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Adler

Bevacizumab gegen Hirntumor - Kein längeres Gesamtüberleben

Der Basler Pharmakonzern Roche hat am Sonntag auf der 49. Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) die vollständigen Resultate der "AVAglio"-Studie zu seiner Substanz Bevacizumab bei der Behandlung von Hirntumoren präsentiert. Die Resultate bestätigten, dass Patienten mit Bevacizumab plus Strahlentherapie und Chemotherapie von einer signifikanten Verbesserung des progressionsfreien Überlebens profitiert hätten. Das Gesamtüberleben wurde in der Studie nicht signifikant verlängert. Roche werde diese Daten nun mit den Zulassungsbehörden erörtern.


Quelle: Kategorie: Biotech & Pharma News | Finanznachrichten Schweiz | Datum: 02.06.2013
www.boerse-go.de/nachricht/Roche-Nur-Teilerfolg-bei-Avastin-Hirntumor-Kein-laengeres-Gesamtueberleben-CH0012032113,a3100402.html

Mfg

markro

Zitat von Adler:
" Die Resultate bestätigten, dass Patienten mit Bevacizumab plus Strahlentherapie und Chemotherapie von einer signifikanten Verbesserung des progressionsfreien Überlebens profitiert hätten. Das Gesamtüberleben wurde in der Studie nicht signifikant verlängert."

Das widerspricht sich doch selbst. Was willst Du damit?

Prof. Mursch

Zu Ihren Aussagen:
1. "Das widerspricht sich doch selbst."
Nicht wirklich, es dauert halt länger, bis das dann aber rasch tödliche Rezidiv erscheint. Vielleicht eine längere Zeit ohne Tumor.

2. "Was willst Du damit?"
Das ist wirklich die Frage.

Prof. Dr. med. Kay Mursch
Neurochirurg
Zentralklinik Bad Berka

Harry Bo

Hallo Adler,
wir hatten hier schonmal darüber gesprochen:
http://forum.hirntumorhilfe.de/neuroonkologie/wie-lange-geht-bevacizumab-gut-6650.html

Es ist tatsächlich die Frage für wen es was bringt.
Nicht länger, aber länger besser damit leben?
Ich tendiere dazu es zuletzt als Verlängerung zu nutzen, wenn Chemos nicht mehr anschlagen.

redwood

Hallo Adler,
in der Pressemeldung werden die Ergebnisse der Studie verschönt dargestellt. Es wird versucht, den Markt zu beeinflussen und eine Pressemitteilungen bzw. ein Medikament zu lancieren. Nicht ohne Grund hat die EMEA Avastin für die Behandlung von Hirntumoren nicht freigegeben.

Weihnacht

Hallo zusammen,

war viele Jahre in der PR (Public Relations) tätig. Diese Meldung eignet sich recht gut, auf sich (das Unternehmen, die Marke) aufmerksam zu machen. Alles, was die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit weckt, wird genutzt. Was mir als PR-Frau damals nicht in den Sinn gekommen wäre, ist, dass Betroffene den Text natürlich viel genauer lesen ...

Grüsse
Isabell
aus Basel

Harry Bo

Wenn man bei google news "Avastin Brain" eingibt kann man in den Suchergebnissen schön sehen, dass die Schlagzeilen aus medizinischen Kreisen als Flop gewertet werden (Medikament kann das Gesamtüberleben nicht verlängern) und die anderen Meldungen (Medikament verzögert Tumorwachstum) alles Finanznachrichten sind in denen es um die Aktiengesellschaft des Herstellers geht.

ehemann und vater

Hallo ,
die aktuelle Diskussion finde ich ein wenig bescheiden........

Bei meiner Frau hat das Avastin super gewirkt, im November laut Chefarzt KK Lebenserwartung von wenigen Wochen, heute geht es ihr dementsprechend richtig gut.

Ob die EMEA das Avastin aktuell ablehnt oder nicht, ist in meinen Augen
zweitranngig, meiner Frau hat es super geholfen.
Ich haben jetzt mehrere Patienten kennengelernt die mit Avastin und späterer Dauerchemo seit Jahren (Teilweise mehr als 5 Jahre) sehr gut Leben können, in meinen Augen ist jeder Tag ein gewonnener.
Im KK hieß es zu mir und den Kindern, meine Frau würde niemals Ostern oder den Sommer erleben, wir haben aber jetzt schon Sommer!

Nicht destro trotz wünsche ich euch allen einen schönen Tag

Ralf

alma

Ja, das sehe ich auch so. Bei jeder Therapie gegen den Tumor hofft man doch, zu den Ausreißern der Statistik zu gehören, die es ja auch gibt, selbst hier im Forum.
Und Verlängerung der rezidivfreien Zeit kann doch auch ein wertvoller Gewinn sein. Da ist mal Ruhe und Erholung möglich.

Alma.

Prof. Mursch

@ Ehemann und Vater:
Es freut mich ehrlich für Sie.

Hier haben wir es aber wieder mit dem alten Problem zu tun:
wenn jemand schreibt: "bei mir hat es geholfen", wird das als konkrete Aussage in Foren oft sehr ernst genommen. Das kann aber sehr gut ein Zufall sein. Auf jeden Fall ist es nur eine Einzelfallbeobachtung.

Wenn ich meine Patienten berate, muss ich mich an die objektive Auswertung bei Tausenden von Patienten halten. Hier weiß ich dann, wie groß die Chance für den einzelnen Patienten ist, dass das Medikament wirkt oder nicht.
Dafür sind Studien da.

Sonst begibt man sich auf das Niveau: "Wieso ist Rauchen denn ungesund? Mein Oma hat auch geraucht und ist 100 geworden....."

Prof. Dr. med. Kay Mursch
Neurochirurg
Zentralklinik Bad Berka

Harry Bo

Für alle Patienten mit dem Urteil Glioblastom sind ein paar Monate mehr oder wenig schon viel und mehr oder weniger neurologische Beeinträchtigungen wenigstens ein wichtiger Punkt bei der Lebensqualität.

Da es immer mehr Patienten gibt, die der Statistik ein kleines Schnippchen schlagen, weil sie neben Standard auch Weihrauch, chloroquin, DC, Avastin, DCA, THC B17, Hyperthermie oder sonstwas nehmen wird leider wissenschaftlich nicht ausgewertet.

Der Satz "wissenschaftlich nicht erwiesen" ärgert mich immer, weil es die Wissenschaft selbst ist, die den Nachweis nicht erbringen möchte oder kann.

Avastin ist und bleibt einen Versuch wert, solange es keine Alternativen gibt, die bei Versagen des ach so heiligen TMZ noch etwas bringen.

Einzelfälle hin oder her, wenn es nur in Deutschland und nur in ausweglosen Situationen so ca. 10-20 Einzelfall-Patienten im Jahr gibt, die ein paar Monate gute Lebenszeit gewinnen, dann ist es nicht verantwortungsvoll diese Fälle unter den Teppich zu kehren oder einfach abzuschaffen.

Gruß Harry

Sandyy

@Ehemann und Vater: Das ist so schön, dass das Avastin bei deiner Frau gewirkt hat! Ich habe nun schon von einigen gehört, dass es geholfen hat nachdem die Standardtherapie mit Temodal nichts gebracht hat.

Auch wir überlegen es uns.
Meine Mutter hat ja Mitte Januar die Diagnose bekommen (GBM okzipital rechts) und im April, Mai war das Rezidiv schon da. Außerdem hat sie links frontal die Gliomatosis cerebri. Unser behandelnder Arzt hat gesagt, dass wir noch den 3. Zyklus Monotherapie Temodal abwarten sollen und wenn dann weiter ein Progress zu beobachten ist, dann stimmt die Uniklinik evtl einer Avastinbehandlung zu...

Ein sehr auf Hirntumoren spezialisierter Arzt hat mir gesagt, dass meine Mutter zu 70 % auf Avastin ansprechen würde und wir SOFORT damit anfangen sollen...
und hier bei uns in Baden-Württemberg wird uns gesagt, dass meine Mutter die Voraussetzungen für eine Behandlung mit Avastin noch nicht erfüllt, da sie ja erst den 2. Zyklus Temodal hinter sich hat...
Was es doch für Unterschiede in der Behandlung gibt...

@Harry es kommt mir auch so vor...immer sagt man, dass es nich wissenschaftlich bewiesen ist, aber man könnte doch viel mehr hinsichtlich dieser Sache forschen und mehr Geld investieren!

Harry Bo

Der Hersteller hat heute bekannt gegeben, dass Avastin in Japan die Zulassung für maligne Gliome bekommen hat und zwar sowohl:
- Bei neu diagnostiziertem Glioblastom in Verbindung mit Strahlen und Temozolomid Chemotherapie
als auch
- als Monotherapeutikum bei rezidvierenden hochgradigen Gliomen.

Gruß Harry

Prof. Mursch

@ sandyy:
Es ist doch wissenschaftlich erwiesen, dass Avastin das Überleben nicht verlängert.
@Harry Bo:
In Japan werden auch neue Kernkraftwerke zugelassen....

Mal im ernst: Ich respektiere ja, dass jeder nach jedem Strohhalm greifen will. Es muß nur Regeln für den Einsatz und die Bezahlung von neuen Medikamenten geben. Diese müssen nach nachvollziehbaren Kriterien erstellt werden.
In Deutschland wird vergleichsweise sehr viel bezahlt und genehmigt. Das muß auch bezahlbar bleiben. Klar will die Pharmaindustrie so viel wie möglich verkaufen. Da kommt die Angst und Verzweiflung von Erkrankten gerade recht.

Prof. Dr. med. Kay Mursch
Neurochirurg
Zentralklinik Bad Berka

talbo

Sehr geehrter Herr Prof. Mursch,

zunächst einmal vielen Dank, dass Sie sich und Ihr Fachwissen hier regelmäßig im Forum einbringen. Das ist immer wieder eine wertvolle Hilfe. Bei diesem Thema gehen Sie nun auffällig leidenschaftlich zu Werke. Auch das ist natürlich legitim, wobei Ihre Aussage "Es ist doch wissenschaftlich erwiesen, dass Avastin das Überleben nicht verlängert" von vielen Kollegen so pauschal wohl nicht unterschrieben werden würde. Warum wird sonst in Deutschland längst von Neuroonkologen (auch den renommiertesten) Avastin verschrieben - und notfalls erstritten? Einzig, weil unbelehrbare Patienten es so wollen?

Mit freundlichem Gruß

M.Staege

Hallo talbo,

wie bereits dem ersten Post dieses Threads zu entnehmen ist, besagt die Auswertung der internationalen AVAglio-Studie eindeutig, dass nur das progressionsfreie Überleben durch Bevacizumab verlängert werden konnte, "das Gesamtüberleben wurde in der Studie [jedoch] nicht signifikant verlängert".

Genau so wurden die finalen Studienergebnisse auch auf dem ASCO 2013 (Jahrestreffen der American Society of Clinical Oncology) in Chicago vorgestellt.

Bereits die Vorab-Veröffentlichung der ersten Daten erbrachte dieses Ergebnis: "RESULTS: 921 patients were enrolled from 2009 to 2011. Baseline characteristics were as follows: 63% male, 36% >60 years, 16%/59%/25% RPA class III/IV/V, 68% KPS 90-100, and 42%/47% with complete/partial resection. The study met its co-primary endpoint of improved PFS; however, the interim analysis of OS did not reach statistical significance."

Quelle: Neuro-Oncology 14:vi101–vi105, 2012
http://neuro-oncology.oxfordjournals.org/content/14/suppl_6/vi101.abstract

mfg
M. Thomas

alma

Ich verstehe natürlich das finanzielle Argument. Aber wenn man das mal durchdekliniert, entstehen den Kassen auch Kosten durch überflüssige, eigentlich sinnlose Eingriffe, ein Zuviel an diagnostischen Untersuchungen, überteuerte Medikamente anderer Art usw. Ich habe selbst lange im medizinischen Bereich gearbeitet und weiß, was allein in Arztpraxen alles unternommen wird, um auf einen besseren Schnitt zu kommen.
Um es nochmal zu sagen: ein progressionsfreies Überleben ist für einen Glioblastom-Patienten an sich schon ein Wert. Bei einer solchen Erkrankung hängt die Messlatte subjektiv eben tiefer.

Gruß, Alma.

Prof. Mursch

@ Talbo:
"auffällig leidenschaftlich zu Werk"

das verstehen Sie falsch.
Wenn Sie meine alten Beiträge kennen würden (was Sie nicht müssen) , würden Sie wissen, dass es mir nicht um ein spezielles Medikament geht (die kommen und gehen), sondern darum, dass man Daten sauber interpretiert und Patienten mit lebensbedrohlichen oder tödlichen Erkrankungen ehrlich berät.
Diese Menschen lassen nämlich aus Hoffnung eine Menge mit sich machen, sind oft potentielle wehrlose Opfer von allen möglichen Verkäufern und greifen nach Strohhalmen.
Ich sehe solche Menschen häufig in der Sprechstunde und weiß wovon ich rede. Außerdem haben wir darüber geforscht.
Wichtig ist vielleicht auch zu wissen, dass jedes Forum auch von Interessenvertretern mit gefakten Posts bedient wird. Das ist bei Hirntumoren seltener als bei anderen Erkrankungen, mit denen man mehr Geld machen kann, aber immerhin.

Man kann Betrug mit Wundermitteln oder auch nur Einflußnahme aus Gründen des eigenen Vorteils nicht unterbinden. Aber wenn man etwas anbietet, dann müssen die Karten auf den Tisch und der Patient muß gut objektiv informiert eine eigene Entscheidung treffen können. Dazu gehört auch, dass Studien ehrlich interpretiert werden und Einzelfälle als solche und nicht als Regel dargestellt werden.


Prof. Dr. med. Kay Mursch
Neurochirurg+ Mitglied von Transparency International (Antikorruptionsorganisation)
Zentralklinik Bad Berka

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