Hallo Ihr Lieben,
mich hat das, was Holunder geschrieben hat, so tief bewegt, dass ich die letzten Tage keine Ruhe hatte. Letzendlich entschieden, nochmals mit Euch zu reden. Wenn es zu viel wird – nicht weiter lesen, diese Freiheit haben wir hier. Noch ein Grund: mittlerweile habe ich praktisch niemanden, mit dem ich offen sprechen kann. Sogar die ganz nah Stehenden zucken erschrocken zusammen, melden sich nicht mehr. Kann ich gut verstehen, niemand ist schuld...
Ich bin 53 jetzt. Mir hat Krebs drei wichtigsten Menschen ganz brutal weggenommen: meine Mutter (ich war 33), meinen ersten Mann (41) und meinen zweiten Mann – vor fast 5 Monaten. Sie sind in meinen Armen gestorben. Als mein erster Mann gegangen war, dachte ich: jetzt ist mein Leben zu Ende, ich schaffe es nicht, ich habe keine Kraft, ich kann nicht mehr. Ich konnte aber auch nicht mich umbringen: meine Tochter war erst 12! Langsam, langsam, es hat Jahre gedauert. In der Zwischenzeit habe ich angefangen zu fressen, brachte 107 kg auf die Waage. Es ging nur darum, einigermaßen zu funktionieren. Keine Wünsche, gar keine, nur alles ausfüllende Leere. Irgendwann, nach 3 oder 4 Jahren, kam der Gedanke: jetzt reicht es, willst du noch etwas aus deinem Leben machen, hat das noch Sinn? Zurück ins Leben gekämpft, 40 kg abgenommen, ich konnte mich wieder über den Sonnenschein freuen. Und da kam meine zweite große Liebe – ich hatte nicht mehr gehofft. Wir waren mit meinem Klaus 6 Jahre zusammen, 2016 geheiratet. Über 2000 mails – wir schrieben jeden Tag einander, jede Minute bewusst, was für Glück wir haben, mit tiefster Dankbarkeit. Absturz. Seit April 2018 war unser Leben nicht mehr zu retten. Jetzt bin ich da wo ich bin.
Was ich aber Euch sagen möchte: es wird besser. Vielleicht hilft es Euch, vielleicht kann ich mit meiner bitteren Erfahrung Euch Mut machen? Klar, wir sind mit Schmerzen und Trauer überfüllt. Aber: NIEMAND IST SCHULD. Es ist uns passiert, es hat uns getroffen, aber so ist es im Leben und niemand ist schuld. Es ist NORMAL, dass wir so um unsere Geliebten trauern. Weil wir sie so lieben. Ich will meine Trauer auch nie verdrängen oder mich von ihr abzulenken. Sie gehört zu meinem Leben, sie ist mir wichtig, sie lasse ich mir nicht wegnehmen - weil mir mein Klaus so unglaublich fehlt. Wenn die traurigen Gedanken kommen, es ist in Ordnung. Ich erinnere mich weinend an ihn. Die Fotos, groß und klein, hängen an den Wänden, stehen im Büro auf dem Tisch. Ich schreibe ihm noch ins Tagebuch. Aber es kommt immer wieder vor, dass ich lächle. Als es in Februar so warm und sonnig war, habe ich meiner Tochter geschrieben: ich fühle mich plötzlich glücklich! Und das ist auch IN ORDNUNG. Das Wort „akzeptieren“ hasse ich, aber irgendwie nehme ich immer mehr mein Schicksal so wie es ist.Was wäre Alternative? Nicht mehr zu leben? Und noch einen Gedanken möchte ich Euch auf den Weg geben: das Leben ist voll Überraschungen. Bleibt neugierig.
Viel Geduld, es wird schon.
Eure Geniya