Hallo an alle,
ich war jetzt ein paar Tage nicht hier, da wir superlieben Besuch hatten, was mir sehr gut tat! :-)
Gestern Abend schaute ich hier rein und war ziemlich deprimiert, dass es hier allgemein etwas rauer im Umgangston geworden ist. Das macht mich nachdenklich und irgendwie traurig. Das nehme ich mal zum Anlass, was mich bewegt, warum ich hier bin und warum ich es gut finde, dass Betroffene und Angehörige in eine Forum - ungetrennt! - zu finden sein sollten...
Der Hauptgrund, weshalb ich in diesem Forum bin, war ursprünglich der, dass sich Betroffene, wie auch Angehörige untereinander austauschen können.
Wie sollen Angehörige ihre erkrankten Lieben durch und durch verstehen, wenn sie leider nicht mehr in der Lage sind, sich zu äußern, wie sie etwas aufnehmen, was sie fühlen oder gar denken. Was sie bewegt, warum einige sich komplett zurück ziehen oder ganz offen damit umgehen oder nicht. Einige schämen sich vielleicht sogar, anderen tabuisieren das Thema komplett - tun so, als gäbe es das nicht.
Andersherum könnte ich mir vorstellen, dass es für uns Betroffene nicht immer überschaubar ist, was auf uns zu kommen KÖNNTE. Wenn ich von mir ausgehe, dann finde ich das sehr mutig und gut, wenn Angehörige ihre Sorgen und Ängste mit uns teilen, wenn sie darüber berichten, wann und wo und durch was sie an ihre Grenzen kommen.
Ich werte das für mich als sehr wertvoll, denn so kann ich als Betroffene mit meinen Lieben/Angehörigen "in Ruhe" genau darüber sprechen, falls es mir genauso geht, was sie dann tun könnten/können.
Was aus meiner Sicht schwierige Situationen auf beiden Seiten sind; Die Nerven liegen blank - auf beiden Seiten!
Bei den Angehörigen, die rund um die Uhr ihre erkrankten Lieben versorgen, sie pflegen, sich bemühen und sich mit den Ämtern, dem Bürokratismus herumschlagen müssen - sich um all das bekümmern, wozu wir Betroffenen nicht mehr in der Lage sind und sie dadurch oft über ihre Kräfte hinaus weiter funktionieren MÜSSEN!Erschwerend kommt hinzu dass sie oft die Launen der Erkrankten aszuhalten haben, weil diese nicht mehr in der Lage sind, ihre Gefühle zu kontrollieren, sich zu bremsen oder einfach nur ruhig zu sein was leider nicht immer an Medikamenten liegt - das muss ich auch mal ganz ehrlich sagen - das sehr viel mit dem gesamten Charakter eines jeweiligen Menschen zusammenhängt, in welche Richtung man tendiert, wenn man durch Medikamente zusätzlich aus den Fugen gerät, weil diese gewisse Eigenschaften verstärken oder abschwächen.
Ein "harmloseres Beispiel" meinerseits? ;-)
Okay.... Seelenstriptease;
Normal esse ich nicht sooo viel, weil ich gerne mein Gewicht halten möchte. Als ich aber Remergil nehmen musste, legte ich scheinbar jegliche Hemmungen diesbezüglich ab! Ich futterte plötzlich ziemlich unkontrolliert in mich hinein und wurde vermeintlich nicht mehr satt! Sicherlich, ich lagerte auch Wasser durch die Chemo ein, ernährte mich bewusst - antikrebsgerecht - aber die Mengen standen in keiner Relation. Akuter Bewegungsmangel, da ich nach der OP nicht viel machen durfte und durch die Chemo schlaffi war, taten den Umständen nach ihr übriges dazu, dass ich plötzlich 16 kg mehr auf den Rippen hatte. Das war für mich katastrophal und ich fühlte mich durch das Remergil zusätzlich sowas von gereizt statt beruhigt! Gut, dass ich Freunde hatte, die mir in den Allerwertesten traten und mich wieder "zurecht rückten". Ich wollte wieder ICH sein! Ne kleene Zicke konnte ich schon vorher sein, doch durch das Remergil und meiner inneren eigenen Unzufriedenheit wurde mein Verhalten verstärkt.
Mein Schatz sagte mir das zwar, aber es kam bei mir nicht an. Ich tat es als ewige Nörgelei ab. :-(
Naja, ich schlich das Remergil aus, nahm statt dessen Original Bachblüten und hab mich wieder eingekriegt, wie man so schön sagt (dauerte ca. halbes Jahr!).
Ich wollte damit aufzeigen, dass man durch gewisse Medikamente nicht ein komplett anderer Mensch unbedingt wird, eher sind es gewisse Wesenszüge die sich unter gewissen Umständen ins Negative wandeln KÖNNEN!
Als Betroffene, was ich ja auch bin, ist das alles auch nicht einfach, denn auch wir Betroffene müssen unglaublich stark sein. Wir müssen stets und ständig - solange es geht "die Zähne zusammen beißen", müssen unsere Lieben trösten, müssen möglichst viel gesundes Zeugs in uns hineinstopfen, was uns unsere Lieben bringen, weil sie sich Heilung davon versprechen und wenn ich von mir ausgehe, dann auch noch "die Gesunde raushängen lassen" nur, dass man sie mit seinen "täglichen Wehwehchen" nicht auch noch belastet. Man muss sich als Erkrankter - solange es geht - bemühen aufmerksam zu bleiben (was mir bis heute schwer fällt, seit der OP), möglichst noch viele Dinge so erledigen, wie sie früher auch funktionierten, weil die eigenen Kinder/Partner meinen evtl. Tod nicht so hinnehmen können/wollen...
Also sieht man wieder zu, dass man möglichst stark ist, ihnen Mut macht (obwohl man oft selber eine Heidenangst hat), Optimismus und gute Laune versprüht, sie tröstet, alles als nicht so schlimm darstellt, dass sie beruhigter sind. Dass sie leichter lernen mit unserer Krankheit und dem evtl. baldigen Tod - was glücklicher Weise nicht immer so ist - umzugehen, das Unvermeidliche zu akzeptieren.
...und leider auch immer wieder daran erinnern, dass man eben nicht mehr so gesund und belastbar wie früher ist! Dass ich meine Rente nicht umsonst bekomme, ich es auch liebend gerne wieder wie früher hätte..
Typischer Spruch, von Außenstehenden ist dann - sicherlich lieb gemeint - keine Frage! - "Boah, Du bist so stark, wie Du das alles wegsteckst...." "Man sieht dir gar nicht an, dass Du krank bist..." "Wahnsinn, dass Du immernoch lachen kannst..." und und und...
Gleichzeitig muss ich zusehen, dass ich für mich alles geregelt bekomme, dass ich irgendwann meinem (evtl.) eigenen Tod "beruhigt" entgegen blicke, es akzeptiere - auch wieder mit dem gedanklichen Hintergrund, dass der Abschied meinen Lieben leichter fällt.
Auch habe ich eine Weile darüber nachgedacht; wer nun für wen stärker sein muss... Das ist schwer zu sagen. Aus meiner Sicht sehe ich das inzwischen so, dass man als Erkrankter solange stärker sein muss, solange "man noch halbwegs aus den Augen gucken kann", ist man seiner Krankheit dann unterlegen, kann nicht mehr so agieren, wie man es gerne möchte, dann wird es für die Angehörigen superschwer, eben weil sie dann die Jenigen sind, die möglichst nach meinem Willen oder wenigstens in meinem Sinne für mich weiter entscheiden soll(t)en. Dass das Alles sehr oft über meine und später auch über unser aller Kräfte geht, kann ich kaum einem mitteilen, deswegen hier. Genau das ist es auch warum ich diese Mischung aus Betroffenen und Angehörigen (auch die, deren Lieben bereits gegangen sind!) als so unglaublich wichtig empfinde.
Wenn ich hier etwas nicht lesen mag, dann tue ich das auch nicht. Das ist ja das Vorteilhafte am Internet, man kann sich aussuchen, was man lesen mag/kann/will und was ich lieber meide. Ebenso kann ich mein eigenes Tempo bestimmen, die Menge des Gelesenen selber dosieren. Eine Überforderung oder unpassende Themen halte ich deswegen auch für ausgeschlossen und.... ganz wichtig,.. ICH kann entscheiden ob, wo und wann ich etwas dazu schreibe oder nicht. Wenn ich merke, dass ich zu emotional an ein Thema herangehe, dann würde ich lieber zeitverzögert drauf antworten, wie in diesem Thema hier gerade auch.
Wieder einmal.... "entschuldigt bitte, dass es so laaaang geworden ist", aber das ist für mich ein Thema, in dem man wohlüberlegt schreiben & lesen sollte und nicht "auf die Schnelle reagiert"... für mich sehe ich das jedenfalls so!
Ich spreche bewusst keinen einzelnen hier an, auch habe ich es nicht bis zum Ende aufmerksam durchgelesen (schaffe ich nicht), weil ich meine eigenen Gedanken hier schreiben wollte.
Ich würde es sehr traurig finden, wenn wer hier geht.
"Ich habe fertig" - dankeschön.
LG von Andrea