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Thema: Ohne Strahlenbehandlung

Ohne Strahlenbehandlung
Gessnerchen
05.04.2017 22:02:29
Hallo,
es geht die Lebensgefährtin (60 Jahre) meines Vaters. Sie hatte 2014 Lungenkrebs, der durch OP und Chemotherapie erfolgreich behandelt wurde.

Seit Ende Februar 2017 bemerkten wir leichte Wesensveränderungen und sie war leicht verwirrt. Sie weigerte sich aber strikt, einen Arzt aufzusuchen. Allerdings wurde das alles innerhalb von etwa 4 Wochen immer schlimmer. Wortfindungsstörungen, Orientierungslosigkeit, Teilnahmslosigkeit usw. Sie konnte letzte Woche nicht mehr in ganzen Sätzen reden, sich nicht mehr anziehen, die für uns einfachsten Dinge konnte sie nicht mehr umsetzen. Selbst zu diesem Zeitpunkt verwehrte sie, verbal mittlerweile sehr aggressiv, einen Arzt aufzusuchen oder ins Krankenhaus zu gehen.

Gegen ihren Willen rief ich den Krankenwagen. Ihre Selbstbestimmung habe ich dabei nicht mehr für wichtig empfunden.

Im Krankenhaus dann die Diagnose. Mehrere im ganzen Kopf verteilte Metastasen. Das Hirn war extrem angeschwollen. Lt. der Ärzte war sie kurz vor einem Hirnschlag. Sie bekam sofort hoch dosiertes Cortison, was auch nach kurzer Zeit eine Verbesserung ihrer oben aufgeführten Sympthome bewirkte.

Eine OP ist nicht möglich und auch eine Strahlentherapie lehnt sie ab. Sie bekommt nun Dexamethason 8mg.
Sie kann wieder normal reden und ihren Alltag mithilfe meines Vaters meistern.

Nun meine eigentliche Frage. Hat jemand Erfahrung mit dieser Diagnose, wenn nur diese Tabletten eingenommen werden? Lässt die Wirkung des Medikaments irgendwann nach? Oder kann sie damit auch noch einige Jahre leben? Es ist sehr schwer, nicht zu wissen, wieviel Zeit ihn noch bleibt. Wochen, Monate, Jahre?

Vielen Dank fürs "zuhören".
Gessnerchen
Prof. Mursch
06.04.2017 08:25:16
Dexamethason wirkt nur Wochen und nicht gegen den Tumor, sondern gegen die Schwellung. Es kommt dann zu gravierenden Nebenwirkungen: Muskelschwäche, Gewichtszunahme, Infekte, Diabetes...

Über die Prognose in diesem Fall kann man nichts sagen, aber ohne Tumortherapie wird alles rasch schlechter. In der Regel.


Prof. Dr. med. Kay Mursch
Neurochirurg
Zentralklinik Bad Berka
Prof. Mursch
SpinEcho
06.04.2017 09:51:54
Allgemein gesagt ist die Prognose einer Krebserkrankung mit der Entdeckung der ersten Metastase ungünstig und mit dem Auftreten von mehr als einer Metastase sehr ungünstig.
SpinEcho
uweb1703
06.04.2017 13:23:38
Aber vielleicht ist ja die Selbstbestimmung der Lebensgefährtin Ihres Vaters doch nicht "so unwichtig". Möglicherweise lässt sich das ja jetzt wo es ihr besser geht nochmal besprechen.
uweb1703
alma
06.04.2017 14:56:20
Zum Selbstbestimmungsrecht:
Wenn jemand verwirrt, orientierungslos und aggressiv ist, dann muss man handeln. Man kann einen Notarzt rufen, aber der wäre auch für eine Einweisung in die Klinik. Wie soll man sonst Diagnostik machen?
Und wie es sich angesichts der Schwere der Erkrankung herausgestellt hat, war es auch richtig.
Jetzt stellt sich die Frage, ob sich der Selbstbestimmungsanspruch auch auf eine Therapieverweigerung erstreckt und wie man realistische Einschätzung und eine daraus folgende Einsicht erzielen kann.
Bei Hirnmetastasen, die ja nicht die einzige Manifestation der Erkrankung sind, ist es leider so, dass man mit egal welcher Therapie ab einem bestimmten Punkt nichts mehr erreicht. Aber sie kann ihr noch etwas mehr Lebenszeit bringen.
Wie weit will sie gehen? Kann sie das, wenn nicht jetzt, dann in naher Zukunft, entscheiden? Gibt es Ärzte, die ihr dabei helfen?
alma
Prof. Mursch
07.04.2017 07:50:47
@ spinecho.
Das kann man so nicht stehen lassen, weil es wirklich sehr von der Art des Tumors abhängt.
Wir haben auch Patienten mit HIrnmetastasen, die 10 Jahre leben. Bei Nierenzell Karzinomen und einigen anderen Tumoren ist eine Behandlung über Jahre mit guter Lebensqualität möglich.

Prof. Dr. med. Kay Mursch
Neurochirurg
Zentralklinik Bad Berka
Prof. Mursch
Gessnerchen
10.04.2017 15:46:44
Vielen Dank erstmal für die vielen Antworten!

@Dr. Mursch: Ich danke Ihnen für Ihre rasche Antwort. Ihre Worte geben das wieder, was auch ich nach meiner Einschätzung vermutet habe. Nämlich das die abschwellende Wirkung nur für einen gewissen Zeitraum anhalten wird und ihre Lebenszeit sehr begrenzt ist. Haben Sie Erfahrung damit, wie so etwas zu Ende geht? Wird sie einfach eines Morgens tot sein? Oder kommt noch ein Jahrelanger Pflegeprozess auf meinen Vater zu? Ich habe einfach auch schreckliche Angst um meinen Vater, das er alldem nicht gewachsen ist. Er stellt sich die Pflege eines Menschen zu leicht vor. Ich selbst habe einige Jahre in einem Altenheim gearbeitet und bin nun bei der Lebenshilfe tätig. Ich weiß, wie aufwendig die Pflege von Menschen ist. Nicht nur körperlich.
Ich weiß, dass Sie mir keine genauen Angaben machen können und das von Fall zu Fall unterschiedlich ist. Aber vielleicht hilft mir Ihre Antwort weiter.

@alma: Die Lebensgefährtin meines Vaters hat ganz deutlich geäußert, das sie keine Strahlenbehandlung haben möchte. Sie nimmt nun nur Dexamethason, um die Schwellung des Gehirns für eine gewisse Zeit zu unterdrücken, bzw. zu verzögern.
Gessnerchen
alma
10.04.2017 17:11:42
Wenn sie sich so entschieden hat, dann muss man es wohl respektieren.
Einen Sterbenden zu begleiten, ist eine kraftaufwändige Angelegenheit. Viel Kraft geht in die Ungewissheit, wie lange das Sterben dauert. Man kann da aber nichts machen. Jeder Mensch braucht am Ende seines Lebens seine eigene Zeit.
Ich würde mich um ein Netzwerk von Helfenden kümmern. Ambulanter Hospizdienst, Hospiz, Palliativpflege, einen guten Arzt als Sterbebegleiter,
Ansprechpartner für die Angehörigen. Das nimmt euch einen Teil der Angst.
Zumindest das kann man steuern.
Eine recht informative Adresse im Internet: "DGNC Hirnmetastasen".
alma
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