherapie", bei der radioaktive winzige Plättchen (Seeds) in bzw. um den Tumor herum implantiert werden. Dazu ist eine Operation erforderlich.

Das ist eine weitere Art der Strahlentherapie, die nur lokal erfolgt. Dabei erhofft man sich den Vorteil, dass man mit den radioaktiven Strahlen nicht durch das gesunde Gewebe hindurch muss. Man nutzt dazu, dass ohnehin eine OP zur Tumorentfernung oder -verkleinerung erforderlich ist, um im gleichen Zuge die Seeds einzusetzen.

Leider waren bei Euch, Liz, die Folgen wirklich schwierig. Das tut mir Leid.

Es gibt aber auch vielfach gute Erfahrungen damit.

Für Dich, A.B., kommt die Brachytherapie nicht in Frage.

KaSy
KaSy
KaSy
01.11.2018 20:13:12
@Rieke30
Gammaknife mag veraltet sein, aber die Geräte sind so teuer, dass eine Kkinik, die sich ein Gammaknife angeschafft hat, dessen Möglichkeiten nutzen wird, dafür, wo es sinnvoll ist.

Allerdings habe nicht nur ich ein Problem mit angeblich "veralteten" Geräten oder Methoden, sondern auch Ärzte warnen davor zu glauben, dass das Neueste stets das Beste sein muss.

Ist das neu gekaufte Dieselauto wirklich das bessere Auto? So ähnlich argumentierte ein Arzt auf einem früheren Hirntumorinformationstag.

Es ist gut, dass es viele Methoden der Diagnostik, der Operationsmethoden, der Bestrahlungen und der Chemotherapien gibt, da sie zielgerichteter und individueller eingesetzt werden können - für uns!
KaSy
KaSy
Rieke30
01.11.2018 20:30:23
ja kasy davon habe ich keine Ahnung sorry.

mir wurde gesagt kein Gammaknife ist veraltet sondern Cyberknife.

ich möchte nichts veraltetes gemacht haben...schon das neueste. Altes interessiert mich nicht. Mein Arzt sagte sicher kein altes Gammaknife wenn es neuere bessere Methoden gibt . War auch meine Meinung
Rieke30
asteri1
01.11.2018 20:55:59
Ich möchte, um Missverständnisse, entgegenzuwirken noch mal einwenden:

Jede ärztliche Behandlung und jeder Eingriff muss den Standard, der neusten medizinischen und technischen Erkenntnissen entsprechen immer unter Berücksichtigung des Einzelfalls. Darauf bezieht sich die Einwilligung eines Patienten, wenn er den Behandlungsvertag unterzeichnet.
Daran halten sich Ärzte auch.

Strahlentherapeutischen Verfahren, die veraltet sind, dürfen nicht an Patienten angewandt werden, denn die Folge stellt u.a die Verwirklichung einer Körperverletzung im Sinne des StGB dar.
asteri1
KaSy
01.11.2018 21:32:42
@asteri1
Hier ist zwar kein Ort für derartige Diskussionen, aber:

Wenn nur die neuesten Medikamente für die Chemotherapie eingesetzt werden dürfen, dann gäbe es immer nur ein Chemotherapeutikum, nämlich das jeweils neueste.
(Aber mitunter ist es der Mix aus mehreren Mitteln, der am besten wirkt.(

Wenn nur die neuesten Strahlentherapie-Geräte eingesetzt werden dürften, dann würde jede Bestrahlung mit dem gleichen Gerät erfolgen.
(Aber nicht jedes Gerät ist für jeden Tumor geeignet.)

Wenn nur die neuesten MRT-Geräte mit 3 Tesla (oder mehr?) eingesetzt werden dürften, gäbe es nur noch diese 3-Tesla-MRT-Geräte.
(Aber nicht jeder operierte Hirntumorpatient
darf in ein 3-Tesla-Gerät.)

Wenn nur das neueste Kontrastmittel verwendet werden darf, dann würde bei manchem der Hirntumor nicht entdeckt werden.


Es ist wichtig, dass für jeden Betroffenen die geeignete Kombination aus den Diagnostik- und Therapiemethoden genutzt wird.
Das muss individuell das Beste sein.
Jemandem die besten Methoden zu verweigern, weil es nicht die Neuesten sind, das möchte ich mir nicht vorstellen.

Vielleicht hast Du es auch anders gemeint.
KaSy
KaSy
asteri1
01.11.2018 21:53:35
Ich habe Jura mit dem Schwerpunktstudium Arzthaftung studiert. Ich gebe nur die juristische Sichtweise wieder. Was genau zum Standard gehört, dazu möchte und kann ich mich nicht äußern.

Ich finde es gerade wichtig, zu wissen, dass wir nicht ohnen Schutz dastehen. Dass es ein Regelwerk gibt, dass verhindert, dass Medizin beliebig wird.

Seitdem ich das verinnerlicht habe trete ich bei Ärzten viel selbstsicherer auf und bin auch kritischer.

Ich finde, das Thema sehr wichtig- gerade hier im Forum,
wo man zunächst in der Regel nach Diagnosestellung verunsichert und mangels Fachwissen überfordert ist.
asteri1
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