Liebe Kess,
magst Du verraten, wer dieses "Urteil" über Dich fällt. Ich hoffe doch, dass es keiner der Ärzte ist oder Dir hier so etwas begegnet ist.
Am Anfang der Erkrankung hatte ich leider immer wieder Menschen im Umfeld, die mich mit Brustkrebspatientinnen verglichen haben, nach meinem WHO-Grad fragten. Mit II liege ich zwischen gut- und bösartig. Mich damit verletzten, dass mir gesagt wurde, dass bei einer Bestrahlung des Brustkrebses aber schmerzhafte Hautverbrennungen auftreten.
Na ja, ich gehe mittlerweile solchen Gesprächen aus dem Weg, weil ich den Ansatz pervers finde, Leid mit Leid zu vergleichen. Warum soll ich außerdem Ignoranten davon überzeugen, dass ein Hirntumor kein harmloser "Kratzer am Kopf" ist. Es muss die Bereitschaft da sein, das Leid anderer Menschen anzuerkennen und zu ertragen. Das fällt manchen Menschen schwer, weil sie dann auch mit Themen wie Verletzlichkeit stärker in Berührung kommen würden.
Eine Kleinigkeit finde ich nur noch nervig: An der bestrahlten Stelle wachsen die Haare recht lockig nach, da ich von Natur aus gewellte Haare habe. Dann kommen diese Allerweltsweisheiten, das Haare nach der Chemo immer (!) besonders schön und immer lockig (!) nachwachsen. Ich habe dann keine Lust zu erklären, dass bei den gängigen Hirntumortherapien die Haare durch die Bestrahlung ausfallen und unter Umständen gar nicht mehr wachsen. Sie würden auch nicht verstehen, dass Haare bei unser Erkrankung häufig noch das geringste Problem sind.
Leider werden solche Denkansätze dadurch unterstützt, dass Verlage und Medien gerne Geschichten und Skripte kaufen, die Heldengeschichten und Dramen sind. Das Vielgestaltige, die Stagnation und das Schillernde gibt es nicht.
Allerdings ist mir eine solche Haltung bei den Ärzten und Psychotherapeuten sowie Menschen in sozialen Berufen bisher nicht begegnet.
LG
Mego