Liebe Forumsgemeinde,
ich lese mich seit ein paar Tagen quer durch das Forum: Schreckliche Schicksale sind hier dokumentiert. Zwar habe ich selbst schon (leidvolle) Erfahrungen mit Krebserkrankungen im Familien- und Bekanntenkreis gemacht, aber ich muss sagen, dass die Schilderung von Ihren/ Euren Schicksalen mich zutiefst erschüttert hat. Ich wünsche Euch allen da draußen, dass sich der Funken Hoffnung, der doch in jeder noch so schlimmen Geschichte steckt, zu einer Genesung führt!
Nachdem ich das losgeworden bin, möchte ich gerne hören, ob vielleicht jemand unter Euch ist, der mir seine Erfahrungen schildern könnte. Meine Großmutter (80) ist an einem Tumor im Gehirn erkrankt. Sie wurde nachts von ihrem Mann bewusstlos in ein Krankenhaus eingeliefert (19.05.14), wo sie eine Verschattung im Gehirn feststellten. Zunächst war von einem Ödem die Rede, dann von einem Tumor, der hochparietal sitzt und auf das Sprachzentrum drückt. Sie wirkte dennoch klar, konnte zum Zeitpunkt der Einlieferung auch wieder normal reagieren und agieren. Jedoch war sie nicht mehr in der Lage zu schreiben und es fiel auf, dass sie sich kurzzeitig verwirrt verhielt. Die Ärzte in dieser neurologischen Spezialklinik (!) waren ausnehmend unkooperativ, klärten kaum richtig auf. Da meine Mutter schon vor vielen Jahren verstorben ist, bin ich sozusagen die Verantwortliche für meine Großeltern und stehe ihnen auch entsprechend nahe. Dennoch wurde mir in Teilen die Antwort verweigert oder Schwammiges erzählt. (Ich bin selbst Mitte 30 und wirke durchaus zurechnungsfähig, wenn ich das mal so formulieren soll ;-) )
In jedem Fall wurde meine Großmutter am 23.05 operiert. Der Tumor (4cm, dominante Hemisphäre) wurde entfernt -- ob dieses vollständig geschah oder nur in Teilen konnte uns nicht gesagt werden. Nach der OP hatte meine Großmutter starke Wortfindungsschwierigkeiten und war auch sonst geistig ziemlich mitgenommen. Dieser Zustand besserte sich allerdings täglich, mittlerweile ist sie wiederhergestellt (außer dass sie schnell erschöpft ist). Es wurde eine Gewebeprobe entnommen, die kam mit dem Befund "Non-Hodgkin-Lymphom" zurück. Sie wurde aus dem Klinik entlassen und an einem Onkologen überstellt. Dieser schickte sie zu Folgeuntersuchungen: Der Befund ist aktuell ein primär cerebrales NHL.
Der Onkologe empfahl meiner Großmutter eine Chemotherapie. Erst überstellte sie zu einem Beratungsgespräch an einen Facharzt. Ich war bei diesem Gespräch dabei. Dieser wirklich nette Facharzt nahm sich viel Zeit und legte sozusagen die harten Fakten auf den Tisch. Ich empfand das als sehr angenehm, weil man nun endlich einmal erfuhr, was dahintersteckt. Zum zurückbleibenden Tumor im Gehirn konnte er auch nichts weiter sagen, da nach der OP keine weitere CT stattgefunden hatte. Er führte aus, dass die Chemo mit hohen Risiken verbunden sei. (Er wäre in diesem Fall der behandelnde Arzt.) Es müsste wohl eine hohe Dosis verwendet werden, die Todesrate bei der Chemo lege bei 15%. Meine Großmutter würde 6 Zyklen alle 14 Tage bekommen, die Behandlung würde in großen Teilen stationär durchgeführt werden. Es könnten diverse Nebenwirkungen auftreten, u.a. auch Nierenversagen. Dennoch hätte meine Großmutter auf diese Weise eine Chance auf Genesung. (Er sagte, dass sie es sich überlegen solle: Der Preis wäre hoch, aber es sei auch das Risiko wert. Sie müsse wissen, ob sie das Risiko tragen wolle. Er formulierte es salopp als Hop-oder-top-Spiel.)
Alternativ könnte bestrahlt werden. In diesem Falle gäbe es über vier Wochen andauernde Bestrahlung, der Aufenthalt wäre ambulant. Hier läge die durchschnittliche Zeit, in der der Tumor wieder auftritt zwischen 10 und 18 Monaten. Es kam klar raus, dass dieses im Grunde ein Zeitverschaffen ist.
Meine Großmutter war sichtlich erschüttert. Er sprach sie von Chemo, dann von Bestrahlung, dann wollte sie nur noch sterben. Es war natürlich schrecklich. Der Arzt wählte seine Worte sehr bedächtig, es war klar, dass sie sofort seinem Ratschlag folgen würde. Den wollte er nicht geben.
Ich stehe nur etwas verzweifelt vor meinen Großeltern. Letztlich muss natürlich meine Oma entscheiden, was für sie das Richtige ist, aber sie will unbedingt einen Ratschlag. Sie ist gesundheitlich in einem durchschnittlichen Zustand, würde ich sagen. Allerdings ist sie kein Mensch, der besonders leidensfähig ist oder der einen außergewöhnlich starken Willen besitzt. Ich hatte gehofft, dass sie jetzt durch die Diagnose zum Kämpferherz wird, aber so richtig sehe ich es nicht. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass sie eine Chemo durchsteht. Dennoch mag ich ihr auch nicht zu einer Bestrahlung raten, da ich jetzt schon weiß, dass sie kaum damit umgehen kann, dass es nur eine Behandlung auf Zeit ist.
Vielleicht hat sich jemand hier in einer ähnlichen Situation für Bestrahlung oder Chemo entschieden? Ich versuche gerade nüchtern Argumente zu sammeln. Das gelingt mir natürlich nur in Teilen, auch für mich ist das Ganze belastend, aber ich habe den Eindruck, dass wenigstens einer die Situation abwägen muss.
Herzlichen Dank fürs Lesen, ich sehe gerade, dass es doch ein langer Text geworden ist.
LG Christin