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LeiseStimme1

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Vorab möchte ich mich entschuldigen, der Beitrag wird lang.

Hallo zusammen,
ich schreibe hier, weil wir als Familie im Moment sehr verzweifelt sind und nicht wissen, wie es weitergehen soll. Vielleicht hat jemand von euch ähnliche Erfahrungen gemacht und kann uns ein bisschen Hoffnung oder Orientierung geben.

Bei meiner Mutter (70 Jahre) wurde vor einigen Wochen ein Astrozytom Grad IV diagnostiziert. Der Tumor wurde kurz darauf in einer Wach-OP weitesrgehend entfernt und direkt nach der OP war ihr Zustand überraschend gut: wach, orientiert, selbstständig und eigentlich besser als vorher. Vor der Erkrankung war sie fit, lebte alleine, war gesund, aktiv und ein völlig eigenständiger Mensch. Wir waren nach der OP voller Hoffnung, dass es vielleicht noch eine gute gemeinsame Zeit geben kann.

Doch seit Beginn der anschließenden Standardtherapie (sechswöchige Bestrahlung Mo–Fr, kombiniert mit Temozolomid in Tablettenform) hat sich ihr Zustand dramatisch verschlechtert. Momentan befindet sich meine Mutter in der üblichen Chemopause nach der Radiochemotherapie, aber die geplante Fortführung und ihr momentaner Zustand machen uns große Sorgen.

Der aktuelle Zustand ist für alle sehr schwer zu ertragen: starke Verwirrung, Orientierungslosigkeit, Sprach- und Wortfindungsstörungen, aggressive Ausbrüche, Misstrauen, viele Tränen. Neu hinzugekommen sind Inkontinenz und eine enorme körperliche Schwäche: Laufen geht nur noch mit Rollator, Körperpflege ist ohne Hilfe nicht mehr möglich. Dazu kommt, dass sie kaum trinkt, was die Situation noch verschlimmert. Unser Eindruck ist, dass sie innerlich noch vieles versteht, aber die Fähigkeit, sich zu äußern oder Entscheidungen zu treffen, fast vollständig verloren hat. Teilweise wirkt der Zustand wie eine Demenz – in einer kurzen Zeit zuhause wurde zum Beispiel Wäsche oder im Backofen getrocknet. Das führt zu einem massiven Gefühl von Hilflosigkeit und Verzweiflung, auch bei uns Angehörigen.

Aktuell befindet sich meine Mutter in einer Akutgeriatrie. Heute wurde jedoch aufgrund der Umstände (Weglauftendenz, verbale Aggressivität und die Verweigerung von Medikamenten) versucht, sie in eine Gerontopsychiatrie einzuweisen. Dies sorgt zusätzlich für Unsicherheit, da die Situation sehr dynamisch ist und wir nicht genau wissen, wie die weitere Betreuung aussehen wird.

In der Bildgebung gibt es bisher keinen Hinweis auf ein Rezidiv, nur ein sehr geringes Ödem, weshalb Dexamethason bereits abgesetzt wurde. Die Ärztinnen sind sich uneinig: die Strahlentherapeuten sehen kaum Hoffnung auf Besserung, die Neurochirurgen halten es aber für möglich. Wir stehen zwischen diesen Einschätzungen und wissen nicht, was wir glauben sollen. Eine Reha ist aktuell nicht machbar, weil sie zu schwach und zu verwirrt ist. Zwischenzeitlich musste sogar Lorazepam gegeben werden, um die Unruhe und die Weglauftendenz zu dämpfen.

Wir stehen jetzt vor der großen Frage: Ist es überhaupt sinnvoll, die Chemotherapie fortzusetzen? Oder wäre es für ihren Körper eher eine zusätzliche Qual ohne echten Nutzen? Wir haben Angst, eine falsche Entscheidung zu treffen, und gleichzeitig das Gefühl, dass die Zeit uns davonläuft.

Darum meine Fragen:
• Hat jemand von euch erlebt, dass es nach der Radiochemotherapie zunächst zu einem solch massiven Abbau kam, sich der Zustand später aber wieder verbessert hat?
• Welche Faktoren oder Therapien haben vielleicht geholfen?
• Wie seid ihr mit Symptomen wie Aggression, Verwirrtheit, Inkontinenz und dem Verlust der Selbstständigkeit umgegangen?
• Und vielleicht die schwerste Frage: Hat jemand von euch die Chemo bewusst abgebrochen, und wenn ja, wie habt ihr diese Entscheidung getroffen?

Wir sind als Familie am Limit. Es tut so weh zu sehen, wie ein Mensch, der vorher so stark, klar und gesund war, innerhalb weniger Wochen so abbaut und so leidet. Gleichzeitig klammern wir uns an jeden Funken Hoffnung, dass es doch noch besser werden könnte.

Vielen Dank an alle, die ihre Erfahrungen teilen mögen. Jede Rückmeldung hilft uns in dieser unendlich schweren Situation.

Melusine86

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Zunächst einmal: Es tut uns sehr leid zu lesen, dass es Deiner Mutter so viel schlechter geht.
Das erinnert mich an einen Zustand bei meinem Mann vor wenigen Wochen. Du schreibst, dass bei ihr ein Ödem festgestellt wurde – bei meinem Mann war die Ursache ein Ödem, das sich postoperativ entwickelt hatte. "Starke Verwirrung, Orientierungslosigkeit, Sprach- und Wortfindungsstörungen, aggressive Ausbrüche, Misstrauen, Inkontinenz" -- das haben wir ähnlich erlebt und nach Dosiserhöhung des Dexamethason und Rückbildung des Ödems und Rückgang des Drucks auf den Hirnstamm ist er nun fast wieder der alte. Seid Ihr sicher, dass ihr Ödem nur klein ist?

LeiseStimme1

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Danke für deine Antwort!

Die letzte Bildgebung fand am Donnerstag, den 04.09. in der Uniklinik statt. Der Neurologe, mit dem wir dort dazu gesprochen haben, beschrieb das Ödem zu diesem Zeitpunkt als klein. Er gab meiner Mutter an diesem Tag trotzdem noch einmal 8mg Dexamethason und verordnete bis Sonntag täglich 4 mg, mit der Option die Gabe bei Bedarf zu verlängern. Ihr Zustand hat sich jedoch unter der Einnahme in keiner Weise verändert, was meiner laienhaften Meinung ja dafür spricht, dass das Ödem nicht die Ursache ihrer aktuellen Symptome ist?

Melusine86

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Bei uns ist das Ödem aufgetreten, nachdem nach der OP das Dexamethason ausgeschlichen worden war. Über mehrere Wochen hatte sich dann der Druck auf den Hirnstamm aufgebaut mit sämtlichen Auswirkungen wie oben beschrieben – das kleine Ödem war dann irgendwann ziemlich groß und wird mittlerweile mit Dexamethason 8 mg (3x täglich, also insgesamt 24 mg) behandelt. Das ist Höchstdosierung, aber damit hat sich alles gut normalisiert (der anfängliche Versuch der Strahlentherapeuten mit 4 mg täglich hatte keinen Erfolg). Das hat natürlich auch seine Nebenwirkungen, deswegen bekommt er seit letzter Woche zusätzlich Weihrauch, in der Hoffnung, die Dexa-Dosis sukzessive senken zu können, auch um ggfs. im Verlauf der (nun begonnenen) Strahlentherapie noch Puffer für eine neue Dosiserhöhung zu haben, falls währenddessen ein neues Ödem auftreten sollte.
Natürlich lassen sich die Fälle nicht 1:1 vergleichen, jeder Tumor ist anders, aber bei meinem Mann waren all diese Symptome ein Anzeichen dafür, dass erhöhter Druck auf den Hirnstamm bestand – und dieser Umstand war reversibel. Ich will Euch keine falsche Hoffnung machen, aber vielleicht ist an dieser Stelle eine zweite Untersuchung angebracht.

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