Hirntumoren bei Kindern - Tagung des Behandlungsnetzwerkes HIT in Göttingen
Hirntumoren treten nicht nur im Erwachsenenalter auf, sondern betreffen auch Kinder und Jugendliche. Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 450 junge Patienten an einem Tumor des zentralen Nervensystems. Somit zählen diese Tumoren bei Kindern zu den häufigsten Krebsarten und stehen an zweiter Stelle der Häufigkeitsstatistik. Wie auch bei erwachsenen Patienten stellen kindliche Hirntumoren die behandelnden Ärzte vor besondere Herausforderungen und gehören in die Hände erfahrener Spezialisten.
Mit dem Ziel der flächendeckenden Sicherung und Verbesserung der Qualität von Diagnostik und Therapie kindlicher Hirntumoren wurde im Jahr 2000 das HIT-Netzwerk etabliert, welches durch seine Vernetzung der unterschiedlichen Studienzentralen mit gemeinsamen Referenzzentren und Begleitforschungsprojekten gekennzeichnet ist. Vergangenes Wochenende fand nun die 14. Jahrestagung des überregionalen Behandlungsnetzwerkes statt, zu welchem rund 500 Fachärzte und Familien betroffener Kinder nach Göttingen kamen.
Schwerpunkte des zweitägigen Programms bildeten die Themenbereiche „Neue Ansätze in Therapie und Diagnostik“ sowie die „Langzeitnachsorge“ nach Hirntumorerkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Dabei wurde insbesondere auch neueren molekularen und immunologischen Erkenntnissen Rechnung getragen sowie komplementärmedizinische, psychoonkologische und kommunikative Aspekte berücksichtigt.
Bei den höhergradigen Gliomen plant man ab 01.07.2016 mit dem Einschluss in die HIT-HGG-2013-Studie zu beginnen, bei der zusätzlich zum derzeitigen Therapiestandard der Strahlenchemotherapie mit Temozolomid als weitere wirksame Substanz entweder der Histondeacetylase-Inhibitor Valproinsäure oder der Autophagie-Inhibitor Chloroquin gegeben wird. In diesem Studienarm eingeschlossen werden Patienten mit Glioblastom, anaplastischem Astrozytom und diffus-intrinsischem Ponsgliom über 3 Jahren. Die Rezidivstudie HIT-HGG-REZ-Immunovac steht kurz vor der Einreichung bei den zuständigen Behörden und soll in drei deutschen Vakzinierungszentren Patienten zusätzlich zu einer metronomischen Chemotherapie mit dendritischen Zellen behandeln. In der Pilotphase der Studie wurden bisher neun Einzelheilversuche mit vielversprechenden Ergebnissen durchgeführt.
Bei den Medulloblastomen und Ependymomen geht die Entwicklung weiter zu individualisierten, zielgerichteten Therapien entsprechend der jeweiligen molekularen Subgruppe. Diese weitere Unterteilung der Entitäten schlägt sich auch in der neuen WHO-Klassifikation der ZNS-Tumoren nieder, welche im Sommer dieses Jahres veröffentlicht wird und auch bei den kindlichen Hirntumoren einige Änderungen mit sich bringt.
Ebenfalls unter dem Aspekt der molekularen Charakterisierung wurden Biopsien von diffus-intrinsischen Ponsgliomen diskutiert, die häufig durch eine Mutation im Histon H3 charakterisiert sind. Denkbar wäre eine Studie, die gezielt diese oder andere möglicherweise vorhandene Mutationen ins Auge fasst. Insbesondere vor dem Hintergrund der Lokalisation werden überregionale prospektive Studien gefordert, um den Stellenwert der bioptischen Sicherung zur klären.
Neben dem alljährlichen wissenschaftlichen Programmteil wurde in diesem Jahr explizit ein Programm für Eltern und Patienten angeboten. In Workshops zu den verschiedenen Hirntumorentitäten konnten sich die Teilnehmer mit den Leitern der Therapieoptimierungsstudien und Referenzzentren austauschen und individuelle Fragen klären.
M. Thomas