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Sari

Hallo ihr,

Ich hab mal wieder eine Frage die mich beschäftigt.

Gibt es Erfahrungen mit beruflichem Stress, zu viel arbeiten und Tumorwachstum ??

Ich hab gemerkt das mir das viele Arbeiten und Überstunden garnicht gut tun und ich in ein Burnout geraten bin.

MEINE Überlegung ist, das sich Stress im Beruf vielleicht auch auf Entstehung oder wachstum eines Tumors auswirken kann.

Mir ist geraten worden in der Rehaklinik, zukünftig NUR noch 6 Std höchstens am Tag zu arbeiten ( statt 9 ) ! Und wenns Geldmässig nicht reicht, eine erwerbsminderungsrente zu beantragen.

Wer kann mir dies bezüglich von eigenen Erfahrungen Berichten ?! Oder wie ist es euch wenn ihr Stunden reduziert habt danach emotional gegangen ?? Nicht mehr sooo Leistungsfähig zu sein wie früher !

VG Sari

Xelya

Hallo Sari,

ich glaube, ein eindeutiger Zusammenhand zwischen Stress und Tumorwachstum ist nicht belegt. Mir hat aber mal ein Neurochirurg gesagt, dass Stress das Immunsystem belastet und daher in jedem Fall schadet, auch wenn er vielleicht nur indirekt und nicht direkt auf den Tumor einwirkt.

Ich habe zeitweilig gedacht, ich vertrage weniger Stress und habe dann aber festgestellt, dass das so nicht stimmt. Es ist eher so, dass ich keinen Stress mehr will und daher empfinde ich zu arbeitsreiche Zeiten als negativ. Weil es mein Leben zu sehr beeinträchtigt und mir zu wenig Zeit für mich bleibt.

In irgendeinem Vortrag während meiner AHB vor ein paar Jahren wurde gesagt, dass Arbeitsbelastungen nicht immer Stress sind, sondern es auf das individuelle Empfinden ankommt. Empfinde ich sehr viel Arbeit als negativ und stressig, dann sind die Auswirkungen andere als wenn ich es als positiven "Stress" empfinde.

Ich bin selbständig und habe immer mal wieder Zeiten, in denen ich sehr viel oder auch mal weniger arbeite. Emotional liebe ich die Zeiten von weniger Arbeit, weil mein Lebensgefühl dann noch positiver ist als ohnehin schon. Wenn das Geld ausreicht, würde ich auch ohne Erkrankung weniger arbeiten wollen.

Leider habe ich vier Meningeome gebraucht, um das zu kapieren ;-)

Alles Liebe
Xelya

KaSy

Liebe Sari,
wenn sehr viel Arbeit und sehr viel Stress zum Entstehen oder zum Wachstum von Tumoren (jeglicher Art) führen würden, dann gäbe es deutlich mehr Tumor-Erkrankte.

In Deutschland erkranken etwa 770 von 100.000 Menschen pro Jahr an Krebs.
Davon sind etwa 5 Personen von Glioblastomen und 5 Personen von Meningeomen betroffen. Hirntumoren kommen also sehr selten vor und die Anzahl der Neuerkrankungen ist über Jahrzehnte ziemlich stabil.

Eine Hirntumor-OP ist für den Betroffenen sehr belastend und die Wiederherstellung der Gesundheit und Belastbarkeit "wie vorher" ist sehr unterschiedlich.

Wenige arbeiten nach wenigen Wochen wieder voll, einige benötigen Monate bis zur vollen Arbeitsfähigkeit, andere müssen ihre Berufstätigkeit völlig beenden.

Das hängt von derart vielen Faktoren ab, die den Tumor und die Person selbst betreffen, dass keine allgemeingültige Aussage möglich ist.

Sportliche Aktivitäten, die ja auch belasten, werden von allen Ärzten (je nach dem aktuellen Zustand) sehr angeraten, auch während einer Strahlen- und/oder Chemotherapie.

Ich selbst war nach meiner ersten Meningeom-OP 6 Monate zu Hause, habe mich 6 Monate schrittweise wieder eingearbeitet, arbeitete dann voll, war aber erst etwa 2 Jahre nach der OP wieder "so wie vor der OP".

Nach der 2. OP + Bestrahlung blieb ich ab der OP 9 Monate zu Hause, arbeitete mich 6 Monate ein und konnte nach insgesamt 2 Jahren fast so viel leisten wie zuvor.

Die 3. OP führte vor allem zu einer psychischen hohen Belastung, dennoch arbeitete ich, aber da war es wohl bereits "zu viel des Guten".

Nach der 4. OP + Bestrahlung musste ich aus meinem geliebten Beruf aussteigen und litt fürchterlich!

Ich versuchte es immer mal und stieß belastungsmäßig an meine Grenzen.
Es wurde aber besser, ich wurde belastbarer, übernahm zwei Ehrenämter, fuhr mit dem Auto zweimal im Jahr zu den Hirntumorinformationstagen.
Mir gelang damit der Ausgleich zur nicht mehr möglichen Arbeit.

4 Jahre nach dieser OP ging es mir gut, nach 4,5 Jahren besser und nach 5 Jahren fühlte ich mich glücklich und "topfit" für das, was ich noch leisten konnte.


Solange ich arbeiten konnte, war ich glücklich, weil ich es noch und wieder konnte. Außerdem hat diese Erkrankung mein Leben insofern geändert, dass ich in meinem Beruf einiges viel besser konnte als meine Kollegen. Durch diese erworbene Besonderheit fühlte ich mich sehr gebraucht, mehr als zuvor.
Dadurch war für mich die ungeahnte abrupte Beendigung meines Berufslebens besonders extrem. Ich hatte ja die Erfahrung gemacht, dass es immer wieder funktioniert hat, dass ich einiges sogar besser schaffte und habe die Hoffnung zu lange nicht aufgegeben, wieder anfangen zu können.
Es mir einzugestehen, dass das gar nicht mehr möglich ist, war eine einschneidende Erkenntnis.

KaSy

PS: Xelya schrieb, dass man Stress positiv oder negativ empfinden kann.
Ich habe meine Arbeit fast immer als positiven "Stress" wahrgenommen. Womöglich fiel mir deshalb die Reduzierung der Stunden leichter, aber der völlige Ausstieg aus dem Beruf ließ mich in ein tiefes Loch fallen, aus dem erst nach und nach herauskam und ein "neues Leben" entdeckte.

Mego13

Liebe Sari,

bei der Diagnose wurde mir durch die Neurologen und Neurochirurgen ganz klar gesagt, dass niemand von den Experten eindeutig sagen kann, warum Hirntumore entstehen und durch welchen Lebensstil man sie vermeiden könnte. Es gibt wohl eine Untersuchung, ob Saugglocken- und Zangengeburt Hirntumor begünstigen: https://www.faz.net/aktuell/wissen/medizin-ernaehrung/hirntumore-und-nervenschaeden-nach-saugglockengeburten-16119961.html
Ich war eine Saugglockengeburt und der Tumor hat sich wohl auch schon in meiner Kindheit entwickelt, aber das Nachdenken darüber hat sich letztlich nicht positiv auf meine Psyche ausgewirkt.

In meiner Selbständigkeit hatte ich immer viel Stress, den ich aber fast immer positiv empfunden habe. Ich hoffe auch sehr, dass ich in meinen Beruf zurückkehren kann. Die Ärzte sehen darin auch keine Problematik oder raten wegen des Tumors davon ab. Gerade, dass ich zur Zeit wegen der Chemotherapie nicht arbeiten kann, empfinde ich als sehr negativen Stress. Ähnlich wie Kasy es beschreibt.

Das Einzige wozu meine Ärzte raten ist:
a) Proteinreiche Mischkost essen
b) Ausreichend Bewegung und Sport in den Alltag integrieren
c) Genug Schlaf finden

Die Psychoonkologin ergänzt regelmäßig:
d) Schöne Dinge erleben und mich mit angenehmen Menschen umgeben

Das bedeutet aber auch, dass ich auch später - falls ich hoffentlich wieder arbeiten kann - genug Zeit finden möchte für die genannten Aspekte.

Wäre der Weg, den man Dir in der Reha vorgeschlagen hat, für Dich denk- und umsetzbar. Es scheint mir so, dass Du den Arbeitsstress eher mit negativen Assoziationen verbindest und vielleicht wäre dann eine Reduktion doch hilfreich. Nicht im Hinblick auf den Tumor, sondern weil ich denke, dass wir es uns alle hier verdient haben, schöne Momente zu genießen.

LG
Mego

Efeu

Liebe Sari,

für mich war die OP, wie mit Höchstgeschwindigkeit an die Wand fahren. Vor der OP hiess es: Frau XY, in 4 Monaten arbeiten Sie wieder. Ich hatte die stellvertretende Geschäftsleitung einer Institution übernommen, war mitten drin in eine Umstrukturierung, neue Konzepte, weitere Mitarbeiter aquirieren, wir wurden immer gefragter. Meine Kinder waren aus dem Haus, eeendlich konnte ich nochmal so richtig loslegen. Es hat mir so Spass gemacht, ich hab meinen Beruf immer geliebt, es war sprichwörtlich Berufung, einfach "mein Ding".

Was soll ich sagen: Ich kam nie wieder auf die Füsse, ich wurde zu 100% berentet, in allen Ländern, in denen ich gearbeitet habe. Damit einen Weg zu finden war Schwerstarbeit, und auch jetzt, nach fast 5 Jahren, gibt es noch Momente, wo mich die Sehnsucht packt, die Verzweiflung, dieses "ich würd sooo gerne, ich hab doch noch was im Kopf".....
Ich hab mir einen Psychotherapeuten gesucht, der mir auch bei diesem Thema geholfen hat, meinen!!!! Weg damit zu finden, den Frieden damit zu finden.
Ich war immer eher leistungsorientiert. Mich nun nicht mehr darüber zu orientieren - ein weiter Weg.
Neue Lebensinhalte, im Rahmen meiner Möglichkeiten, welche langsam aber stetig weniger werden.
Mich immer wieder aufrappeln, und egal wie schlecht es mir geht, und dann um so bewusster: Auf das Andere zu schauen, was auch und immer da ist, das Schöne im Kleinen, die Natur, was weiss ich.

In allem ist ja auch eine Chance. Für mich: In der Langsamkeit und Einsamkeit, die ich brauche, weil ich kognitiv kaum mehr mit Umweltreizen umgehen kann, erlebe ich intensiver, deutlicher.
Ich habe Muse, und Zeit zum Nachdenken.

Da ich alleinerziehend mit 4 Kindern war die meiste Zeit, musste Manches zurückstehen, wofür ich jetzt Zeit habe.

Ich kann immer sagen: Das Glas ist halb leer - oder, es ist halb voll.
Ich kann sagen: Ich würde so gerne ein Buch lesen, kann ich aber nicht mehr. Ich kann aber auch sagen: Ich kann in aller Ruhe Plätzchen backen, was für ein Genuss. Einen Ausflug mit einem meiner Pferde machen, meinen Garten pflegen....

LG Efeu

der Meister

Hallo Sari,
ich war auch immer unter Vollgas im Job.
Ende 2017 war ich total ausgelaugt und dachte an ein Burnout.
Bis der Hausarzt meiner Frau mich zu einem CT schickte und der Tumor erkannt wurde.
Nach der OP sagte der NC, der Hausarzt und meine Frau ich solle in Frührente gehen.
Das wollte ich damals aber nicht hören, da mir mein Job Spass machte.

Dann kam die Wiedereingliederung und es ging so einigermaßen, jedoch habe ich im Anschluss auf 4 Tage zu 8 Stunden reduziert.
Ich musste dann aber nach 3 Monaten feststellen, dass es nicht mehr geht und habe einen Aufhebungsvertrag unterschrieben.

Bin heute in Rente, zugegeben am Anfang habe ich meine Arbeit vermisst.

Heute genieße ich das Leben, mit etwas weniger Geld, aber mit viel mehr Lebensqualität.

Gerne kannst Du in meinem Profil weiteres nachlesen.

Arbeit ist nicht alles, wenn Du mit etwas weniger Geld auch zurecht kommst ist das eine Überlegung wert.
Dir alles Gute ...


Gruß Klaus

Sari

Hallo euch allen,

Vielen lieben Dank für eure Antworten!!!
Mir macht meine Arbeit auch viel Freude und ich habe immer geliebt mit Menschen zu Arbeiten , ich habe immer sehr gern gearbeitet und sie auch als Positiv empfunden.
Aber mittlerweile bin ich abends immer vollkommen erschöpft und ausgelaugt das ich kaum noch zu irgendwas in der Lage bin und Freizeitmässig kaum noch etwas machen konnte. DAS hängt vermutlich aber auch mit meiner Schwerhörigkeit zusammen. Ich MUSS mich den ganzen Tag auf Kommunikation und Lippenlesen Konzentrieren und das Strengt doch sehr an.

Heute habe ich ein Gespräch mit meiner Chefin .
Ich werd eh erst ab April wieder mit Wiedereingliederung einsteigen können.
Und ja, es geht um Lebensqualität wie ihr so treffend berichtet und zu sehen, das weniger auch gut sein kann. Und Grenzen zu setzen auch mit Klarheit zu tun hat.
Ich bemerke auch das ich nach der Diagnose und dem ersten Loch in das ich gefallen bin danach das Leben Intensiver wahrbehme und mich auch an kleinen Dingen erfreuen kann.

In 3 Tagen ist erstmal die Gebärmuttertumor OP mit Komplettentfernung. Da hab ich schon Angst vor.
Aber jede OP ist aufregend vorher;-)
Ich hab gut für mich gesorgt und mich Samstag und Sonntag verabredet um nicht allein zu sein !!

Viele Grüsse Sari

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