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JaneJacobs

Ihr Lieben,
ich lese seit der Diagnose Menigeom (re hochpartietal, Durchmesser im März 1,7cm) immer wieder im Forum. Nun muss ich doch einmal selbst schreiben, denn ich soll bald operiert werden.

Mir steigt das alles über den Kopf.

Ich bin 30, bin Ingenieurin und habe eine kleine wunderbare Tochter (noch nicht ganz 2 Jahre alt).

Vor 6 Jahren hatte ich einen Radunfall und habe mir einen Schädelbasisbruch zugezogen. Ich hatte großes Glück – und habe das Ganze (körperlich) innerhalb von ein paar Monaten überstanden. Von dem großen Glück, überlebt zu haben ist meine Stimmung gekippt – nach oben! Ich erlebte zum ersten Mal eine Hypomanie (die leichte, etwas sozialverträglichere Form der Manie, das war mir damals aber noch nicht klar, ich dachte einfach, ich sei sehr sehr energiegeladen und froh).

Nach Monaten der Hochstimmung kam dann die erste schwere Depression. Gottseidank bin ich rechtzeitig in eine Klinik gekommen und konnte mich langsam wieder aufrappeln.

Nur leider wieder zu sehr, denn das von den Ärzten dort verschriebene Antidepressivum katapultierte mich nun wieder hoch, in eine Manie. Die erste richtige Manie. Bis 5 Uhr wach sein, denken, basteln, schreiben, malen – kreativ sein. Pläne schmieden, Action, Action, Action. Ich bin spontan und ungefragt mit dem Auto meiner Eltern in verschiedene Nachbarländer gefahren – für Wochen. Über etwa 4 Monate habe ich kaum geschlafen, unfassbare Dinge erlebt und selbst getan. Manie ist ein unglaublicher Zustand. Großartig und unfassbar zerstörerisch. Quasi körpereigenes Kokain. Man fühlt sich wie auserwählt, als etwas ganz Besonderes – dazu kommen phasenweise Aggression, Reizbarkeit. Man wird arrogant und überheblich – fast alle Angehörigen und engen Freunde waren mir plötzlich zu langsam, konnten meine grandiosen Ideen nicht nachvollziehen und erschienen mir nicht mehr passend zu meinem neuen Leben. Ich stritt mich, ich beendete eine Beziehung… Die Manie hinterließ einen Scherbenhaufen. Mein Konto (komplett leergeräumt) und mein Körper völlig am Ende ohne Schlaf und mit zu wenig essen.

Es gab im folgenden Jahr noch eine weitere Depressive und eine Manische Episode.

Nun bin ich seit etwa 4 Jahre endlich STABIL - gut medikamentös eingestellt, seit Jahren bei einer großartigen Therapeutin und durch meine kleine Familie zusätzlich geerdet.

Ich habe es geschafft, nach etwa 2 Jahren Pause durch meine aktiven Erkrankungsphasen mein Studium doch noch abzuschließen und arbeite nun als Ingenieurin auf einer halben Stelle. Den Rest des Tages betreue ich meine Tochter.

Sie schläft noch nicht durch, dh. oft schlafe ich schlecht und erlebte es in den letzten Monaten schon als Grenzerfahrung, Familie, Arbeit und die Selbstfürsorge wegen meiner Erkrankung (um um jeden Preis weitere Episoden zu verhindern) unter einen Hut zu bringen.

Durch Corona fällt seit einem Jahr das Einkommen meines Mannes zum Großteil aus, der seinen kleinen Laden über weite Teile des letzten Jahres schließen musste. Zusätzlicher Druck.

Trotzdem. Ich war, ich bin stabil. Ich versorge meine Familie, ich kümmere mich um meine süsse Tochter und bekomme Hilfe von meinen Eltern, um ab und zu etwas für mich machen zu können.

Nun war ich im März beim MRT zur Kontrolle des Meningeoms und mir wurde eröffnet, dass das, was letztes Jahr als Zufallsbefund entdeckt wurde („Wenn‘s nicht wächst, kanns drin bleiben, nur die Ruhe“) nun doch gewachsen ist. Und dass ich wahrscheinlich im Herbst/Winter 2021 operiert werden muss. Der genaue Zeitpunkt wird sich nach dem nächsten Kontroll MRT im Juni ergeben.

Und ich muss sagen. Ich kann einfach nicht mehr.

Ich habe das Gefühl die mühsam aufgebaute Stabilität entgleitet mir komplett. Ich habe Angst, über 2,3 Wochen von meiner kleinen Tochter getrennt zu sein, wenn wegen Corona niemand ins KH darf…

Ich habe Angst vor Komplikationen, vor Nebenwirkungen, Spätfolgen, Verlust von Gedächtnis, Persönlichkeitsveränderungen – aber auch einfach davor, dass die OP und die Vorbereitungen und Nachsorge solch einen seelischen Stress erzeugen, dass ich wieder krank werde.

Eine Manie oder schwere Depression jetzt mit Kind will ich um jeden Preis verhindern.

Ich weiß, die Chancen stehen gut. Und höchstwahrscheinlich wird nichts von dem oben Genannten passieren. Ich werde es überleben und ich werde vielleicht sogar nie wieder Probleme mit Meningeomen haben, wenn sie es ganz herausbekommen.

Aber seit der OP-Ankündigung habe ich immer wieder so Momente der totalen Überforderung und Trauer. Vor allem bei positiven Erlebnissen. Wenn meine Tochter und mein Mann sich käbbeln und sie kreischt und lacht… Da könnte ich einfach nur sofort losheulen, weil ich so Angst habe, das alles zu verlieren. Ihm geht es glaube ich auch so.

Ich weiß, ihr seid alle keine PsychologInnen (und ich habe eine ganz tolle). Aber irgendwie wollte ich das Ganze was mir im Kopf herum spukt einmal aufschreiben.

Auf der Arbeit weiß z.B. niemand von meiner bipolaren Störung (früher nannte man es manisch-depressiv) und auch vom Tumor wissen nur ein paar Leute. Das belastet mich sehr, denn ich habe das Gefühl, dass ich mich den ganzen Tag nur zusammenreiße und versuche alles zu verdrängen - und ich merke schon beim Schreiben, dass mir das hier irgendwie hilft.

Vielleicht hat ja jemand von euch auch vor der OP schon mit schweren psychischen Erkrankungen zu kämpfen gehabt – oder einE von euch musste OP-Nachsorge/Reha und Kleinkindbetreuung irgendwie unter einen Hut bringen.

Ich würde mich freuen von euch zu lesen,
JaneJacobs

Efeu

Liebe JaneJacobs,

als erstes, wow, du bist mutig, Hochachtung. Du sprichst so offen von dir, deinem Lebensweg, deinen Erkrankungen. Danke für diese Offenheit.

Du hast dich mühsam und konsequent ins Leben zurück gekämpft, dir dein Leben erarbeitet. Ein weiter und schwerer Weg.
Dass du nun grosse Angst hast, wieder instabil zu werden durch eine OP, finde ich verständlich. Ginge mir sicher auch so.

Und, ähnliche Ängste, Verlustängste, diese Ungewissheit, was ist nachher, wie wird es mir gehen usw, das haben alle. Bei dir sind diese Sorgen natürlich immens grösser.

Was mich wudert, dass du deinen Kollegen nicht von dem Meningeom erzählst. Ich würde das machen, du nimmst dir, und ihnen, die Möglichkeit menschlicher Begegnungen, du machst dich einsam damit.

Wegen deiner bipolaren Störung und OP. Könnte es nicht auch sein, dass du das viel besser als du dir vorstellen kannst, hinbekommst?
- Du hast jahrelange Erfahrung mit der Krankheit
- Du gehst achtsam mit Frühwarnzeichen
- Du weisst, was du brauchst, Stichwort Selbstfürsorge
- Du hast eine sehr gute Psychotherapeutin
- Und du bist medikamentös gut eingestellt.

Ich würde das Thema mit dem Neurochirurgen besprechen, hör dir an, was er sagt, ich kann mir vorstellen, er holt sich fachlichen Rat bei Kollegen. Vertrau dich ihm an, ich denke, er nimmt dich ernst.

Deine Liebe zu deiner Tochter. Wer weiss, wie es bis Ende Jahr mit Corona ist. Ich vermute, sie wird dich dann auch besuchen können. Und die OP, die machst du für eure gemeinsamen Zukunft, für viele glückliche Jahre Mutter-Tochter-Sein. Das ist der Lichtpunkt, auf den du zugehst, da schaffst du ein paar Tage Krankenhaus auch.

Vertrau dir, du bist eine starke Frau.

LG
Efeu

KaSy

Liebe JaneJacobs,
Das, was Du in Deiner "bipolaren" Zeit erlebt hast, habe ich nach Meningeom-Operationen durchgemacht.

Verschiedene (laut Neurologen) "ganz tolle" Medikamente hatten entweder noch depressiver machende Nebenwirkungen oder putschten mich so auf, wie Du es für Deine manische Phase beschrieben hast, allerdings nicht ganz so extrem.

Ich war in diesem Zeitraum 37 bis 56 Jahre, meine drei Kinder waren bei der Erstdiagnose 10, 12 und 14 Jahre, ich erzog sie seit zwei Jahren allein und "stand mit beiden Beinen" voll in meinem Beruf. Dadurch war ich bereits "geerdet".

Ich hatte mir dann selbst einen sehr guten Psychotherapeuten gesucht, der mit mir gemeinsam an mir arbeitete. Ich erinnere mich, wie ich ihn fragte "Wie hört man auf?" Es war die Folge von nebenwirkungs-guten Medikamenten, die mich immer mehr anregten.

(Meine Mutti fragte mich damals, wie ich es denn schaffe, im Urlaub täglich so viel zu unternehmen und dann noch alles aufzuschreiben. Ich fand das normal. Und meine "Beschreibungen" habe ich verschenkt und gebe sie heute meinen Kindern, wenn sie diese Gegenden mit ihren Familien erkunden wollen. Es war eine schöne Zeit, aber sie hat mich auch kaputt gemacht.)

Da waren meine Kinder schon aus dem Haus, mein Beruf war mein Mittelpunkt, und als ich mit 54 Jahren nicht mehr arbeiten durfte (nach 4 Meningeom-OP und 2 Bestrahlungsserien), war die psychische Katastrophe vorauszusehen. In einer Psychiatrie wurden meine "Psycho"-Medikamente abgesetzt, ein neues sollte gegeben werden, ich verweigerte es und lebe seitdem ohne.

Du hast diese Erfahrung bereits vor der OP gemacht.

Du hast gemerkt, wie gut es Dir tut, Dir alles "von der Seele" zu schreiben, hier im Forum. Ich habe lange Tagebuch für mich geschrieben, später in einem Forum für andere und mich.

Du hast bereits eine wunderbare Psychologin, die Dich auf die OP vorbereiten, Dich durch diese Zeit hindurch begleiten und danach auffangen wird.

Deine Angst, Deine Tränen, wenn Du Deine beiden Liebsten lachen siehst, Deine Sorgen - die sind "normal", also normal für eine bevorstehende Operation am Gehirn.

Auch das Gefühl, "DAS" zu verdrängen, weil Du es nicht jedem sagst, nicht jedem sagen kannst und willst, das hat eigentlich jeder in dieser Situation.
Ich konnte es vorher fast niemandem sagen, weil ich es selbst nicht verstand. Und ich fühlte mich dort sicher, wo es keiner wusste. Ich hätte diese "Mitleid"-Blicke und -Gedanken nicht ertragen, hätte meine Arbeit nicht gut machen können. Es ist ein Schutzmechanismus.

Du hast noch Zeit bis zum Herbst oder Winter und Du wirst mit dem "Netz", das Du bereits hast, diese Zeit überstehen. Du könntest Dich früher operieren lassen, um das hinter Dir zu haben, aber ich bin sicher, Du schaffst das Warten.

Deine Kleine wird Dich sehr viel für sich einnehmen und Dir eine riesige Motivation sein, durch die OP gut durchzukommen.

Ich bin mir auch recht sicher, dass die Möglichkeiten sehr gut sind, dass im Herbst/Winter wieder Besuche in den Kliniken erlaubt sein werden. Und wenn nicht, es gibt so wunderbare Möglichkeiten, auf technischem Weg die Familie zu hören und zu sehen! Das kann auch durchaus etwas mehr sein, als der direkte Kontakt am Klinikbett, denn Du könntest beim Frühstück und beim Schlafengehen aus der Ferne dabei sein. Träum' Dir das schön!

Mir haben sehr (!) die Anschluss-Rehas (etwa 2 Wochen nach der Entlassung) nach der OP geholfen. Das wirst Du nicht wollen. Aber Du weißt jetzt schon, dass Du danach Deine Psychologin mehr als sonst brauchen wirst und sie weiß das auch.

Deine kleine Tochter wird Dich schnell ins Leben zurückholen. Nimm Dir trotzdem genug Zeit für Dich, indem Du sie für einige Stunden in die Kita bringst, obwohl Du zuhause bist. Bleib lange genug zuhause, denn Deine Psyche muss mit diesem Schock, diesem Eingriff am Gehirn erst einmal klarkommen und das kann viele Wochen dauern. Ich war ein halbes Jahr zuhause und habe mich dann ein halbes Jahr schrittweise wieder eingearbeitet. Das ist ein guter Weg.

Ich denke, diese Aussichten auf das "Danach" könnten Dir helfen, den Weg bis zum "Dahin" besser zu akzeptieren.

Natürlich kann bei einer gut geplanten Meningeom-OP auch irgendetwas nicht so gut gelingen, aber verglichen mit dem Schädelbasisbruch nach Deinem Radunfall ist das alles sehr gut überschaubar.

Vertraue den Neurochirurgen, ich habe mehrere kennengelernt und alle sind äußerst daran interessiert, dass ihre OP bestens gelingt!

Ich habe mir vor den OPs stets gesagt: "Ich mache meine Arbeit gut und sie werden ihre Arbeit gut machen."

Alles Beste wünsche ich Dir und Deiner glücklichen Familie
KaSy

KaSy

Liebe JaneJacobs,
Nimmst Du eigentlich noch die Pille?
Weißt Du von dem möglichen Zusammenhang von zusätzlichen künstlichen und pflanzlichen Hormonen und dem Wachstum eines bekannten Meningeoms?
KaSy

Toffifee

Liebe JaneJakobs,

mit Spannung las ich Deinen Bericht. Eigentlich trifft ja nichts davon auf mich zu. Mit dem Auto der Eltern ins Ausland! Bei uns hatte ein Auto einen völlig anderen Stellenwert, und ins Ausĺand? Naja, andere Geschichte.

Vor jugendlicher Arroganz und Überheblichkeit bewahrte mich wohl der frühe Tod eines Klassenkollegen und Freundes. Noch kein Abi und dann ertrunken.
Bei all dem Ärger sei froh dass es ein Meningeom ist und erst 1,7 cm hat.
Ängste vor der Zukunft: Komplikationen, Nebenwirkungen usw. solltest Du wegschieben (leicht gesagt). Es kommen gewöhnlich Überraschungen an die man gar nicht dachte oder alles ist eine komplikationslose Episode, dazu kommt: Du bist recht jung.
Manche Leute werden von negativen Gedanken runtergezogen. Positive Gedanken, Erwartungen können einiges bewirken.
Du hast Dein Studium abgeschlossen (schafft nicht jeder) und hast einen Job.
Deine Tochter, Mann und Eltern sind auch wichtige Bezugspersonen. Dazu noch ein paar gute Freunde. Das sind jede Menge gute Voraussetzungen für eine recht einfache OP, sowie eine schöne Zukunft.

Alles Gute
Willi

Bretonne

Liebe JaneJacobs,

ich bin auch noch nicht sehr lange hier (erst im Februar wurde bei mir ein Meningeom gefunden) und habe Deinen Bericht mit viel Mitgefühl gelesen. Ich kann Dir nicht viel aus meiner eigenen Erfahrung mitgeben, da ich noch nicht operiert wurde und alles noch neu ist. Ich kann aber viele Deiner Sorgen nachvollziehen und habe ähnliche Gedanken, auch wenn meine Situation eine ganz andere ist, ich älter bin, keine manisch-depressive Erkrankung habe sondern eher Probleme mit Depressionen (obwohl ich auch Phasen der ins Manische tendierenden Hyperaktivität, Hochgefühle, Unverwundbarkeit, Kreativität, schnellen Denkens etc. kenne, nur nicht so extrem, wie Du es beschreibst und auch eher von früher).

Was mir aber ähnlich geht, ist das Gefühl, dass die mühsam errungene stabilere Situation in meinem Leben gerade wieder so ins Wanken gerät, obwohl ich noch gar nicht "fertig" damit war, mich wieder ins Lot zu bringen. Ich kehre immer noch die Scherben zusammen und sehe langsam Licht, da kommt dieser blöde Tumor und schmeißt wieder alles um. Im Moment neige ich daher dazu, möglichst auf eine schnelle Operation zu hoffen, weil mich das Warten so nervt und ich "voran" kommen möchte. Ich finde es gerade sehr schwierig, mich bei der Arbeit zu konzentrieren, ich nehme immer noch Medikamente gegen die Depression und schaffe es gerade so, meine halbe Stelle einigermaßen auszufüllen. Nachdem ich 14 Monate wg. Depression krank geschrieben war, habe ich nur 11 Monate normal wieder gearbeitet, bis die Diagnose des Tumors kam.... obwohl ich eigentlich noch auf dem Weg "bergauf" war/bin. Bei mir schwankt es daher so zwischen Ängsten vor dem, was auf mich zukommt und manchmal eher einem Verdrängen dieser Ängste, wenn ich mir fast wünsche, dass endlich die Operation ansteht und ich dann alle möglichen Komplikationen und Risiken ausblende, nur, damit es endlich vorangeht.

Mein Psychologe sagt, dass man nicht unterschätzen darf, wieviel Kraft es kostet, diese Diagnose erst einmal zu verarbeiten, und das dies auch noch erschwert wird, wenn man ohnehin schon mit psychischen Problemen zu tun hat. Manche Menschen in meinem Umfeld finden mich sehr bewundernswert "tapfer" oder so ähnlich, wenn ich es schaffe, über die Situation ganz sachlich zu reden und eher den Eindruck zu erwecken, ich würde das gut wegstecken und mit Tatkraft das Problem angehen. Das versuche ich auch tatsächlich, Arzttermine, Informationen sammeln, Dinge organisieren, in Ordnung bringen usw. Manchmal vielleicht sogar Humor (mein Sohn und ich haben abgemacht, dass wir uns dann beide einen schicken Undercut rasieren). Das ist aber nur eine Seite der Medaille.... ich finde mich selbst gar nicht so mutig. Denn daneben habe ich diese Tage, an denen gar nichts geht, weil mich alles übermannt, ich nur noch mein lautes Kopfgeräusch höre, nur müde bin, fast lethargisch, ich Albträume und Ängste habe usw. Ich versuche dann, Belastungen durch Arbeit usw. zu reduzieren, Termine abzusagen, werde mich in Zukunft dann auch krank melden. Die Kraft, solche Tage zu überstehen, würde mir sonst wieder fehlen für's Gesundwerden.

Was mir manchmal hilft, ist der Gedanke, dass ich wohl großes Glück gehabt habe, dass man zufällig das Meningeom gefunden hat, bevor es richtig groß werden und mehr Schaden anrichten konnte. Das sagte mir ein Arzt so und ich finde es manchmal sehr hilfreich für mich und denke "komm, nach allem, was Du schon überstanden hast im Leben, kriegst Du so eine kleine Hirn-Op auch noch gewuppt", Hauptsache, man vermeidet dadurch größere andere Schäden. Dann wieder gibt es Momente, ich denen ich es alles nur furchtbar ungerecht finde und große Angst habe vor den Folgen, vor Dingen, die ich vielleicht nicht mehr machen kann (Reisen in Tropenländer, Klavierspielen, Tauchen?), vor weiteren Depressionen, vor allem vor den Folgen für meine Familie u.a. Manchmal ertappe ich mich aber auch dabei, mir vorzustellen, dass nach einer OP manches vielleicht besser sein wird (weniger Beschwerden), obwohl das vielleicht eine gefährliche Hoffnung ist. Mir geht es auch wie Dir, manches, das ich hier im Forum gelesen habe, ist echt beängstigend.

Wie Du siehst, bin ich noch voller widersprüchlicher Gedanken und Gefühle und suche meinen Weg des Umgangs damit. Ich finde das Forum hier sehr hilfreich und habe schon sehr gute Tipps bekommen, neben natürlich den Gesprächen mit Freunden/Familie/Kollegen. Vielleicht ist es immerhin tröstlich zu wissen, dass man nicht allein ist mit diesen Sorgen und Fragen.

Ich wünsche Dir alles, alles Gute und viel Kraft
Bretonne

dronline

Liebe JaneJacobs,

du bist sicher, in Betracht der Vorgeschichte, eine starke Frau und du wirst es auch schaffen. Meningeome wachsen i.d.r. wenn überhaupt ca. 2 mm pro Jahr. Es ist ganz selten dass das Meningeom schneller wächst. Manchmal gibt es auch spontane Regression des Tumors. Ich rate dir erstmal deine Stabilität zu genießen und erst nach der nächsten MRT Gedanken über Op Ja/Nein zu machen.
Alles Gute

Neurochirurg

JaneJacobs

vielen Dank für eure ausführlichen und empathischen Antworten.

@KaSy, nein ich nehme die Pille nicht, auch weil ich vermute, dass der Tumor (mit) durch die Schwangerschafts/Stillhormone so "schnell" gewachsen ist (3-4mm Durchmesser mehr in einem Jahr)

@Bretonne, Du hast es schon sehr treffend beschrieben
"Was mir aber ähnlich geht, ist das Gefühl, dass die mühsam errungene stabilere Situation in meinem Leben gerade wieder so ins Wanken gerät, obwohl ich noch gar nicht "fertig" damit war, mich wieder ins Lot zu bringen."

Ab und zu habe ich so Momente, in denen ich einfach frustriert und wütend bin und denke, ich habe doch schon genug für meine fragile Stabilität gekämpft... Und dann wieder bin ich dankbar, dass es "nur" ein Menigiom ist, dass es früh erkannt wurde, dass ich eine Wahl habe, wann genau die OP sein wird etc...

Aber diese Ungewissheit darüber, wie man die OP verkraftet, wie die Zeit danach sein wird und wie wir dann hier zu dritt klarkommen... Auch noch in Kombi mit Corona (wird die Kleine überhaupt in die Kita können? Wird mein Mann Wochenlang mit ihr zuhause bleiben müssen?)

Ich weiss, es ist ein destruktives Gedankenkarussel und es hilft nicht wirklich, sich die negativen Szenarien alle auszumalen... Aber verdrängen schaffe ich nicht immer und es macht mir die Konzentration auf die Arbeit im Moment unmöglich.

Am liebsten würde ich mich morgen operieren lassen um es aus dem Kopf zu haben (haha) (im KH sagten sie, das würden sie machen, etwa 1-2 Wochen Vorlauf reichten aus und ob jetzt oder in 3 Monaten wäre ihnen relativ egal). Aber dann sind da die Sorgen wegen meiner Tochter, ich will sie schrittweise dran gewöhnen + unser Kitaplatz ist erst ab August gesichert...

Die letzten zwei Monate hatte ich das Thema so wunderbar verdrängt - aber jetzt lässt es mich aktuell irgendwie nicht mehr in Ruhe.

Smosmo

Hallo Jane Jacobs und alle anderen!

Ich lese hier seit November 2020 mit und es hat mir sehr geholfen. An diesem Zeitpunkt habe auch ich die Diagnose Meningeom erhalten. (Rechts frontal, 1,7cm WHO Grad 1) Ich kenne die emotionale Achterbahn gut.
Ich bin 44 Jahre, habe zwei Kinder und stehe eigentlich mitten im Leben.
Mir war schnell klar, dass ich „das Ding aus dem Kopf haben wollte“. Durch Corona musste ich jedoch ein bisschen warten. Mitte März hatte ich meine OP an einem Freitag. Am Montag bin ich wieder nach Hause gegangen die folgenden zwei Wochen habe ich mich zu Hause ausgeruht und mein Mann hat hier den Laden geschmissen. Danach habe ich weitere zwei Wochen immer noch recht wenig gemacht, aber doch den Familienalltag in großen Teilen ganz gut bewältigen können.
Heute liegt meine OP sieben Wochen zurück. Ich mache zweimal die Woche Physiotherapie, Osteopathie und ab und zu Akupunktur. Das alles weil mein Nacken immer noch nach der OP sehr verspannt ist. Ich bin nicht 100 % leistungsfähig, aber ich habe wieder angefangen zu arbeiten. Zum Glück kann ich das sehr flexibel handhaben.
Ich schreibe heute, um dir Mut zu machen. Auch ich habe meine alte Therapeutin schon einige Zeit vor der OP kontaktiert, weil ich Angst hatte das die OP mich vielleicht um hauen könnte. Das ist aber gar nicht passiert.
Wenn das Meningeom bei dir auch ein Zufallsbefund war und noch keinerlei Ausfallerscheinungen eingetreten sind, hast Du wahrscheinlich gar nicht soviele Nachwirkungen zu befürchten.
Mach dich nicht kirre. Informiere dich gut. Lass dich vielleicht vorher noch impfen. Und wähle dann in den nächsten Monaten einen Termin für eine OP.
Ich bin froh, es hinter mir zu haben und sehr dankbar, dass das Meningeom zufällig entdeckt wurde!

Beste Grüße, smosmo

JaneJacobs

Danke, Smosmo, das macht mir Mut!

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