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sehr interessanter neuer Artikel:

www.focus.de

"FORSCHUNG UND TECHNIK, MEDIZIN
Krebsmodell Hund

Mensch und Hund erkranken an den gleichen Tumor-Formen. Die Vergleichende Onkologie nutzt die Gemeinsamkeit, um beiden zu helfen.
Brinkley ist ein viel beschäftigtes Tier. Der freundliche English Setter ist nicht nur ein aktives Mitglied der Familie Bach-Gorman, er dient auch als Therapiehund für psychisch Kranke. Mit seiner Besitzerin, der Therapeutin Amber Bach-Gorman, besucht Brinkley Therapiesitzungen für gestörte Jugendliche. „Seine Anwesenheit beruhigt die Patienten und sorgt für Entspannung in schwierigen Situationen“, erklärt Bach-Gorman. Deshalb war die Anteilnahme groß, als Brinkley im März schwer erkrankte. Der Tierarzt diagnostizierte ein Angiosarkom, einen bösartigen Tumor, auf der Milz. Trotz der sofortigen chirurgischen Entfernung der Geschwulst war Brinkleys Prognose schlecht. Die durchschnittliche Überlebensdauer bei dieser Erkrankung, die bei manchen Rassen häufig auftritt, beträgt ein bis drei Monate.

Bach-Gorman wollte die düstere Prognose nicht einfach hinnehmen
Bei einer Suche im Internet stieß sie auf eine Studie an der Universität Minnesota in Minneapolis, die Brinkley helfen könnte. Tierärzte und Krebsforscher an der Universität testen eine neue Vakzine gegen diese Tumorerkrankung. Brinkley wurde als einer der ersten Hunde in die Studie aufgenommen. Anfang April behandelten die Ärzte den Hund mit mehreren Infusionen des Krebsmittels. „Er hat die Behandlung gut vertragen, wir haben keine Nebenwirkungen beobachtet“, berichtet Bach-Gorman. Sogar zur Arbeit könne Brinkley sie wieder begleiten.

Noch ist unklar, ob das experimentelle Medikament gegen die Tumorerkrankung wirken wird. Von großem Nutzen ist Brinkleys Teilnahme an der Studie auf jeden Fall. Nicht nur für Hunde, sondern auch für Menschen. Die Veterinäre der Universität Minnesota arbeiten eng mit Humanmedizinern zusammen, um Tumorerkrankungen bei Hund wie Mensch zu bekämpfen. „Komparative Onkologie“ nennt sich das besonders in Amerika rasch wachsende Arbeitsfeld. Das regierungseigene National Cancer Institute (NCI) hat eigens eine Abteilung für die vergleichende Krebsforschung bei Hund und Mensch eingerichtet. „Wir setzen uns für krebskranke Hunde ein, haben aber das zusätzliche Ziel, Menschen mit Krebs zu helfen“, erläutert Chand Khanna, Leiter der Abteilung am NCI.

Oft sind die Tumore identisch

20 Unikliniken in den USA und Kanada sind mittlerweile an der Forschung beteiligt. In Europa leisten Veterinär- und Humanmediziner der Universität Wien Pionierarbeit auf dem Gebiet. Obwohl sich die Forschung noch in den Anfangsstadien befindet, berichten die Wissenschaftler bereits von viel versprechenden Ergebnissen. Mit dem Schmerzmedikament Resiniferatoxin beispielsweise, das erfolgreich bei Hunden mit Knochenmetastasen getestet wurde, beginnen derzeit klinische Studien mit krebskranken Menschen. Auch eine experimentelle Behandlung bei Hunden mit Gehirntumoren macht den Humanmedizinern Hoffnung. Nach Erfolgen bei den Vierbeinern ordnete die US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel die beschleunigte Zulassung von klinischen Versuchen am Menschen an. Mittlerweile nehmen zehn Personen mit Glioblastom, einer besonders schweren Form von Hirntumor, an einer entsprechenden Studie teil.

Dass der einfache Haushund zum Forschungsobjekt avanciert, freut neben Onkologen auch Vereine, die sich für das Wohl der Tiere einsetzen. „Hunde wurden bisher von der Forschung meist als Labortiere ausgenutzt“, sagt Rhonda Hovan vom amerikanischen Golden Retriever Club. Die Parallelforschung an Hund und Mensch sei eine einmalige Gelegenheit, zu Erkenntnissen in der Krebsforschung zu gelangen, von denen „beide Arten“ profitierten.

Mit Hilfe der vierbeinigen Patienten können die Onkologen eine Vielzahl ungelöster Rätsel entschlüsseln
Zum Beispiel die Frage, warum herkömmliche Studien mit Nagern immer wieder zu Misserfolgen führen. Etwa die Hälfte aller Krebstherapien, die Mäuse von der Tumorkrankheit heilen, versagen beim Menschen. Ein entscheidendes Problem: In den Nagetieren müssen die Tumoren künstlich hervorgerufen werden. „Hunde dagegen entwickeln Krebskrankheiten spontan wie wir“, sagt die Tierärztin Nicola Mason von der Universität Pennsylvania in Philadelphia. Manche Formen, darunter Lymphdrüsenkrebs, Leukämie sowie Knochen- und Hautkrebs, treten bei Hunden sogar viel häufiger als beim Menschen auf. Etwa ein Viertel aller Hunde erkrankt im Lauf des Lebens an Krebs, die Hälfte aller Golden Retriever stirbt an einer Tumorkrankheit.

Einen entscheidenden Beitrag zur Vergleichenden Krebsforschung hat die Entschlüsselung des Hundegenoms vor zehn Jahren beigetragen. Die Grundstruktur des Pudel-Genoms wurde 2003 veröffentlicht, das vollständige Erbgut eines Boxers zwei Jahre später. „Mit Hilfe der Daten können wir heute feststellen, ob eine Krebsform bei Hund und Mensch identisch ist“, erklärt Jaime Modiano von der Universität Minnesota. Oft sind sich die Tumoren von Hund und Mensch in ihrer Genetik und ihrem molekularbiologischen Verhalten verblüffend ähnlich. Häufig sprechen sie auf die gleichen Therapien an. Zudem erleichtert eine genetische Besonderheit bei Hunden den Forschern die Arbeit. Seit Hunderten von Jahren sind Hunderassen auf bestimmte Merkmale hin gezüchtet worden. Innerhalb einer Rasse ist die genetische Variabilität daher relativ gering. Dies vereinfacht das Aufspüren von Abweichungen, die eine Erkrankung charakterisieren.

Hunde haben wesentliche Fortschritte ermöglicht

Ein weiterer Vorteil für die Forschung ist die kürzere Lebenserwartung von Hunden. Dies hat den Nebeneffekt, dass auch Tumoren schneller wachsen. „In der Krebsforschung entsprechen fünf Hundejahre etwa einem Menschenjahr“, sagt Mason. Überlebt ein Hund dank einer erfolgreichen Behandlung ein weiteres Jahr, kann ein Mensch auf fünf Jahre hoffen. Die Wirksamkeit einer Therapie lässt sich deshalb bei den Tieren weitaus schneller feststellen.

Fortschritte, wie sie etwa bei der Erforschung des Osteosarkoms in den letzten Jahren erzielt wurden, wären ohne die Hilfe der Vierbeiner nicht möglich gewesen. Diese Form von Knochenkrebs tritt bei Hunden relativ häufig auf. Beim Menschen werden in erster Linie Jugendliche von dem besonders bösartigen Sarkom erfasst. Etwa 50 Hunde mit der Krankheit wurden an mehreren amerikanischen Kliniken mit einem experimentellen Impfstoff behandelt. Nach zwei Jahren hatte sich die Vakzine bei der Hälfte der Tiere als erfolgreich erwiesen. Den Forschern gelang es, in den Tumoren jener Tiere, bei denen das Medikament wirkte, einen bestimmten Biomarker zu identifizieren. Er fehlte bei Hunden, die nicht auf den Impfstoff ansprachen. Derzeit läuft eine weitere Studie, in die nur Hunde mit diesem Biomarker aufgenommen werden. Ist der Versuch erfolgreich, könnte ein ähnlicher Wirkstoff bei Menschen mit der gleichen Variante des Tumors getestet werden. Modiano: „Um zu den gleichen Erkenntnissen mit Studien an Menschen zu kommen, hätten wir mindestens 20 Jahre anstatt fünf gebraucht.“

Die Arbeit mit Hunden soll die bisherige Forschung keinesfalls ersetzen
Die meisten Mittel, die in der Vergleichenden Onkologie zum Einsatz kommen, sind zuvor in klassischen Tierversuchen an Mäusen und Ratten getestet worden. „Mit Hilfe der Hunde können wir unsere Waffen präzisieren und Unterarten von Krebs gezielter anpeilen“, sagt Chand Khanna vom National Cancer Institute.

Die Arzneimittelindustrie zeigt an den neuen Wirkstoffen bereits großes Interesse. Insbesondere kleinere Biotechnologieunternehmen, die neuartige Krebsmittel entwickeln, stellen den niedergelassenen Tierärzten ihre Produkte gern zur Verfügung. Auch der Pharmariese Novartis versorgt Modiano und seine Kollegen mit einem Medikament, das sie derzeit bei Hunden mit Lymphom testen. In Versuchen mit Mäusen hatte die Substanz bei manchen Tieren das Fortschreiten der Krankheit gebremst. Erste Ergebnisse wird Modiano auf einer Onkologentagung im Juni bekanntgeben."



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