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Thema: Man steht hilflos daneben

Man steht hilflos daneben
magicmerle88
03.06.2020 12:30:38
Hallo,

mein Bruder hat seit Juli 2019 ein Rezidiv, ED 2018 Gliosarkom "komplett" operiert, Bestrahlung 30x und CCNU, Temozolomid bis März 2019.
Ab September 2019 Avastin und Temodal sowie Syrea. Alles hat er gut
vertragen und ist sogar arbeiteten gegangen. Und der Tumor ist geschrumpft.

Ab Februar wurde zu dem Avatin Irinotecan hinzugenommen. Von Anfang an hat mein Bruder diese Kombination nicht vertragen; d. h. er hat sich sofort hingelegt und nie wieder richtig erholt. Und er wurde immer schwächer und leicht verwirrt. Sein "Laufen" ist auch sehr schlecht. Der Onkologe hat ein Ödem vermutet und ihm 2 mg Cortison verordnet. Recht erfolgtlos. Der Zustand hat sich nur minimal verbessert.

Letzten Freitag war das Routine MRT und das Rezidiv ist stabil. Ein kleines Ödem war auch zu sehen. Und wieder Bevacizumab und Irinotecan. Der Arzt wird die Therapie jetzt auf Avastin und CCNU umstellen. CCNU 40 mg soll mein Bruder wöchentlich nehmen und das Bevacizumab bekommt er jetzt alle zwei Wochen. Das Cortison wurde jetzt auf 4-0-2 gerhöht. Die neurologischen Ausfälle meines Bruders hat der Onkologe registriert, aber nicht weiter kommentiert.

Was ich nicht verstehe. Das MRT ist soweit in Ordnung, das Ödem ist klein, aber trotzdem geht es meinem Bruder nicht besser. Er liegt seit Mitte Februar nur noch, ist schwach und kann nicht laufen. Warum wird es nicht besser.

Ich bin ratlos und würde so gerne etwas tun, was ihm hilft.

Viele Grüße aus dem Ruhrgebiet
Mignon
magicmerle88
KaSy
03.06.2020 14:44:53
Liebe Magicmerle88,
Du schreibst, dass nach der OP, Bestrahlung und der Chemotherapie mit Temozolomid und CCNU bereits nach 4 Monaten ein Rezidiv entstanden war.

Gab es von Juli bis September 2019 keine Therapie?

Wenn die erste Chemo-Kombination nicht gewirkt hat, dann ist es klar, dass umgestellt werden musste.

Unter Bevacizumab, Temozolomid und Syrea fühlte sich Dein Bruder sogar arbeitsfähig und erfreulicherweise wurde das Rezidiv kleiner.

Was ist dann im Februar passiert?
Warum wurde zum Bevacizumab das Irinotecan ergänzt?
Wurden Temozolomid und Syrea weggelassen?


Es ist bekannt, dass Bevacizumab in Deutschland deswegen nicht zugelassen ist, weil es zunächst gut auf den Tumor und auf die Lebensqualität wirkt, aber nach längerem Gebrauch irreversible Organschäden verursacht.
Es wird deswegen als "letztes Mittel" extra beantragt.

Durch das Hinzugeben von Irinotecan wirkt ein weiteres, anderes Chemotherapeutikum auf den gesamten Körper.

Es gibt neue Wirkungen und Wechselwirkungen, die vermutlich den Tumor stabil halten, aber möglicherweise auch weitere Organschäden verursachen.

Ich habe die Vermutung, dass die Chemotherapie-Kombinationen zwar den Tumor stabil halten, aber anderswo im Körper Schäden angerichtet haben, die zu der Verschlechterung des Befindens Deines Bruders geführt haben.

Warum der Onkologe darauf nicht reagiert hat, kann ich nicht nachvollziehen, denn er muss die möglichen Wirkungen kennen und zu irgendeinem Zeitpunkt erwarten, um dann "irgendwie ausgleichend" zu handeln, um zur Verbesserung des Allgemeinzustandes beizutragen. Er sollte es auch erklären können.

Ich habe den Verdacht, dass er als Onkologe seine Aufgabe darauf beschränkt, sich um das Tumorgeschehen zu kümmern und seinen Patienten nicht als Gesamtperson betrachtet.

Natürlich ist nicht er "Schuld", sondern der Tumor. Die Ärzte "rennen" guten Willens dem Geschehen "hinterher" und sind gerade bei diesen Hirntumoren irgendwann "zu spät".

Ich könnte mir vorstellen, dass Ihr den Onkologen jetzt fragt, was er sich von der immer wieder neuen Chemotherapie-Kombination für Deinen Bruder verspricht.
Deinem Bruder geht es schlechter und vielleicht muss sich der Blick von "nur Chemotherapie" auf weitere Wege und Möglichkeiten erweitern.

Eventuell müssen jetzt weitere Ärzte einbezogen werden, die sich "ganzheitlich" um Deinen Bruder kümmern. Das kann vom Hausarzt über ... ? ... bis zum Palliativteam vieles sein.

Auf einem Hirntumorinformationstag wurde das frühzeitige Hinzuziehen eines Palliativteams empfohlen. Es geht dabei nicht darum, dass der Patient jetzt seine letzten Tage erlebt, sondern um die möglichst gute Verbesserung seiner Lebensqualität, die ja durch den Tumor, das Rezidiv und durch die vielen Therapien immer mehr eingeschränkt ist. Dieses Team könnte eine deutlich längere gute Lebenszeit bewirken.

Rede mit seinem Hausarzt, ob er andere Möglichkeiten sieht und ob er eine Verordnung für die Palliativversorgung ausstellen würde.

Ich wünsche Euch alles Gute!
KaSy
KaSy
magicmerle88
03.06.2020 16:00:34
Liebe KaSy,

von Juli bis September 2019 bekam mein Bruder Temozolomid und Syrea, aber unter diesen Medikamenten ist das Rezidiv gewachsen. Ab September dann Bevacizumab dazu und der Tumor ist geschrumpft.

Im Februar ist eigentlich "gar nichts" passiert; das MRT im Januar hat einen weiteren Rückgang des Tumors gezeigt. Der Onkologe wollte Irinotecan als "Wirkungsverstärker" dazu nehmen. Aber wie bereits erwähnt hat mein Bruder dieses Medikament nicht vertragen.
Ich glaube, der Wirkungsverstärker sollte bewirken, dass das Rezidiv noch schneller schrumpt.

Die Umstellung jetzt auf "nur" Bevacizumab und CCNU wird vorgenommen, da das Irinotecan so schlecht vertragen wird.

Nächste Woche haben wir wieder einen Termin zur Avastininfustion und ich werde dann ganz konkret mit dem Onkologen darüber sprechen; schließlich kennt der den "Kopf" und den jetztigen Zustand meines Bruders.
Kann es auch Fatigue sein oder von dem kleinen Ödem kommen. Es sitzt direkt am Rand?
magicmerle88
KaSy
03.06.2020 23:26:41
Liebe Magicmerle88,
Ein kleines Ödem kann m.E. keine derartig starke Verschlechterung erzeugen und das Cortison hätte gewirkt.
Fatigue könnte es sein, aber nicht nur.
Der Onkologe kennt eigentlich nicht den Kopf Deines Bruders (so wie der Neurochirurg), er kümmert sich sehr um den Hirntumor, aber der Tumor setzt ihm Grenzen.
Ihr benötigt jetzt breitere Hilfe im Interesse Deines Bruders.
Mehr kann ich dazu nicht sagen.
KaSy
KaSy
buttkeis
04.06.2020 17:37:13
Es ist eigtl ein typisches Zeiches für Bevacizumab und Irino. Man baut ab. Und Dr. D weiß dass all seine Patienten die diese Kombi nehmen wie Sau abbauen. Der eine mehr der eine weniger.

Dr. D erkennt leider oft Rezidive und Ödeme spät. Oft sagt er leichte Aktivität obwohl das Rezidiv schon da ist. Und ein Ödem mit 2mG am Anfang ist auch zu wenig. Er ist wirklich sehr nett, aber manche Sachen verstehe ich bei ihm nicht

Wurde wegen Rezidiv von metronomisch auf Bevacizumab umgestellt? Was wurde vor metronomisch Temozolomid gemacht.
buttkeis
magicmerle88
04.06.2020 19:59:40
Lieber buttkreis,

ist es wirklich so, dass man unter dieser Therapie so stark abbaut. Das hat noch niemand gesagt. Und wird es wieder besser, wenn Irino nicht mehr genommen wird. Dr. D. hat meinen Bruder ja in seinem schwachen Zustand gesehen, aber nicht weiter kommentiert. Und deshalb sind wir ja so hilflos, weil wir nicht wissen, was mit meinem Bruder passiert ist. Fakt ist allerdings, dass der körperliche Abbau erst mit der Zunahme von Irino begann.

Und es irritiert mich, dass Dr. D. Rezidive und Ödeme spät erkennt. Er ist doch eine anerkannte Kapazität auf dem Gebiet Hirntumore.

Jetzt die Umstellung auf nur Avastin und CCNU. Ich hoffe, es wird dann wieder besser, da mein Bruder beide Medikamente gut vertragen hat.

Nach ED 7/2018 hat mein Bruder bis März 2019 CCNU und Temodal genommen. Dann nichts mehr. Nach der Rezidivdiagnose kam dann Temodal und Syrea metronisch. Weiteres Wachstum. Und ab September dann Avastin und Temodal und Syrea. Darunter ist das Rezidiv dann stark geschrumpt. Das MRT im Januar zeigte auch wieder einen Rückgang des Rezidives. Dann hat Dr. D. beschlossen Irnio dazu zunehmen; ich denke, er wollte damit bezwecken, dass der Tumor noch schneller schrumpf.
magicmerle88
buttkeis
04.06.2020 21:12:59
Dr D. war menschlich und sehr nett. Unsere Erfahrung war dann leider, dass er das Rezidiv auf seinem Mrt nicht gesehen hat, ich aber schon, er sagte nein es wäre ganz leicht aktiv, aber keine Rede von einem Rezidiv. Ich fragte, was man wg dem Ödem machen sollen, da fragte er mich welches Ödem.

Also haben wir uns gegen ihn entschieden. Als wir zuhaus beim MRT waren (einige Tage später) war klar, dass ein Rezidiv mit großem Ödem da war.

Zu Bevacizumab allein kann ich sagen dass es, je nach körperlichem Zustand verträglich ist, allerdings mit dem Irino zusammen, gibt es Schwäche, Koordinationsschwierigkeiten und andere Symptome. Ich kenne einige Patienten, die das gleiche Problem hatten und umschwenken mussten. Einige hatten dann Bevacizumab und CCNU wie in den USA und einige danach sogar PCV. Bevacizumab ist ja auch bekannt für
Hypertonie.
Müdigkeit.
Kopfschmerzen.
Geschmacksstörungen.
Schwäche.
Es kann sein dass Dein Bruder einfach die Nebenwirkung voll abbekommt. Und die Mischung beider Substanzen kann es in sich haben.
buttkeis
KaSy
04.06.2020 22:23:47
Liebe magicmerle88
Du hast nun einiges über den Onkologen Deines Bruders erfahren, was meine Vermutungen* leider bestätigen.

* "Der Onkologe kennt eigentlich nicht den Kopf Deines Bruders ..."
"er muss die möglichen Wirkungen kennen ..."
"Er sollte es auch erklären können."
"Ich habe den Verdacht, dass er als Onkologe seine Aufgabe darauf beschränkt, sich um das Tumorgeschehen zu kümmern und seinen Patienten nicht als Gesamtperson betrachtet."

Das bestätigt zu bekommen, macht auch mich traurig.


Ich kann nur noch einmal wiederholen, was ich auf den Hirntumorinformationstagen von Experten gehört habe und von vielen persönlichen Erfahrungen bestätigt bekam:

"Es ist bekannt, dass Bevacizumab in Deutschland deswegen nicht zugelassen (!) ist, weil es zunächst gut auf den Tumor und auf die Lebensqualität wirkt, aber nach längerem Gebrauch irreversible (!) Organschäden (!) verursacht.
Es wird deswegen als "letztes Mittel" (!) extra beantragt.

Durch das Hinzugeben von Irinotecan wirkt ein weiteres, anderes Chemotherapeutikum auf den gesamten Körper.

Es gibt neue Wirkungen und Wechselwirkungen, die vermutlich den Tumor stabil halten, aber möglicherweise auch weitere Organschäden (!) verursachen.

Ich habe die Vermutung, dass die Chemotherapie-Kombinationen zwar den Tumor stabil halten, aber anderswo im Körper (!) Schäden (!) angerichtet haben, die zu der Verschlechterung des Befindens Deines Bruders geführt haben."


Bevacizumab ist nicht nur für die von Buttkeis genannten akzeptablen Nebenwirkungen "Hypertonie, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwäche, Geschmacksstörungen" bekannt.
Diese Nebenwirkungen sind relativ unbedeutend für ein hochwirksames Chemotherapeutikum.
Wenn man diese "Lappalien" gesagt bekommt, fällt es einem nicht schwer, sich darauf einzulassen (was in der Situation Deines Bruders richtig war). Wenn es nur diese Nebenwirkungen wären, die "jeder mal hat", würde es in Deutschland ganz leicht zugelassen werden.
Ist es aber nicht!
Und aus dem guten Grund ist es nicht zugelassen, weil die erwünschte Wirkung auf den Tumor nur zu Beginn (Wochen?, Monate?, nicht unbedingt Jahre!) dem Tumor die Blutversorgung abschneidet und ihn kleiner werden lässt und damit zugleich eine Verbeserung der Lebensqualität einhergeht.
Irgendwann kippt das Ganze und die Organe des Körpers werden geschädigt, eines nach dem anderen - und welches zuerst und wann und welche individuellen Wirkungen es hat, das weiß niemand.

Wenn ich lese, was Buttkeis über diesen Onkologen geschrieben hat, dann weiß ich nicht, ob er Deinem Bruder und/oder Dir überhaupt gesagt hat, welche Langzeitwirkungen Bevacizumab hat und warum es extra beantragt werden muss.

Ein weiteres Chemotherapeutikum dazu zu geben, kann richtig sein.
Aber auch hier hätte der Onkologe über diese neue Kombination umfassend aufklären müssen, wenn nicht Deinen Bruder, so wenigstens Dich.

Kann ein Onkologe wirklich davon ausgehen, dass jeder wissen muss, dass ein Glioblastom und erst recht ein Glioblastomrezidiv auch mit allen möglichen Therapien die Lebenszeit sehr stark verkürzt?
Sollte er zu der berechtigten Hoffnung, mit der er behandelt und die Euch zusteht, nicht auch immer dazu sagen, dass es nicht nur positive, sondern auch negative Wirkungen von Operationen, Bestrahlungen und vor allem Chemotherapien und deren Kombinationen gibt?

Und dann reagiert er auf die sofortige Zustandsverschlechterung noch nicht einmal nach vier Monaten!


Ich kann Deinen Bruder und Dich sehr gut verstehen, Ihr versucht alles, um sein Leben lange lebenswert zu erhalten und Ihr vertraut dem Fachmann mit seinem (vermeintlich) guten Ruf.
Und nun, nachdem es ihm im Jahr 2019 viele Monate lang so gut gegangen war, dass er sogar arbeiten konnte, hat sich sein Zustand "von jetzt auf gleich" rapide verschlechtert.
Und der Arzt, dem Ihr vertraut, ist Euch keine wirksame Hilfe mehr, er erklärt nicht einmal, was geschieht.


Diese Worte sind nur Worte.
Es ist ein verdammter Tumor.
Es wurde vieles getan, um das Leben gut zu erhalten, aber ich habe das Gefühl, dass das Ende seines Lebens näher rückt.
Das kann noch viele Monate dauern, aber in dieser Zeit sollte es Dein Bruder gut haben, verwöhnt werden, Wünsche erfüllt bekommen, Gemeinsamkeit erleben dürfen.

KaSy
KaSy
magicmerle88
05.06.2020 09:21:15
Liebe KaSy,

für Deine ausführliche Beantwortung vielen Dank. Es ist bekannt, dass Avastin kontrovers diskutiert wird. Es ist aber auch bekannt, dass viele Patienten schon lange damit therapiert werden und es ihnen damit gut geht.
Wir haben u. a. eine junge Frau bei Dr. D. kennengelernt, die seit über zwei Jahren Avastin bekommt und es geht ihr sogar sehr gut damit. In der "Mutmacherliste" berichtet ein Patient, dass sein Glioblastom durch Avastin "verschwunden" ist und er jetzt "normal" lebt. Es gibt also auch sehr viele positive Beispiele.
Und es ist richtig, dass wir über die Nebenwirkungen nicht informiert wurden. Dr. D. hat allerdings bereits im April gesagt, dass mein Bruder die Nebenwirkungen nicht in Kauf nehmen muss; trotzdem wollten wir die Therapie im April noch einmal so belassen. Und es ist richtig, dass der Zustandsverschlechterung nicht genügend Beachtung geschenkt wird.

Am Mittwoch haben wir Avastininfustions-Termin und ich werde dann ausführlich mit Dr. D. reden.

Deine Aussage "aber ich habe das Gefühl, dass das Ende seines Lebens näher rückt" möchte ich nicht so stehen lassen. Die Blutwerte meines Bruders sind gut, das Irino wird abgesetzt, sein Appetit ist gut. Es ist allgemein bekannt, dass Chemotherapien, ein richtiges Fatigue-Syndrom, einen anhaltenden schweren Erschöpfungszustand hervorrufen kann, der alle Kräfte aus einem Menschen auszusaugen scheint. Und daran möchte ich mich jetzt halten.

Liebe KaSy, sei mir bitte nicht gram, aber Dein Satz hat mich richtig geschockt. Ich finde es ist nicht richtig, persönliche Prognosen zu formulieren. Dieses Forum soll realitätsnah sein, aber auch Hoffnung schenken.
magicmerle88
KaSy
05.06.2020 10:06:19
Liebe magicmerle88,
ich verstehe Dich und möchte Dir und Euch nicht die Hoffnung nehmen.
KaSy
KaSy
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