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Thema: Nach Abschluß aller Therapien Pflegefall

Nach Abschluß aller Therapien Pflegefall
Uliknuli
06.06.2017 20:27:30
Guten Abend, ich lese hier schon seit langer Zeit mit und habe viel über die Krankheit meiner Mutter gelernt.
Heute nun melde ich mich mal,da ich inzwischen mit meinem Latein am Ende bin.
Bei meiner Mutter (73) wurde vor genau einem Jahr ein Astrozytom III durch Zufall festgestellt. Sie hatte mindestens schon 2 Jahre leichte Beschwerden mit einer kurzzeitigen Übelkeit und Empfindungsstörungen in der linken Hand.
Meine Mutter ist Ärztin und hat-für sie völlig normal- keinen Hausarzt gehabt, dem sie das mal schildern konnte und hat sich auch nicht von uns überzeugen lassen, einen Arzt aufzusuchen.
Als das MRT dann einen Tumor ergab, lief die ganze Routine an.
OP im Juni 2016, nach 5 Tagen nach Hause entlassen mit starken Atembeschwerden, die lt. den behandelnden Ärzten in der Klinik nichts zu bedeuten hatten und dann doch eine beidseitige Lungenembolie waren. Also wieder Klinik und dann gleich im Anschluß Bestrahlung für 30 Tage. Im Oktober begann die Chemo mit Temodal.
Das hat sie Alles gut gemeistert, hat allerdings mit der Chemo sehr zu tun gehabt.
Das letzte MRT von Mai 2017 ergab laut dem Radiologen kein Tumorwachstum und keine Ödeme. Alles super !!
Meine Mutter ist seit Januar im Pflegegrad 4 eingestuft und für uns war immer klar, das ihr schlechter Allgemeinzustand eine Folge von erneutem Tumorwachstum ist.
Sie kann kaum noch laufen und wird im Rollstuhl gefahren. Wir lagern sie alle 2 Stunden im Bett und sie benötigt entsprechend dem Pflegegrad ganztägige Hilfe und Betreuung.Sie ist zeitweise komplett verwirrt und desorientiert.
Ich habe meine Arbeitszeit auf 6 Stunden pro Woche reduzieren können, um keine Pflegezeit nehmen zu müssen, wofür ich sehr dankbar bin. Der Mann meiner Mutter hat alleine die Pflege nicht mehr geschafft.
Nach dem letzten MRT gratulierten ihr alle behandelnden Ärzte zum "Sieg" über den Tumor und sie ist überzeugt davon, das sie gesund ist. Auf ihren jetzigen Zustand geht keiner der Ärzte ein und wir stehen vor einem Menschen, der im Laufe der Behandlung vollkommen hilflos geworden ist.
Meine Frage ist, ob das jemand auch so oder ähnlich erlebt hat, da ich mir Tag und Nacht alleine den Kopf zermartere.
Ich hoffe, das ich mich einihermaßen verständlich ausdrücken konnte und mein seelisches Chaos so zum Ausdruck bringen konnte.
Uliknuli
Plüsch
06.06.2017 23:06:33
Danke für Deinen anschaulichen Bericht. Seit meine Schwester ( 65 Jahre alt) im Mai 2015 die Diagnose Astrozytom III erhielt, lese ich zum ersten Mal einen Beitrag, in dem ein ganz ähnlicher Verlauf geschildert wird,wie ich ihn erlebe. Meine Schwester wirkte schon länger müde und überarbeitet, Sorgen machten wir uns dann, weil das Kurzzeitgedächtnis immer schlechter wurde. Kein Wunder, denn als sie endlich mit mir zum Neurologen ging, wurde ein großes inoperables Astrozytom festgestellt, das für den Verlust des Kurzzeitgedächtnisses verantwortlich ist.Es folgten Bestrahlung und Chemo mit Temodal. Alles vertrug sie schlecht. Seither wurde sie immer schwächer und man kann ihr nur ganz langsam und behutsam ein wenig zu essen geben. Seit eineinhalb Jahren bekommt sie täglich morgens und abends niedrig dosierte Chemo, dazu Methadon. Der Tumor ist bis jetzt nicht weiter gewachsen, einmal zeigte das MRT sogar einen leichten Rückgang. Ist das nun ein Erfolg?
Sie ist total dünn und schwach .Tagsüber sitzt sie zwar im Sessel, macht aber immer nach wenigen Minuten die Augen zu und ist zu müde um irgend etwas zu tun. Ein Spaziergang von 10 Minuten an der Hand der Pflegeperson gehört zu ihrem Alltag. Öfter ist sie desorientiert und das Kurzzeitgedächtnis ist nicht besser geworden. Deshalb sollte man sie nicht alleine lassen. Sie hat Pflegestufe 4.
Ist es nun barmherzig für sie, dass sie sich nicht merken kann, welche Krankheit sie hat und warum sie so schwach ist.? Dadurch kann sie halt leider auch nicht mehr selbst entscheiden. Die Vollmacht haben ihre Söhne. Sie spürt aber tief, wie krank sie ist. Manchmal spricht sie mit mir und ich merke, dass sie leben will, aber unter ihrem Zustand leidet. Von Natur aus ist sie ein herzlicher, geselliger und unendlich geduldiger Mensch.
Ich schreibe selten und will Dir hiermit sagen, dass du mit deinen Gefühlen und Fragen nicht alleine bist.
Plüsch
Plüsch
06.06.2017 23:26:06
P.S. Ich habe vorhin vergessen zu schreiben, dass ich seit einiger Zeit viel Hilfe durch eine Psychoonkologin erhalte, die mir neue Gedanken gibt, was mit mir und der Familie geschieht und von der ich lerne, wie wir mit der Krankheit und untereinander besser umgehen können.
Plüsch
Uliknuli
07.06.2017 06:32:27
Liebe Plüsch,
vielen Dank für deine Antwort und für den Hinweis mit den Psychoonkologen.
Ich war immer der Meinung, das die nur für die Betroffenen selbst da sind.
Nun werde ich mich selbst um eine Begleitung bemühen, da nach einem Jahr auch unsere Familie zu "leiden" beginnt. Ich habe eine Enkelin, für die ich kaum noch Zeit habe und mein Mann hat bis jetzt alle Entscheidungen, die ich bezüglich meiner Mutter getroffen habe mit getragen. Ich merke aber zunehmend, das auch bei ihm alle Reserven verbraucht sind. Wir haben ein riesiges Grundstück, auf dem ich immer viel Freude an der Arbeit hatte und in diesem Jahr schaffe ich nicht mal das Nötigste. Das Eine noch, meine Mutter und ihr Mann leben mit bei uns auf dem Hof, was für ihre Pflege sehr gut ist, aber für unsere kaum vorhandene Freizeit sehr ungünstig. Ich habe meine Mutter sehr lieb aber ich kann nicht mehr.
LG Uliknuli
Uliknuli
Aziraphale
07.06.2017 07:39:20
Vielleicht ware ein ambulanter Pflegedienst zur Unterstützung eine gute Möglichkeit. Meine Ma dachte auch immer, sie schafft das alles, bis es einfach rein körperlich nicht mehr ging. Der Pflegedienst hat sie dann sehr entlastet...
Aziraphale
Muschelsucherin
07.06.2017 09:22:57
Liebe Uliknuli,
den gleichen Verlauf habe ich bei meinem Mann auch erlebt.
OP, Bestrahlungen, Rezidiv, Chemo, .
Das MRT zeigte danach keine Unauffälligkeiten, die den körperlichen und geistigen Verfall begründeten.
Keiner der Ärzte konnte mir einen Rat geben, nur den, holen Sie sich Hilfe beim Palliativdienst.
Erst so nach und nach konnte ich realisieren und akzeptieren, dass die ganzen Behandlungen den Körper einfach "verbraucht" haben.
Aber es wurden uns dadurch noch 5 Jahre geschenkt.
Mir haben Palliativ- und Hospizdienst in dieser Zeit sehr geholfen, da ich meinen Mann zu Hause gepflegt habe, brauchte ich einfach einen Ansprechpartner, der nicht immer nur sagte, es wird schon, denke positiv, sondern der auch mich und meine Sorgen ernst nahm. Dort bekommt man auch einen Psychoonkologen, jedenfalls hier bei uns.
Und den brauchen die Angehörigen
Ich hatte immer das Gefühl, zu wenig getan zu haben und merkte schon gar nicht mehr, wie sehr ich selber schon am Ende war.
Habt Ihr die Verhinderungspflege in Anspruch genommen? Die steht Euch bei dem hohen Pflegegrad zu, wird bei der Pflegekasse beantragt. Dann könnt Ihr Euch jemanden holen, der sich stundenweise um Eure Mutter kümmert ( muß keine ausgebildete Kraft sein )
Ich wünsche Euch ganz viel Kraft
Muschelsucherin
Muschelsucherin
della
07.06.2017 11:38:14
Hallo Uliknuli,

bei meinem Vater ist's ganz ähnlich. Er hat ein Glioblastom Grad IV, das laut differenzierter Bildgebung im Rückzug ist. Im Kopf ist er die meiste Zeit klar, und auch die Einschränkungen links (Hand, Arm und Bein) werden wieder besser. Was immer schlechter geworden ist, ist seine Muskelkraft. Er sitzt momentan auch im Rollstuhl, weil seine großen Muskelgruppen komplett abgebaut sind. Er hat Storchenbeinchen, keine Gesäßmuskulatur, keinen Hüftbeuger mehr, nichts. Wenn man ihn auf die Beine stellt, kann er sie nicht mal durchstrecken, und auch die Hüfte kann er nicht strecken, so schwer ist der Oberkörper mit den Fetteinlagerungen im Verhältnis zu Hüft- und Beinmuskulatur. Dazu beigetragen haben hoch dosiertes Cortison und lange Liege- und Sitzzeiten. Bevor er nach Ostern als Notfall wieder ins regionale Klinikum gekommen ist (posttherapeutische Veränderungen haben ein großes Ödem ausgelöst), konnte er noch stehen und gehen, aber dort haben sie ihn drei Wochen nur herumliegen lassen, und das Resultat war, dass er danach nicht einmal mehr stehen und auch nicht mehr stabil sitzen konnte. Jetzt macht er seit Wochen jeden Tag stundenlang seine Hockerübungen, und ganz, ganz langsam kommt die Kraft zurück. Am kommenden Freitag beginnt er mit einer ambulanten Reha in einem auf Neurologie spezialisierten Zentrum.

@ Muschelsucherin:
> ...dass die ganzen Behandlungen den Körper einfach "verbraucht" haben.
Ich weiß nicht... Kraftlosigkeit hat, so meine ich, ihre ganz konkreten Ursachen, die in den hohen Gaben von Cortison in Verbindung mit einer durchaus "schlauchenden" Therapie, die wiederum zwangsläufig Inaktivität mit sich bringt, zu suchen sind.

Das ganze System krankt schwer daran, dass man hier nicht rechtzeitig gegensteuert. Im Rückblick ärgere ich mich sehr, dass wir nicht sofort nach der Entlassung meines Vaters aus dem regionalen Klinikum nach Erstdiagnose an Weihnachten 2016 auf eine Reha bestanden, sondern dem dortigen Chefarzt geglaubt haben, der behauptet hat, eine Reha sei zu anstrengend. Anstrengend ist für meinen Vater das Im-Rollstuhl-Sitzen-Müssen. Er war immer ein supersportlicher, körperlich sehr aktiver Mensch und kommt kaum klar damit, dass er zum Rumsitzen verdammt ist. Er setzt jetzt alle Hoffnung in die Reha.

Seid lieb gegrüßt von
della
della
Uliknuli
07.06.2017 16:28:07
Ihr Lieben, vielen Dank für Eure umfangreichen Rückmeldungen.
Es wird dadurch nicht einfacher, aber es hilft mir zu wissen, dass wir nicht alleine so dastehen.
Meine Mutter ist ihr Leben lang sehr aktiv gewesen, obwohl sie immer sehr dick war. Inzwischen wiegt sie 140 Kilo und ihr könnt Euch vielleicht vorstellen, welche Kräfte man mobilisieren muß, um sie zu versorgen. Sie hat bis zur Diagnose 20 Stunden in der Woche gearbeitet und alles alleine gemacht. Deshalb ist für uns dieser Verlauf auch so schwer zu ertragen.
Sie ist seit heute auf einer geriatrischen Rehastation und ich habe Hoffnung, das die Physiotherapie und Ergo wieder etwas Energie in sie bringen.
LG Uliknuli
Uliknuli
Hasilein
18.06.2017 00:04:39
Hallo, meinem Mann ergeht es ähnlich. Er konnte zuerst seinen linken Arm nicht mehr bewegen was wir aber auf Grund eines Sturzes und Sehnenrisses im Orthopädischen Bereich vermuteten, ab Mitte 2016 fing das linke Bein an lahm zu werden, da Untersuchungen ergaben das ein Bandscheibenvorfall vorliegt. Wir dachten es liegt daran, der Arm wurde Operiert und die Sehne wieder genäht. Der Orthopäde sagte es kann nicht nur an den Bandscheiben liegen, und hat uns eine Überweisung zum Neurologen gegeben. Termine waren sehr schlecht zu bekommen Mitte Dezember endlich der Termin beim Neurologen, Überweisung zum MRT. Das Laufen wurde immer schwieriger. Januar das MRT und dann ging alles sehr sehr schnell Klinik , Operation, Chemo, Bestrahlung, Reha und kein Ende. Die Neuesten Untersuchungen wieder Chemo, Mein Mann sitzt inzwischen im Rollstuhl und ist immer noch in der Reha kann sich aufstellen und sich ins Bett setzen, auch noch allein auf Toilette aber für alles andere braucht er Hilfe. Jetzt bei der erneuten Chemo merke ich wieder Rückschläge Schwächegefühle, starke Müdigkeit und das macht mir so langsam Angst . Ich habe noch keine Pflegestufe das hat die Reha jetzt beantragt. Schwerbehindertengrad aG wurde abgelehnt und das ist mein bzw unser Problem die Krankenkassen genehmigen den Transport nur bei aG oder Pflegestufe 3 zu den Behandlungen. Jetzt warte ich erst mal wieder auf die Beantwortung meines Widerrufs wegen aG habe aber gleichzeitug die T mitbeantragt. Zu Hause habe ich keine Probleme aber mit dem Transport im Rollstuhl auf öffentlichen Wegen. Physio und Ergo sind schon sehr hilfreich und ich Hoffe sie bringen noch mehr. Denn mein Mann ist Handwerker, Kleingärtner, Hobbykoch und all das geht im Rollstuhl nicht mehr denn er kann die linke Seite auf Grund der Lähmung nicht nutzen. Ich hoffe man hört wieder voneinander LG Hasilein
Hasilein
PinkeSocke
18.06.2017 13:57:14
Hallo Hasilein,
Mein Mann sitzt seit seiner OP im Dezember 16 im Rollstuhl da sein linkes Bein gelähmt ist. Er bekam zwar sofort 100% bewilligt aber ohne Merkzeichen. Mit der Begründung das er ja vielleicht irgendwann wieder laufen könnte. Wenn das Bein amputiert wäre wäre es was anderes!!!!
Wir haben sofort Widerspruch eingelegt mit dem ärztlichen Attest dass er Rollstuhloflichtig ist.
Hat zwar leider 6 Wochen gedauert aber dann bekam er die Merkzeichen aG , H und G.
Pflegrad 2 bekamen wir im Januar. Habe im März einen Verschlimmerungsantrag gestellt. Jetzt hat er Grad 4 bekommen.Wird jetzt im Rollstuhl zu den Arztterminen gefahren. Leider funktioniert jetzt auch sein rechtes Bein nicht mehr.
Immer hartnäckig am Ball bleiben und bei der KK und Versorgungsamt nachfragen. Viel Kraft und alles Gute
PinkeSocke
PinkeSocke
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