Neuroonkologie-Update 2015 - Ein kritischer Rückblick auf die zurückliegenden Monate
Zum mittlerweile achten Mal fand am vergangenen Wochenende in Dresden das Neuroonkologie-Update „What’s up in Neurooncology – Wupin 2015“ statt. Das Konzept hinter der Veranstaltung sieht eine Zusammenfassung aller zu einem bestimmten Thema veröffentlichten Arbeiten der vergangenen zwei Jahre vor, so dass die Teilnehmer einen Überblick zum aktuellen Stand in der Neuroonkologie erhalten.
Renommierte Fachärzte aus zahlreichen Kliniken der Bundesrepublik stellten unter anderem für maligne Gliome, Meningeome, Hirnmetastasen und kindliche Hirntumoren, ebenso wie für Strahlentherapie, Immuntherapie und klinische Studien die Erkenntnisse der letzten 24 Monate vor. Damit bot die Veranstaltung die Möglichkeit zu beurteilen, wohin die wissenschaftliche Entwicklung in der Neuroonkologie geht und was aktuell für den klinischen Alltag relevant ist.
Ein Hauptaugenmerk des zweitägigen Programms war die Immuntherapie, die viele der anwesenden Experten als zukunftsweisend bezeichnen. Trotz dessen sich auf diesem Gebiet in den letzten Jahren viel getan hat, muss festgehalten werden, dass die Forschung zu immuntherapeutischen Ansätzen noch am Anfang steht. Da viele dieser Konzepte ganz bestimmte, molekulargenetisch definierte Subgruppen zum Ziel haben, wird es eine allgemein wirksame Immuntherapie auch in Zukunft kaum geben. Einmal mehr zeigt sich hier das Konzept der individualisierten Tumortherapie als möglicher Schlüssel zum Ziel und man darf gespannt sein, wie es weiter geht.
Spätestens wenn voraussichtlich im kommenden Jahr die neue WHO-Klassifikation der Hirntumoren kommt, wird sich einiges im klinischen Alltag hinsichtlich der Diagnose neuroonkologischer Tumoren ändern. Dann nämlich werden molekulargenetische Faktoren wie der IDH1-Mutationsstatus, der Allelverlust auf den Chromosomen 1p und 19 q und die MGMT-Promotormethylierung obligatorisch zur Diagnosesicherung hinzugezogen und die rein pathologische Betrachtung des Tumormaterials unter dem Mikroskop obsolet. Perspektivisch wird weiteren molekulargenetischen Aspekten mehr Gewicht zukommen und die große heterogene Gruppe der Gliome in zahlreiche Subgruppen unterteilt werden. Tumorentitäten wie das Oligoastrozytom wird es dann nicht mehr geben, sondern je nach molekularen Charakteristika wird man hier ein Oligodendrogliom oder ein Astrozytom, niedrig- oder höhergradig klassifizieren. Diese Neuerungen bergen die Chance in sich, bessere und gezieltere prognostische Aussagen zu treffen und Therapieentscheidungen davon abhängig zu machen – bringen für die Konzipierung klinischer Studien jedoch auch neue Herausforderungen mit sich.
Mit Blick auf die aktuelle Studienlandschaft muss nach dem Neuroonkologie-Update festgestellt werden, dass man insbesondere mit Blick auf die Glioblastome nicht viel weiter ist als vor zehn Jahren, als mit dem Stupp-Protokoll der heutige Therapiestandard implementiert worden ist. Zwar zeichnet sich mit den Tumortherapiefeldern eine zusätzliche Therapieoption ab und die für Anfang 2016 in Aussicht gestellte Publikation der zugehörigen Studiendaten wird hier sicher Klarheit bringen, doch gerade im Bereich neuer Wirkstoffe konnten seither keine echten Verbesserungen verbucht werden. Zahlreiche in Phase II mit guten Ergebnissen für Aufsehen sorgende Studien scheiterten in Phase III – nicht zuletzt Bevacizumab in der BELOREC-Studie, wo dessen Kombination mit CCNU keinen zusätzlichen Vorteil gegenüber der alleinigen CCNU-Gabe gezeigt hat. Zukünftig wird es vor dem Hintergrund dieser Daten vermutlich schwieriger werden, die Kosten für Bevacizumab im wiederholten Rezidivfall seitens der Kassen erstattet zu bekommen.
Wo es in den vergangenen Jahren Verbesserungen gegeben hat, sind die technischen Anwendungen – angefangen von der diagnostischen Bildgebung über die neurochirurgische Resektion bis hin zur Strahlentherapie. Neue Entwicklungen machen diese Bereiche eindeutiger, sicherer und effektiver. Erfreulich ist, dass es hinsichtlich der noch recht jungen Protonentherapie mittlerweile vier deutsche Zentren in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft gibt, an denen sich Patienten mit einer für diese Therapie geeigneten Diagnose behandeln lassen können. Weitere, auch kooperative Studien sind in diesem Bereich geplant, wobei ganz klar festgehalten werden muss, dass es bei der Protonentherapie weniger um eine Wirksamkeitssteigerung der Bestrahlung als vielmehr um eine Verbesserung hinsichtlich der Lebensqualität und der Spättoxizitäten geht.
Auch wenn am Ende des Tages der große Therapiedurchbruch noch auf sich warten lässt, kann mit Blick auf die zurückliegenden Monate und Jahre festgehalten werden, dass sich die Patientenversorgung deutlich verbessert hat und auch die Begleitung der betroffenen Familien ausgebaut worden ist.
M.Thomas