Liebe Hirni64,
Dein Tumor war nicht nur sehr groß, er lag in dem Bereich, der für die kognitiven Leistungen, aber auch für die "Persönlichkeit" zuständig ist.
Es sind bereits 9 Monate seit der OP vergangen und ich gehe nicht davon aus, dass Du diese gravierenden Probleme bereits vor der OP hattest.
So wie Du Dein Meningeom beschrieben hast, sollte es nicht den WHO-Grad I gehabt haben. Es hätte wegen des "enplaque" eine Bestrahlung folgen müssen, da bei dieser flächenartigen Ausbreitung keine vollständige Resektion erfolgen konnte. Aber das ist nicht der Grund für Deine "Noch-nicht-Arbeitsfähigkeit".
Ob sich Rezidive bilden, werden die MRT-Kontrollen zeigen, was ich Dir keinesfalls wünsche.
Bei Meningeomen "nach vollständiger Entfernung" gehen die für den GdB zuständigen Ämter laut Gesetz davon aus, welche Schäden zurück geblieben sind.
Du hast "keine Schäden", was natürlich nicht stimmt.
Bis zu Deiner Arbeitsfähigkeit kann es tatsächlich noch länger dauern, es ist auch möglich, dass es gar nicht mehr möglich sein wird.
Warst Du nach der OP zur AHB in einer Rehaklinik? Wenn nicht, beantrage eine medizinische Reha, möglichst in einer Rehaklinik mit psychosomatischer Ausrichtung. Hier kannst Du unter Anleitung vielfältig an Dir arbeiten. Der Abschlussbericht wird Deine Beeinträchtigungen bestätigen, was für Dich, aber auch für den GdB gut ist.
Hast Du Dich um eine Psychotherapie bemüht? Es geht dabei nicht um Medikamente, sondern darum, mit den psychischen Folgen einer OP am Gehirn (!) klarzukommen sowie um die Frage, wie Du Deine Lebensweise der neuen Situation "anpassen" kannst. Denn das ist der eine Teil Deiner Probleme, wo langfristig Hilfe möglich ist. Der Psychotherapeut wird Dir nach wenigen Gesprächen auch die psychische Belastung bescheinigen und das ist die Voraussetzung, um einen höheren GdB zu erhalten.
Zusätzlich schreibe gründlich und ausführlich mit Deinen Worten auf, wie sich Dein Leben im Vergleich zu vor der OP verändert hat.
Die andere Ursache Deiner Veränderungen ist organisch. Das ist sehr schwer rückgängig zu machen. Da helfen auch keine "Pillen".
Ich selbst habe viele Sorten Antidepressiva versucht, nichts half, ich lebe nun ohne derartige Mittel.
Das kann bei Dir anders sein.
Mir konnten auch Psychiater während eines langen Klinikaufenthaltes nicht helfen.
Ich habe auch das versucht.
Ich musste lernen, die Tatsache zu akzeptieren, dass ich nicht wieder arbeiten kann und dass ich deutlich weniger belastbar bin.
Es war unheimlich schwer, das zu realisieren und dann zu akzeptieren.
Wenn die " 64" Dein Geburtsjahr ist, dann war ich etwa im gleichen Alter, als ich nach und nach erkennen musste, dass ich nicht in meinen geliebten Beruf zurück kann. Das ist zu früh!
Allerdings hatte ich seit 1995 bereits 4 WHO-III-Meningeom- OPs, 2 Bestrahlungen und drei erfolgreiche Wiedereingliederungen hinter mir, bevor ich 2011 aussteigen musste und es mir nun leider nicht wieder gelang.
Es können bei Dir noch Verbesserungen eintreten, auch wenn die Wahrscheinlichkeit dafür von Monat zu Monat geringer wird.
Vielleicht nimmt es Dir ein wenig den Druck, wenn Du Dir sagst, dass Du Dir noch 6 oder 9 Monate Zeit gibst, das könnte Dich innerlich "befreien".
Vielleicht findest Du in dieser Zeit Möglichkeiten, ganz wenig und ohne Verpflichtung beratend tätig zu werden und damit Deinem Beruf nahe zu bleiben.
Oder mach etwas ganz anderes, um Dir Erfolgserlebnisse zu schaffen, um zu merken, Du wirst gebraucht.
(Auch dafür gibt es in einer Rehaklinik verschiedene Angebote.)
Ich wünsche Dir alles Gute!!
KaSy