Patienten mit einem ersten oder zweiten Rezidivs eines Glioblastoms oder anaplastischen Astrozytoms hatten von der kombinierten Behandlung mit dem Gentherapeutikum Toca 511 und dem Prodrug Toca FC im Vergleich zur Kontrollgruppe keinen Vorteil.
03.12.2020
Die Daten der Phase-I-Studie zur Behandlung hochgradiger Gliome mit Toca 511 und Toca FC klangen vielversprechend. Wissenschaftler der University of California und der Cleveland Clinic fanden Mitte 2016 bei ihrer Untersuchung heraus, dass das Leben ihrer durch die Injektion eines manipulierten Virus behandelten Patienten verlängert werden konnte. Durch die virale Behandlung stieg bei 43 Patienten mit einem hochgradigen Gliomrezidiv die Zeit des Überlebens auf durchschnittlich 13,6 Monate an, während die Patienten, die nicht an der neuen Therapie teilgenommen hatten, noch etwa 7,1 Monate lebten.
Bei der Behandlung wurde den Patienten ein retroviraler replizierender Vektor (Toca 511) injiziert. Dieses manipulierte Virus infiziert die sich aktiv teilenden Gliomzellen, so die Forscher. Außerdem liefert es ein Gen namens Cytosin-Deaminase an die Krebszellen, wodurch der zweite Schritt der Behandlung vorbereitet wird. Dieser besteht aus der Einnahme des Antimykotikums Flucytosin (Toca FC). Die durch Toca 511 ausgelösten genetischen Veränderungen bewirken, dass Toca FC in das Chemotherapeutikum Fluorouracil (5-FU) umgewandelt wird. Dieses soll zu zu einem gezielten Tod der infizierten Gliomzellen führen sowie Zellen töten, die Tumoren dabei helfen, sich vor dem Immunsystem zu verstecken. Gesunde Zellen, so die Forscher, blieben unversehrt.
Um die Daten der ersten Studienphase an einem größeren Studienkollektiv zu überprüfen, wurde an 58 Zentren in den USA, Kanada, Israel und Südkorea eine weiterführende, randomisierte Phase-II/III-Studie durchgeführt, deren finale Daten nun in der renommierten Fachzeitschrift JAMA Oncology vorgestellt worden. Wie schon bei zurückliegenden klinischen Untersuchungen mehrfach beobachtet werden musste, konnte auch bei dieser Therapie die Phase-III-Studie mit vielen Patienten die an sich positiven Daten der Phase-I mit wenigen Patienten nicht bestätigen.
Die zugrunde liegende Frage der multizentrischen Untersuchung lautete, ob die Behandlung mit Vocimagene amiretrorepvec (Toca 511) und Flucytosin (Toca FC) im Vergleich zur Standardbehandlung die Überlebenschancen von Patienten mit rezidivierendem Glioblastom und anaplastischem Astrozytom verbessert. Vom 30. November 2015 bis 20. Dezember 2019 wurden 403 Patienten mit einem ersten oder zweiten Rezidiv eines Glioblastoms oder anaplastischen Astrozytoms eingeschlossen und 1:1 auf die beiden Studienarme aufgeteilt.
In der Toca 511/FC-Gruppe erhielten die 201 Patienten 4 ml Toca 511, das zum Zeitpunkt der Operation in die Wand der Resektionshöhle injiziert wurde, gefolgt von mehreren Zyklen oraler Toca FC-Gabe etwa aller sechs Wochen. In der Kontrollgruppe erhielten die 202 Patienten die vom Prüfarzt gewählte Standartherapie, bestehend aus entweder Lomustin (aller sechs Wochen), Temozolomid (metronomisch oder im 5/23er-Schema) oder Bevacizumab (aller zwei Wochen). Die Gaben von Toca FC oder den Kontrolltherapien starteten jeweils sechs Wochen nach erfolgter Rezidivoperation.
Primäres Studienziel war das Gesamtüberleben (OS) in der Zeit vom Randomisierungsdatum bis zum Tod aufgrund irgendeiner beliebigen Ursache. Zu den sekundären Endpunkten gehörten Sicherheit, dauerhafte Ansprechrate (DRR), Dauer der DRR, Dauer des klinischen Nutzens, OS und DRR stratifiziert nach IDH1-Mutationsstatus und 12-Monats-OS.
Alle 403 randomisierten Patienten (medianes Alter: 56 Jahre; 62,5% Männer, 37,5% Frauen) wurden in die Wirksamkeitsanalyse und 400 Patienten in die Sicherheitsanalyse einbezogen (3 Patienten der Kontrollgruppe erhielten keine Resektion). Die abschließende Analyse umfasste 271 Todesfälle (141 Todesfälle in der Toca 511/FC-Gruppe und 130 Todesfälle in der Kontrollgruppe). Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 22,8 Monate. Das mediane OS betrug 11,10 Monate für die Toca 511/FC-Gruppe und 12,22 Monate für die Kontrollgruppe (Hazard Ratio, 1,06; 95% CI 0,83, 1,35; P = .62). Die sekundären Endpunkte wiesen keine statistisch signifikanten Unterschiede auf. Die Raten der unerwünschten Ereignisse waren in der Toca 511/FC-Gruppe und in der Kontrollgruppe ähnlich.
Schlussendlich muss mit Vorliegen dieser Ergebnisse festgestellt werden, dass bei Patienten mit einem ersten oder zweiten Rezidivs eines Glioblastoms oder anaplastischen Astrozytoms die Gabe von Toca 511 und Toca FC im Vergleich zur Kontrollgruppe zu keiner Verbesserung der Gesamtüberlebenszeit oder anderer in dieser Studie untersuchten Endpunkte geführt hat.
Wenn auch die Kombination eines Gentherapeutikums und eines Prodrugs die Behandlung hochgradiger Gliome in der vorliegenden Studie nicht verbessern konnte, zeigen die zusammengefassten Ergebnisse beider Studienphasen umso mehr, das weiter geforscht und neue Angriffspunkte untersucht werden müssen, damit in der Behandlung dieser Tumoren Fortschritte erzielt werden können.
Quelle: Cloughesy TF, Petrecca K, Walbert T, et al. Effect of Vocimagene Amiretrorepvec in Combination With Flucytosine vs Standard of Care on Survival Following Tumor Resection in Patients With Recurrent High-Grade Glioma. A Randomized Clinical Trial. JAMA Oncol. Published online October 29, 2020. doi:10.1001/jamaoncol.2020.3161
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