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Tumble

Von Raoul Krauthausen habe ich den Satz gelesen: "Bin ich behindert oder werde ich behindert"

Ich habe mich hier angemeldet weil...

...ich hoffe Menschen zu treffen, die etwas mehr erahnen können, wie es mir mit meiner Art der Behinderung geht

jetzt merke ich, wie schwierig es ist, sie überhaupt in Worte zu fassen

Ausserdem hat sich indenletzten Tagen bei mir "die Scham der Überlebenden" breit gemacht.
Das erste Mal habe ich diese Scham im Krankenhaus empfunden: eine Patientin hatte einen agressiven Tumor und meiner war ein aufgeblasener kleiner Scheißer, aber gutartig, gutartiger geht nicht. -Wenn ich mal davon absehe, dass es eine Not-OP war und er mich fast das Leben gekostet hätte.

Die gleiche Patientin hat sich damals riesig gefreut, hat mir erzählt was für einen Mut ihr das macht, und dass sie es mir nachmachen und dort rausmarschieren wird!

Dass ich mich daran so lebhaft erinnern kann...das erste 1/2 Jahr nach OP ist eigentlich ...schwammig... Bruchstücke schwimmen in einer eigenartigen Zeitlosigkeit...

Jetzt bin ich nicht mehr krank - nur behindert

Das was bleibt fällt in die Kategorie des "erworbenen Hirnschaden".

Gleichgewichtsprobleme, Reizverarbeitungsstörung, Belastbarkeitsminderung, arbeitsunfähig, Fußklonus...reicht ersteinmal

Am schwierigsten finde ich die Reizverarbeitungsprobleme. Ich muss einen ziemlich wachen Moment haben, um Geräusche richtig einordnen zu können. also das was unser Hirn "normalerweise" automatisch im Hintergrund macht,nämlich Geräusche auf ihre Wichtigkeit einzuordnen, braucht bei mir mehr Konzentration/Wachheit.
Optische Eindrucke vermeide ich großteils (Blick auf den Boden), speziell Bewegung in meiner Nähe.
Werde ich müde werde ich wie verwirrt, erschrecke (logisch: ein Geräusch,was ich nicht einordnen kann wird die Arlarmierungsfunktion des Hörsinns auslösen) und reagiere mit Schwindel und einem -hmmm- seeehr eigenartigen Gangbild.

Mir wurde schon mehrfach gesagt, dass es da noch mehr Betroffene gibt...

Jetzt liegt es in der Natur der Sache, dass wenn ich nicht so gut rausgehen kann und der andere nicht rausgehen kann....ist schon schwer sich zu begegnen, oder!

Meldet Euch!

LG
Tumble

annasuska

Hallo Tumble,
vielleicht macht Dir die Lektüre von Norman Doidge Mut. Gibt es auch einen Film:https://www.youtube.com/watch?v=lXw4HfYCa3c
Hat mir jedenfalls gut getan und nun warte ich voller Hoffnung auf die Genehmigung des "PONS-Device" durch die FDA und das Erscheinen in Deutschland.....
LG, Susanna

mevi446

Hallo Tumble, lass dich nicht unterkriegen. Ich habe nach meiner ersten OP auch viele Schwierigkeiten gehabt, Geräusch Lokalisation war schwierig, mein Sichtfeld war extrem eingeschränkt, und ich hatte das Gleichgewicht von nem Ball auf einer schrägen Fläche.zudem noch Konzentrationsprobleme und ein Gedächtnis wie ein Sieb . heute ca. 1 1/2 Jahre nach der 2 OP spiele ich wieder Fußball als Torhüter, meinen Reflexe sind zwar nicht mehr ganz so schnell, reichen mir aber und die anderen Probleme habe ich alle mit einer Reha und ambulanten Physiotherapie und Ergotherapie in den Griff bekommen. Kopf hoch es wird wieder besser

Tumble

Hallo annasuska,
Norman Doidge müßte ich irgenwo liegen haben, den habe ich mal vor Jahren - und vor der OP gelesen,- das war doch eines der ersten Bücher über den Paradigmenwechsel was die Plastizität des Hirns angeht, wenn ich mich recht erinnere. Gute Idee

mevi446
wieder Fussball? Klasse!
ich "tanze" wieder. Alles relativ. Habe halt immer Gehörschutz dabei, wenn ich raus gehe.

Meine OP ist 2 1/2 Jahre her, da wird es mit den Fortschritten halt langsamer, wem sagich das.
Du schreibst, dass Du die Schwierigkeiten mit den Geräuschen nach der ersten OP hattest, wie lange ist dass dann her?
Die Schräge, war die bei Dir immer gleich? Meine bewegt sich rgendwie. und wenns mir ganzganzdoll schwindelig wird hilft nur noch ruhig halten entweder anlehnen oder hinlegen. Das ist nicht so oft.

Sie haben bei mir sofort in der AHAB mit dem Schwindeltrainig angefangen.Seither nie wieder, ich habe schon mal überlegt, ob ich mal in eine Schwindelambulanz gehe. Abklären, ob ich alles mache, was ich machen kann

Liebe Grüße

Efeu

Hallo Tumble,

ich gehöre auch zu denen. Behindert, ja! Reizverarbeitungsstörungen zur Genüge. Ich lebe, als Konsequenz, sehr isoliert, abgeschieden. Selbst einkaufen ist eine Katastrophe, mache ich schon lange nicht mehr. Oder Besuch: Nach einer Stunde spätestens gehe ich, weil ich eh nix mehr mit bekomme und völlig gaga im Kopf bin. Einfach limit von der Datenverarbeitung her. Ich hab, Bestrahlungsschaden, eine mittelgradige Demenz. Gleichgewichts-, Seh-, Hörstörungen, Geschmacksnerv gestört, Lähmung im Gesicht, Schluck- und Sprechmuskel teilweise, und chronsiche Nervenschmerzen. Und: Ich versuche das Beste daraus zu machen, auch nach 3 Jahren. Ich musste fast alles neu lernen, trainieren, und viele kann ich nicht mehr. ABER!!!! Manches kann ich wieder, wenn auch nicht so wie früher, aber ich habe Lösungen gefunden. Ich reite z.B. wieder, habe 2 Pferde. Wenn es mir gut geht, sitze ich drauf, wenn es mir nciht so gut geht, gehe ich mit den Pferden spazieren. Wenn esmir ganz schlecht geht, haben sie frei, dann kraule ich sie nur etwas, sofern ich zu ihnen gehen kann. Ich lebe die Tage spontan, weiss nie, wie es mir geht, manchmal kann ich nicht mal gehen vor Gleichgewichtsstörungen. An anderen Tage geht es. Ich bastel eigentlich ständig an Lösungsstrategien. Sehe ein "Problem" und überlege, wie ich es lösen kann, men Ziel erreichen kann. Und dann übe ich auch viel, oft monatelang. Beispiel reiten: Klar nicht mehr wie früher, da war ich supergut. Aber es reicht auch heute wieder, mit Sicherheitsweste und Helm, und meine Hoppies sind ganz Ruhige. Das ist grösstes Glück.
Ich kann sagen: Das Glas ist halb leer - und ich kann schauen und sagen, es ist halb voll. Letzteres gelingt mir nicht immer, aber meistens. Klar vermisse ich auch vieles, ich hab früher gerne gelesen, heut - ihc vergess sofort alles. Naja. Ich hab meinen Beruf geliebt, jetzt bin ich Rentnerin. Dafür hab ich viel Zeit, auch das ist ein Geschenk. Ich koche und backe für andere, ist auch schön. Hab einen Garten.
Die erste OP ist 3 Jahre her, die Bestrahlung 2,5. Ich weiss, dass sich auch nach so langer Zeit noch Verbesserungen einstellen können, wenige natürlich, aber es kommt vor.
Und ansonsten: Es ist wie es ist, es liegt an mir, was ich daraus mache. Ich bin froh und dankbar, operiert worden zu sein, auch wenn es so happig war und ich die OP fast nicht überlebt hätte. Viele Schäden sind durch die OP geblieben, und die Bestrahlung hat, unerwartet, massive Schäden gemacht. Aber dafür lebe ich.
Die Scham des Überlebenden, die erlebe ich auch grad mit zwei Freunden, es macht mich ganz still und demütig, und, dankbar.

....was du schreibst, dass sich dein Gang verschlechtert, wenn du müde bist, und du auf Geräusche empfindlich reagierst, erschrickst, das hab ich auch. Ist für mich ein Indikator, mich zurück zu ziehen.

@anasuska, danke für den Link. Ein Aufsteller....

LG,
Efeu

Tumble

Liebe Efeu,
vielen Dank für Deinen offenen Bericht.

Eine Betroffene, der ich vor einigen Monaten begegnet bin , sagte : die Zeit, die mir pro Tag zur Verfügung steht.

An diesen Satz denke ich andauernd. Komisch, er hat nichts brilliantes, nichts aussergewöhnliches.
Trotzdem beschreibt er mit wenigen Worten , wie die vorherige Normalität auf den Kopf gestellt wurde und bleibt dabei völlig unaufgeregt.

Schön...

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