Liebe Betroffene,
die noch vor ihrer Operation stehen,
Wenn ein Neurochirurg bereits vor einer OP eines Hirntumors von einer AHB abrät, dann würde ich das nicht glauben.
Es ist ein Neurochirurg, der sehr gut operieren kann, es von sich weiß und
davon ausgeht, dass er alles sicher und ohne Schäden im angrenzenden Hirngewebe entfernen wird. Für ihm wird die OP kein Problem sein, er geht aus dem OP-Saal und hat hervorragend operiert.
Vielleicht sagt er es auch als Beruhigung: "Das läuft schon, es wird keine Folgen geben."
Aber er steckt nicht in Euch drin, er weiß nicht, wie Ihr alles um eine OP im Gehirn vor- und nachher seht, wie es Euch bewegt, welche Gedanken Euch nach der ersten Erleichterung (Hurra,,es ist alles leichter, als ich dachte.) und den überstandenen vorübergehenden Folgen bewegen werden, die erst nach wenigen Wochen Platz haben.
Alle konkreten Fragen und Unsicherheiten sind weg, aber kaum einer weiß von sich, wie er das psychisch verkraftet,,was da eigentlich geschehen ist, dort, in der "Steuerzentrale" ...
Nicht wenige Betroffene fühlen sich nach der OP so gut, dass sie glauben und auch ihren genialen Neurochirurgen vertrauen, dass sie ja keine neurologischen oder motorischen oder sonstige Folgen haben und dass das Leben jetzt weitergehen kann, so wie vor der OP oder besser.
Manche schaffen das auch.
Aber der wirklich sehr gut operierende Neurochirurg kennt Eure Entwicklung danach nicht. Er sieht Euch - vor allem als Uniklinik-Professor oder -Oberarzt - nach der OP nicht mehr oder im Laufe der folgenden Jahre nicht mehr regelmäßig.
Egal, wo im Gehirn operiert wird, es ist etwas anderes als eine OP am Arm oder Bein und auch kein Schnupfen.
Ihr werdet auf jeden Fall einige Wochen, viele länger, benötigen, um wieder leistungsfähig und belastbar zu sein.
Wenn Ihr Euch zu Hause wieder in den Alltag stürzt und selbst wenn Ihr Euch dort Ruhe gönnt, es wird kein Platz sein für die Belastung der Psyche!
Die vielen Kleinigkeiten des Alltags und Eure gesundheitlichen konkreten und gut zu bewältigenden Folgen verdrängen diese Probleme.
Es ist möglich und es kommt nicht selten vor, dass Euch das Wochen oder Monate später einholen wird, wenn Ihr glaubt, "Nun war ich lange genug zu Hause, jetzt gehe ich wieder arbeiten."
Aber dann klappt das doch nicht. "Ich bin so müde, schon nach drei Stunden. Was ist denn los?"
Es wäre wirklich ratsam, den Gedanken an eine AHB zuzulassen. Es ist nach der heutzutage nur noch sehr kurzen Aufenthaltsdauer in der Klinik (ich kenne noch 14 Tage nach der OP) gut, diese Zeit von meist nur 3 Wochen (früher waren es 4 Wochen) nach einer Erholungsphase von 2 Wochen durchzuführen. Zu Hause schafft man meist alles, aber in der Rehaklinik wird einem einiges an alltäglichen Pflichten abgenommen und durch helfende, verwöhnende oder eben auch psychisch aufbauende und stabilisierende Therapien sinnvoll ersetzt. Ihr werdet auch Zeit für Euch ganz allein haben, um das Ganze jetzt bereits psychisch zu verarbeiten und es nicht auf später zu verdrängen, wenn es Euch unerwartet überfallen könnte.
So lang sind 3 Wochen nicht, aber die AHB steht jedem Hirntumorbetroffenen zu.
Auch private Probleme, z.B. bei
Alleinerziehenden oder Menschen, die ihre Angehörigen pflegen oder Tiere betreuen, ist diese kurze Zeit gut überbrückbar.
Ich kann aus mehrfach eigener Erfahrung (ohne deutliche Folgeprobleme) nur dazu raten, nach einer Hirntumor-OP nicht nur die organischen Folgen zu sehen, die man zu Hause oder in einer (anstrengenderen) ambulanten Reha gut in den Griff bekommt.
Mit gut gemeinten Wünschen an Euch alle für die bevorstehende Zeit!
KaSy
PS: Ich musste während des Schreibens auch daran denken, wie so sehr unterschiedlich selbst die kleinen Nebenwirkungen der Corona-Impfung wahrgenommen werden, dass manche die Impfung vermeiden und das Risiko einer tödlich oder mit "Long-Covid" verlaufenden Erkrankung in Kauf nehmen.
Welcher Arzt kann diese Wahrnehmung des Einzelnen durch diesen "kleinen Pieks" schon voraussagen? Das kann nicht einmal der Hausarzt, der seine Patienten gut kennt.