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Thema: Mein Mann spricht nicht

Mein Mann spricht nicht
Heide
30.09.2013 23:11:01
Bin schon ein paar Wochen stiller Gast im Forum, benötige jetzt einmal euren Rat.
Mein Mann, Glioblastom IV Erstdiagnose Sept.2011, OP (Tumor "vollständig" entfernt), Strahlen- und Chemotherapie (Temodal), Rezidiv Febr. 2012, OP (Resttumor bleibt), Chemo (Temodal) bis Aug. 2012, Tumor wieder gewachsen, keine Therapie mehr, redet nicht. Er hat noch nie viel gesprochen, aber mittlerweile ist es so, dass er außer "ja" und "nein" kaum noch etwas sagt. Auch auf Fragen reagiert er kaum.
Hat jemand einen Tipp, wie ich ihn zum Reden bringen kann? Bin völlig hilflos.
Gruß
Heide
Heide
mona
01.10.2013 07:34:10
Hallo und Willkommen,
man kann Ärzte fragen was für Therapien(Logopädie oder Ergotherapie) und ob diese was nützen könnten,kann aber auch leider die Nebenwirkung von Chemo sein.
LG mona
mona
sunnyneun
01.10.2013 08:29:56
Hallo Heide,

die Phsyche ist bei den meisten Männern schon so eine Sache. Sie wollen ja schliesslich immer stark und für uns Frauen da sein. Vielen fällt es daher schwer Schwäche und Angst zu zeigen. Ausserdem geht jeder mit der Situation anders um, die einen reden viel und die anderen schweigen halt.
Sei einfach für ihn da, so wie er es braucht. Zeig ihm, dass du zu und hinter ihm stehst, oft sagen Gesten mehr als Worte.
Setz ihn nicht unter Druck und er fängt vielleicht schon bald von alleine an zu reden.

Ich drück die Daumen und denk an euch.
LG
sunnyneun
Dr. Orchidee
01.10.2013 10:13:31
Liebe Heide,
kann alles nur wiederholen, was sunnyneun schreibt; es ist ein Lernprozess für die Angehörigen.
Sei für ihn da und nimm jeden Druck raus. Einfach non-verbale Kommunikation: in den Arm nehmen, Lieblingsessen, an dem was er macht teilhaben.
Nimm ihn so wie er ist, man muss nicht reden um Gefühle auszudrücken.
Viele Grüße,
Orchidee
Dr. Orchidee
gramyo
01.10.2013 10:24:23
Liebe Heide,

zuerst fühle dich auch hier im Forum herzlich willkommen. Es kann dir eine große Hilfe werden, sowohl in seelischer Hinsicht aus auch fachlich.

Ich denke das sunnyneun schon vieles gesagt hat, was ich dir auch empfehlen würde. Gerade die Gesten sind häufig von größerer Bedeutung wie Worte. Eine Umarmung, die Hand halten und streicheln, auch zusammen weinen, kann hilfreich und tröstend sein.

Jetzt komme ich aber zum medizinischen Teil . Selbst wenn der Tumor nach der Rezidiv OP gewachsen ist und nicht mehr auf das Temodal anspricht, kommt es eigentlich zu einem Wechsel in der Chemo oder Avastin ist angesagt.

Wenn ihr es allerdings nicht wolltet , ist das eine völlig andere Situation .
Auch möchte ich euch ermutigen, etwas komplementär zu unternehmen, auf jeden Fall seine Immunabwehr zu stärken.

Bitte , beantworte doch die Fragen, dann kann man dich besser unterstützen. Für dich empfehle ich neben dem schreiben hier im Forum eine Unterstützung in einer Selbsthilfegruppe für Krebs Erkrankte und Angehörige zu suchen oder eine psychoonkologische Therapie , die ihm auch vielleicht weiter hilft.

Liebe Grüße und gedanklich schicke ich dir viel Kraft und Energie, damit du diese schwere Zeit durchstehst

Gramyo und ihr Mann,
der in ihrem Herzen und Leben
einen wunderschönen Platz einnimmt
gramyo
Sonnensommer
01.10.2013 13:56:46
Liebe Heide,
viel ergänzen zum bereits gesagten kann ich nicht. Nur viellleicht noch ein Gedanke: durch sein Schweigen hast Du vielleicht das Gefühl, in der Situation allein gelassen zu sein. Vielleicht hat sich in Euren gemeinsamen Jahren ein Kanal als besonders wirksam erwiesen, über den Du ihn erreicht hast, ein Thema, das immer zu Gesprächen führte? Da gibt es ja bei jedem von uns so eine Aufgabe, einen Gegenstand, den wir uns zu eigen machen. Und auf den wir dann "anspringen". Vielleicht kann aus einer guten Gesprächsstimmung über dieses Thema auch eine Frage von Dir an ihn herangetragen werden.
Leider trägt die Diagnose auch zum Entstehen depressiver Gedanken bei. Das muß nicht zusätzlich sein! Sollte Dein Mann allgemein interesselos sein, such Dir Verbündete - Familienmitglieder, Freunde, professionelle Helfer. Hier dieses Forum ist ja schon mal ein Anfang. Die Angehörigen tragen ja nun leider im Hauptteil alle Last mit, das macht es für uns Betroffene nicht leichter. Wenn das jemand durchschaut, mag es erst recht zum Verstummen beitragen. Der geliebten Person Einblick in die eigene Verfassung zu zumuten, wo man sie ja nun schon im Stich lassen muß kann für empfindsame Menschen ein Problem werden. Andere Naturen fühlen sich überfordert, Worte zu finden, für das was sie bewegt.
Dies zum Ausgleich, fallls Du Dich allein gelassen fühlst.
Auch Dir den Rat für Dich: definiere die Stützen Deines Lebenshauses - und pflege sie. Das ist kein Egoismus, aber wenn man zu zweit einen Karren zieht, kann man bei der Schwäche des Einen nur weiter voran kommen, wenn man seine Kräfte dennoch gut einteilt...
Mit den Wünschen nach einer gut erlebten Zeit für Euch beide
Sonnensommer
Sonnensommer
Erich
01.10.2013 14:27:11
Liebe Heide,

mir sind noch einige Dinge unklar, so dass ich nicht realistisch einschätzen kann, worin sein Schweigen begründet liegt. Ihr habt in nicht einmal einem Jahr einschneidende Schicksalsschläge verkraften müssen, die Euer Leben auf den Kopf gestellt haben. Erstdiagnose, OP, Bestrahlung, Chemo - kurzes Aufatmen, da der Tumor "komplett" entfernt werden konnte. Rückschlag: Bereits nach fünf Monaten ein Rezidiv und ein neuer Eingriff ist erforderlich. Nächster Rückschlag: ein Tumorrest. Weiterbehandlung mit Temodal. Nächster Tiefschlag nach sechs Monaten: Der Tumor wächst wieder! - In elf Monaten habt Ihr nicht einmal Zeit zum Luft holen gehabt, geschweige denn Euch mit der Krankheit in Ruhe auseinandersetzen können: Ihr musstet immer nur reagieren, Ängste, Panik, kurze Hoffnung, nächster "Einschlag", schlimme Lebensperspektive, Hilflosigkeit... Im besten Fall seid Ihr von Ärzten, Eurer Familie oder Freunden liebevoll begleitet worden, bei vielen von uns Betroffenen war nicht einmal das der Fall. Ihr habt dann entschieden oder Dein Mann oder Eure Ärzte (???), dass die Therapie abgebrochen wird. In der Folge spricht Dein Mann nur noch das Nötigste. Eine naheliegende und nachvollziehbare Erklärung ist, dass er sich in sein Schicksal ergeben hat, nachdem er miterleben musste, dass keine Therapie hilft. Andere Möglichkeiten sind, dass er nach zwei OP, Bestrahlung und Chemos schlicht keine Kraft mehr hat, er geistig und/oder körperlich beeinträchtigt ist oder er seelisch in ein tiefes, dunkles Loch gestürzt ist. Am wahrscheinlichsten ist sogar eine Kombination schlechter Möglichkeiten, aber das ist reine Spekulation. In jedem Fall ist Hilfe von außen geboten, und die vorherigen Beiträge haben ja bereits sinnvolle Anregungen gegeben. - Was hat zu der Entscheidung im August 2012 geführt, Therapien abzubrechen? Wie seid Ihr damit umgegangen? Wer hat Euch beigestanden, Euch beraten, Euch unterstützt? Wie ist Euer Leben im letzten Jahr verlaufen? Wächst der Tumor weiter? Ist Dein Mann in ärztlicher Behandlung? - Es wäre schön, wenn wir mehr erfahren würden, schreibe doch bitte noch einmal! Im Forum bist Du in jedem Fall gut aufgehoben!
Erich
Heide
01.10.2013 14:31:49
Vielen Dank für eure Antworten. Kann schon mal sagen, dass ich mich eigentlich nicht allein gelassen fühle. Es ist nur so, dass ich gern seine Befindlichkeiten, wie immer die auch aussehen, kennen möchte, um ihn besser verstehen zu können und vielleicht auch besser auf ihn eingehen zu können und das bei ganz banalen Dingen im Alltag. Eigentlich ist es so, dass ich erkennen "muss", was gerade angesagt ist: Glas auf dem Tisch hin und her schieben bedeutet, dass er Durst hat. Er kann sprechen und mich darum bitten, aber er tut es nicht. Aber vielleicht habt ihr Recht und ich muss meine "Ansprüche" bzgl. Konversation noch deutlich herunterschrauben.

Zu Gramyo: Es kam zu keinem Wechsel in der Chemo. Es hieß, er sei austherapiert und es gäbe keine Möglickeit mehr, ihm zu helfen. Von Avastin habe ich hier im Forum zuerst gelesen.
Seit November sind wir in Behandlung bei einer Heilprakterin, die auch schon Erfolge erzielt hat: So war im letzten MRT (Juni) der Tumor ein klein wenig kleiner als im August.
Heide
Welle2013
01.10.2013 14:36:33
Liebe Heide,
Deine Verzweiflung kann ich verstehen. Auch mein Mann reagiert nicht mehr bzw. spricht nur noch das Nötigste und auf direkte Fragen. Die Antworten sind kurz und wirken eher "beantwortend" als "unterhaltend". Manchmal erinnert mich mein Mann an einen Demenz-Erkrankten und ich hoffe dann, daß ich mir das einbilde. Er schaut mich an wie durch einen langen Tunnel, aber ich kann die Gedanken nicht lesen, die hinter dem Tunnel geschrieben stehen. Es macht mich hilflos und fassungslos, weil wir auch seit der Diagnose nur kurz über seine Erkrankung sprechen konnten. Es ging so schnell und jetzt kann er meinen Fragen nicht mehr folgen und sagt nur immer, wenn überhaupt, "weiß ich jetzt nicht". Die Ärzte haben mich letztens nach einer Patientenverfügung gefragt. Er hat keine gemacht. Jetzt denke ich einfach nicht darüber nach, weil ich sonst überlegen müßte, welche Situationen kommen könnten, die durch solch eine Verfügung geregelt würden. Die Ärzte geben mir hier auch keine Auskünfte, sondern ziehen sich darauf zurück, daß dies und das und eigentlich nichts vorhersehbar sei....So gerne würde ich mit ihm "wirklich reden"...
Welle2013
Heide
01.10.2013 15:22:22
Liebe Welle 2013, du hast es viel besser formuliert als ich, aber so ähnlich geht es mir auch. Allerdings denke ich, dass mein Mann meinen Fragen noch folgen kann, aber wie lange noch?
LG Heide
Heide
Welle2013
01.10.2013 15:49:16
Liebe Heide,
gerade habe ich in der Zwischenzeit im Forum gelesen. Es ist wirklich wahnsinnig, welche schwierigen Situationen alle hier meistern müssen: Ein Betroffener, der sich sorgt, selbstsüchtig zu handeln, wenn er eine Patientenverfügung aufgesetzt hat (NEIN, das finde ich so schön, weil es eine Willensbekundung ist!). Eine Angehörige, die Sorge hat, eine "falsche" Entscheidung getroffen zu haben, weil sie eine Theraphie beendet hat, deren Exsistenz ich bis eben noch nicht kannte. Eine Auseinandersetzung über B17, was ich bis eben auch noch nicht kannte. Und ich denke nur: Ich möchte mit ihm darüber reden.
(Mein Mann wird bald bestrahlt. Er kann sich nicht äußern dazu. Ich bin dagegen. Seine Mutter wünscht es sich.) Warum ist das Leben so? Warum weiß ich nichts? Warum habe die Ärzte mir nicht gesagt, was vor uns liegt? Wir hätte die Zeit nutzen können! Und dann denke ich: Gleich kommt er einfach zur Wohnungstür herein, seine Laptop-Tasche auf der Schulter, begrüßt er seine zwei Mädels und ich bekomme einen Kuss... Nein, ein wie lange noch, kann ich nicht beantworten. Aber gehe von sehr wenig Zeit aus! Dann machst Du nur plus. Auf morgen vertagen würde ich nichts mehr. ...LG zurück, W.
Welle2013
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