Lutz[a]
Trojanisches Pferd gegen Hirntumore
Das Metall Gadolinium könnte eine effektive Strahlentherapie von bestimmten Gehirntumoren ermöglichen. Diese Meinung vertritt jetzt ein internationales Team aus Physikern, Medizinern und Biologen. Die Forscher hatten entdeckt, dass das Metall in die Zellkerne von bösartigen Glioblastomen eindringt. Damit macht es die Krebszellen empfänglich für eine Strahlentherapie.
Gadolinium wird seit über fünfzehn Jahren als Kontrastmittel für die Kernspin-Tomographie von Tumoren benutzt. Bislang ging man davon aus, dass sich das Metall zwischen den Tumorzellen anreichert. Damit schien es ungeeignet für eine Strahlentherapie mit Neutronen, da hierfür eine enge Nähe zum Erbgut der Zellen nötig ist. Wie die Forscher nun aber in "Cancer Research" berichten, werden Gadolinium-Verbindungen in kultivierte Glioblastom-Zellen aufgenommen und lagern sich in deren Zellkernen ab.
"Niemand hielt eine Gadolinium-Therapie für möglich", erläutert Gelsonima De Stasio, Biophysikerin an der University of Wisconsin, Madison, und Leiterin der Gruppe. "Allgemein wurde angenommen, dass Gadolinium-Verbindungen außerhalb der Tumorzellen bleiben und daher nicht den Zellkern erreichen würden. Wir haben gezeigt, dass dem nicht so ist."
Sollte sich das Metall im menschlichen Organismus ebenso verhalten, werde eine effektive Glioblastom-Therapie durch Neutronenbestrahlung möglich, hoffen die Forscher. Fängt ein Gadolinium-Atom nämlich langsame, so genannte "thermische" Neutronen ein, beginnt eine Kette von Reaktionen. Dabei wird die DNA der Tumorzellen zerstört und die Zellen abgetötet.
"Es ist wie eine kleine Atombombe", so De Stasio enthusiastisch. "Dort wo das Gadolinium sitzt, gibt es eine sehr starke und ziemlich zerstörerische Reaktion". Normales Hirngewebe, das kein Gadolinium aufgenommen hat, werde von der Bestrahlung dagegen nicht in Mitleidenschaft gezogen.
Glioblastome gelten als besonders bösartige Hirntumore. Allein in Deutschland wird diese Krebsart jährlich bei etwa 5.000 Patienten neu diagnostiziert. Als Standardtherapie gilt bislang die Operation, der eine Chemo- oder eine Strahlentherapie folgen muss, um eventuell im Körper verbliebene Tumorzellen abzutöten. Für die Strahlentherapie werden meist Bor-Verbindungen eingesetzt, die Neutronen jedoch weitaus schlechter einfangen als Gadolinium.
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