www.hirntumorhilfe.de
Herzlich willkommen im Forum der Deutschen Hirntumorhilfe!

Thema: Medikamentöse Therapie - Nebenwirkungen

Medikamentöse Therapie - Nebenwirkungen
Rosamunde
27.11.2015 10:12:06
Hallo ihr Lieben,

ich habe hier schon fleißig viele Themen gelesen, aber mich dennoch entschlossen einmal zu schreiben, da ich noch nicht so richtig Antwort weiß, bzw. ich eure Erfahrungen im Umgang mit der medikamentösen Therapie erfragen möchte. Nun aber erst einmal zu meiner Geschichte:

Ich bin 29 Jahre alt und habe im August erfahren, dass ich ein Mikroprolaktinom habe (7 mm). Meine Gynäkologin ließ meinen Hormonstatus testen, da meine Menstruation nach Absetzen der Pille ausblieb. Milchfluss habe ich schon seit Ende meiner Pubertät. Zu seiner Zeit wurde mir aber von meiner damaligen Gyn. gesagt, dass das durchaus so sein kann, also normal ist. Also lebte ich seither mit der Annahme, dass das bei mir eben so ist. Mit den Jahren nahm dieser aber erheblich zu. Vermutlich habe ich dieses Adenom schon viele Jahre.
Meine jetzige Gyn. hat mich nach dem sehr stark erhöhtem Prolaktinwert zum MRT geschickt und mit diesem Befund zum Neurochirurgen, welcher mich nun auf Bromocriptin 2,5g eingestellt hat. Ich nehme nun 3 Tabletten am Tag. Am Anfang hatte ich mit ständigen Kopfschmerzen und Schwindel zu kämpfen. Nun geht es aber, bis auf, dass mir nach dem Essen immer leicht übel wird.
Als ich erfuhr, dass ich ein Prolaktinom habe und ich mich belesen hatte, dachte ich nun die Antwort auf meine bisherigen jahrelangen Wehwehchen gefunden zu haben. Ständig sehr müde, antriebslos, Verdauungsstörung, Stimmungsschwankungen und Raynaud-Syndrom. Ich hoffte, dass sich das mit dem Medikament bessern würde. Aber das Gegenteil ist eingetreten. Ich fühle mich noch schlechter als vorher. Kann nicht mehr auf Toilette und meine Finger "gefrieren" schon in der Wohnung. Ich werde das sicherlich bei meinem nächsten Arztbesuch ansprechen, aber wollte auf diesem Weg gern eure Erfahrungen dazu wissen.

Bis hier erst einmal. Ich freue mich auf eure Antworten.
Viele Grüße
Rosamunde
Rosamunde
Amnatou
27.11.2015 15:58:30
Liebe Rosamunde

Es tut mir leid, dass du dich auch damit rumquälen musst! wenn du dich hier im Forum schon etwas umgesehen hast, kennst du meine Erfahrungen zu den Dopaminagonisten (Cabergolin, Bromocriptin, Quinagolid) bereits.
Meine erste Frage: Warst Du bereits bei einem Endokrinologen, ist die Ursache für dein Raydaud bekannt? Für die ideale medikamentöse Einstellung und Überwachung erscheint mir weder die Gyn noch der Neurochirurge die perfekten Ansprechpartner. Trotzdem ist es sehr wichtig, dass die drei Disziplinen gut harmonieren und zusammenarbeiten.
Zu den Nebenwirkungen allgemein: Viele Prolaktinompatienten vertragen die Medikamente relativ gut. Mit der Zeit werden viele Nebenwirkungen besser oder verschwinden ganz. ABER: Dein bestehendes Raynaudsyndrom ist keine gute Voraussetzung. Die Dopaminagonisten sind Abkömmlinge von Mutterkornalkaloiden, d.h. sie können zu Durchblutungsstörungen von Händen und Füssen führen. Da du das aber mit dem Raynaud bereits hast, wird es mit diesen Medikamenten eher schlimmer als besser.

Zu meinen Erfahrungen:
Ich habe 4 Jahre Cabergolin und jeweils 1 Monat Quinagolid und Bromocriptin wegen eines erhöhten Prolaktins und Milchfluss genommen. Mein Hypophysenadenom wurde beim ersten MRT übersehen und erst über 4 Jahre später im März 2015 entdeckt. Unter den Dopaminagonisten veränderte sich meine Stressreaktion grundlegend, d.h. von total relaxed auf permanent über 2000, dies führte bei mir schlussendlich zu Depressionen, weil ich nicht mehr in der Lage war runterzufahren und abzuschalten. Nach 1 Jahren Cabergolin entwickelte ich das Raynaud-Syndrom und eine extreme Kälteempfindlichkeit (schwimmen, Schneesport, Aktivitäten draussen machten keinen Spass mehr). Von der ersten Einnahme an hatte ich Alpträume und z.T. Halluzinationen. Auch im Alltag zerfloss manchmal die Grenze zwischen Realität und Traum. Unter Antidepressiva war das Cabergolin mit Ausnahme des Raynaud-Syndrom erträglich und ganz ok.
Nach 4 Jahren machte ich auf Anraten des Endokrinologen ein Auslassversuch, doch mein Prolaktinom meldete sich zurück und wurde ja dann auch festgestellt. Als Alternative probierte ich es noch mit Bromocriptin und Quinagolid, mit ähnlichen Nebenwirkungen.
Mir blieben folgende 3 Optionen:
1.Therapie mit Dopaminagonisten und zusätzlichen Antidepressiva's für eine bessere Verträglichkeit
2. Keine Therapie, mit all den Symptomben wie Abgeschlagenheit, Lichtempfindlichkeit, Müdikeit, unkonzentriert, Brustschmerzen, Wachstumsrisiko, Kinderlosigkeit etc.
3. OP, realtiv riskant aber die Aussicht auf eine normales gesundes Leben ohne Medikamente.

Ich habe mich zur OP entschlossen, welche nun gut 3 Monate her ist und erfolgreich ohne Komplikationen (ausser einem SIADH) verlaufen ist.

Seit ich die Dopaminagonisten abgesetzt habe, habe ich mich psychisch vollständig erholt. Nach meiner OP fühle ich mich wieder wohl und befreit wie seit über 5 Jahren nicht mehr. Ich habe wieder Zukunfts und Familienpläne (ich bin 31) und ich bin einfach nur froh, dass ich diese Geschichte nun abschliessen kann. All die unspezifischen Symptome und die jahrelangen Wehwechen wie du es nennst sind verschwunden.
Das Raynaud und die Kälteempfindlichkeit sind leider nicht ganz weg, aber schon viel besser und ich hoffe dass es sich mit den Jahren normalisieren, bis dahin verwende ich auf der Skipiste weiterhin die geheizten Handschuhe.

Die OP-Entscheidung zu treffen war nicht einfach. Wenn etwas schief geht, kann es unter Umständen dann schlimmer sein als die Nebenwirkungen von den Dopaminagonisten. Deshalb habe ich alle 3 Wirkstoffe durchprobiert in der Hoffnung, dass ich einer vielleicht besser vertrage als der andere. Ich war sehr froh, dass ich auf eine 4-jährige Erfahrung unter diesen Medikamenten zurück greifen konnte und mir wirklich sicher war, dass es damit einfach nicht geht und ich mir mein Leben damit nicht mehr vorstellen kann, . Ich war an einem Punkt, wo ich bereit war, alle OP-Risiken ohne mit den Wimpern zu zucken in Kauf zu nehmen.

Ich rate dir, suche unbedingt das Gespräch mit deinem Arzt, wie gesagt, hat der Endokrinologe wohl die grösste Erfahrung mit diesen Medikamenten. Und, es kann durchaus sein, dass Du eines dieser Präparate besser verträgst als das andere. Wenn die Nebenwirkungen nicht besser werden, kann ich dir aus meiner Erfahrung nur empfehlen an eine Operation zu denken. Ich persönlich hätte mich niemals für die OP entschieden, wenn ich keine Nebenwirkunen gehabt hätte, so bekam ich aber jetzt die perfekte Lösung. Die Op war auch gar nicht so belastend, eine Kontrolle beim Zahnarzt finde ich persönlich nach wie vor schlimmer! und mein Leben normalisiert sich gerade nach über 5 Jahren.

Ich wünsche dir alles gute und auch viel Glück!
lg Amnatou
Amnatou
Harte Nuss
30.11.2015 11:19:55
Hallo Rosamunde,
auch ich hatte ein Microprolaktinom (9mm) und Milchfluss. Mein Endokrinologe hat auch lange nach dem richtigen Medikament gesucht was ich vertragen habe und den Milchfluss gestoppt hat. Ich habe zum Schluss nur Pravidel (das Original) vertragen, die KK hat es zum Schluss dann auch eingesehen. Ich habe es dann 11 Jahre genommen bin regelmäßig ins MRT geschickt worden. Jetzt ist es noch 5mm groß macht aber keine Beschwerden mehr und wächst auch nicht mehr. Der Endokrinolage ist glaube ich der richtige Ansprechpartner.
LG von der harten Nuss
Harte Nuss
Rosamunde
01.12.2015 08:25:11
Hallo Amnatou und "harte Nuss",

vielen lieben Dank für eure Nachrichten. Man zweifelt ja schon an sich selbst, ob man zu empfindlich ist. Jahrelang fühlt man sich nicht mehr richtig wohl. Der Austausch eurer Erfahrungen tut gut. Andere haben auch die Probleme...man bildet sich also nicht alles nur ein.
Im Januar werden wieder meine Blutwerte bestimmt, da bin ich gespannt, ob ich den Normalwerten einen kleinen Schritt näher bin, ob sich was getan hat. Wie gesagt, ich bin so gut wie 30 Jahre alt und hege natürlich auch einen Familienwunsch. Wenn man so liest, kann das Wochen, Monate oder gar Jahre dauern, bis das Prolaktin auf einen Normwert ist, um auch wieder fruchtbar zu sein. Im Zweifel bleibt dann nur eine OP.
@Amnatou, wie groß war dein Prolaktinom? Mein Neurochirurg sprach, dass eine OP nicht in Frage käme, da ich nur ein Mikroadenom habe - 7mm - und man nur bei größeren Adenomen, bzw. bei Symptomen wie Kopfschmerzen oder Sehbeeinträchtigungen operiert.

LG Rosamunde
Rosamunde
Amnatou
01.12.2015 15:38:02
Hallo Rosamunde

Mein Prolaktinom war 2,5x3mm klein, bei der OP wurde sogar noch ein Zweites gefunden, wahrscheinlich noch kleiner...
Ich hätte auch niemals erwartet, dass eine OP bei so einem kleinen Tumor möglich wäre und das Risiko/Nutzverhältnis vertretbar ist! Ich war im letzten April ohne Erwartungen zur Besprechung beim Neurochirurgen und war total überrascht als er mir sachlich erklät hat, dass bei meinen Nebenwirkungen auf die Dopaminagonisten eine OP-Indikation ernsthaft gegeben ist und das es keine Aktion wie 'mit Kanonen auf Spatzen schiessen' wäre...
Mein Kinderwunsch war für mich ein wichtiger Faktro für die OP. Denn ohne Behandlung hatte ich keine Lebensqualität und war unfruchtbar und mit den Medikamenten war ich ja auf Antidepressiva angewiesen, und so wollte ich nicht Mutter werden.
Jetzt nach der OP ist mein Prolaktinwert normal und nach 3 Monaten so ganz ein bisschen spüre ich wieder einen Zyklus.
Folgender Link von der Neurochirurgie Tübingen könnte für Dich noch interessant sein. Diese kurze Äusserung zum Operationsergebnis beim Microprolaktinom war für mich sehr wichtig, dass ich in dieser Situation nicht die einzigie bin, die über eine OP nachdenkt..
http://www.neurochirurgie-tuebingen.de/website/index.php?article_id=297&clang=0
Unter Cabergolin ist mein Prolaktinwert innerhalb 3 Monate gesunken und der Zyklus hat sich ebenso schnell normalisiert. Gleichzeitig mit dem Auslassversuch blieb auch meine Regel aus, Die Pause war 4 Monate und nach je 1 Monat Quinagolid und 1 Monat Bromocriptin war der Prolaktinwert gesunken aber noch immer deutlich über dem Grenzwert und kein Zyklus vorhanden. Diese beiden Wirkstoffe waren bei mir also weniger effizient.

lg Amnatou
Amnatou
Rosamunde
02.12.2015 08:40:47
Hallo Amnatou,

vielen Dank für die Zeit, die du dir nimmst um mir zu antworten. Deine Antwort hat mir sehr weitergeholfen.
Ich werde nun die nächste Blutuntersuchung abwarten und je nach dem eine OP-Möglichkeit ansprechen. Gerade habe ich wieder gelesen, dass man eine OP nur bei Resistenz gegen Dopamin-Antagonisten in Erwägung ziehen würde. Ich fühle mich total verunsichert.

LG Rosamunde
Rosamunde
Amnatou
02.12.2015 10:16:35
Hallo Rosamunde
ich war auch sehr froh um die Erfahrungen/Ratschläge von anderen Betroffenen. Deine Verunsicherung kennen wir wohl alle hier. Am Ende geht es um Dich und Deinen Körper und die Entscheidung welche Therapieform nun die Beste für dich ist liegt bei dir. Alle Risiken und Nebenwirkungen trägst zum Schluss du alleine. deshalb ist es wichtig, dass deine Ärzte dich ernst nehmen. Sie leiden nicht darunter und dir bringt es nichts, wenn deine Erkrankung auf Milchfluss und einen ausbleibenden Zyklus reduziert wird. Bei meinen Recherchen sind immer wieder 2 Gründe zur Op-Indikation genannt worden. Primär immer die Therapie mit Dopaminagonisten, was ja auch sehr sinnvoll ist und bei schlechtem Ansprechen oder bei einer Unverträglichkeit evtl die Op. Ich weiss nicht, ob es 'Richtlinien' gibt, wie lange du Dopaminagonisten nehmen und ausprobieren musst, bis eine Op wegen einer Resistenz oder Unverträglichkeit 'gerechtfertigt' ist. Ich hatte ja schon eine 4jährige Cabergolingeschichte hinter mir und bei all den Nebenwirkungen war die Zeit kein Thema mehr. Ich weiss auch nicht, ob ich mich früher hätte operieren lassen wenn ich von Beginn an von meinem Adenom gewusst hätte... Ebenfalls weiss ich nicht, was ich hier schreiben würde wenn bei der Op etwas schief gegangen wäre... ich wünsche Dir viel Glück!
lg amnatou
Amnatou
NACH OBEN