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Thema: Optikusgliom mit 3 Monaten. Erfahrungen aus Sicht der Eltern.

Optikusgliom mit 3 Monaten. Erfahrungen aus Sicht der Eltern.
Spencer82
04.06.2023 12:27:56
Hallo,
nachdem wir uns lange nicht getraut haben der Krankheit unserer Tochter zu googlen, sind wir auf dieses Forum gestoßen und würden gerne unsere Erfahrungen teilen.

Trigger-Warnung:
Der folgende Forumsbeitrag enthält sensible Informationen über die Gesundheit eines 3 Monate alten Kindes, das an einem Tumor leidet. Wir möchten darauf hinweisen, dass diese Inhalte emotional belastend sein können und möglicherweise bei einigen Leserinnen und Lesern unangenehme Gefühle hervorrufen. Wenn du dich von solchen Themen stark betroffen fühlst oder du denkst, dass dieser Inhalt deine eigene psychische Gesundheit beeinträchtigen könnte, empfehlen wir dir, diesen Beitrag nicht weiterzulesen.

Wichtig!
Wir denken jedem ist bewusst, dass der Therapie- und Krankheitsverlauf immer sehr unterschiedlich ausfällt und ein solcher Bericht nur auf ein Einzelschicksal bezugnehmen kann. Wir denken es ist dennoch wichtig den Verlauf und unsere Erfahrungen zu teilen. Vor allem wollen wir Mut machen und vielleicht ein paar Informationen bereitstellen, besonders für die Eltern, die gerade vor dieser schweren Zeit stehen.

Diagnose:
Bei unserer Tochter wurde im Alter von 3 Monaten ein Optikus Gliom diagnostiziert, was laut der Ärzte für diese Art von Tumor sehr früh ist. Gezeigt hat sich der Tumor durch ein Hervortreten des rechten Augapfels. Das erste MRT zeigte dann, dass sich der Tumor bereits über die gesamte Sehbahn ausgebreitet hat und auch die Chiasma-Region (Sehnerv Kreuzung) befallen hatte.

Durch den Befall der Sehnervkreuzung (Chiasma) war unsere Tochter zu dem Zeitpunkt auf beiden Augen blind und auch die Pupillen zeigten keine Lichtreaktion.

Ablauf der Therapie:
Aufgrund des Alters kam laut den Ärzten keine Bestrahlung in Frage. Auch eine Operation wurde nur als Ultima Ratio in Betracht gezogen, weil der Tumor zu nah am Hypothalamus liegt.
So war die erste Therapiewahl die Chemotherapie. Die Therapie wurde auf 18 Monate angesetzt. Zunächst 10 Wochen intensive Therapie am Stück, dann immer drei Wochen Therapie mit drauffolgenden drei Wochen Pause. Die Therapieblöcke (nach den 10 Wochen) bestehen aus drei Medikamentvergaben: 2x ambulant Vinchristin- und 1x stationärer Vinchristin- und Carboplatin.

Verlauf der Therapie:
Der Therapieverlauf wurde zunächst nach 3 Monaten und dann nach 6 Monaten mit MRTs kontrolliert.

Die ersten Monate Chemos hat unsere Tochter vergleichsweise gut vertragen. Auch die Infektion mit Bakterien und oder Viren hielten sich in Grenzen. Dies änderte sich ca. nachdem 14. Lebensmonat. In der Zeit nahmen die Krankhausaufenthalte wegen Infektion zu, dies wurde noch durch die beginnende Herbst- und Wintersaison verstärkt. Zum Glück konnte unsere Tochter die meisten Infektion in der Regel selbst bewältigen (wenn auch deutlich langsamer und im Krankenhaus) und war bis heute nur ein Mal auf eine Bluttransfusion angewiesen.

Das erste MRT nach 3 Monaten zeigte einen Stillstand des Tumorwachstums mit einer leichten Tendenz zur positiven Veränderung der Tumorstruktur. Was von den Ärzten entsprechend verhalten kommuniziert wurde, uns aber ein kleines bisschen Hoffnung gab.

Das zweite MRT nach 6 Monaten zeigte dann einen Rückgang des Tumors. Zu dieser Zeit kam von den Augenärzten die Nachricht, dass ein Auge auf Licht reagiert, was wir dann wenig später auch zuhause deutlich wahrnehmen konnten. Von Woche zu Woche mehr.

Einige Monate später wurde es dann langsam Gewissheit, dass unsere Tochter zum ersten Mal in ihrem Leben (auf einem Auge) angefangen hat zu sehen! Zunächst nur wenig und dann immer ein bisschen mehr.
Das dritte MRT nach über einem Jahr Therapie (die Infektionen im Winter haben oft die Therapie verschoben), zeigte einen deutlichen Rückgang des Tumors. Das Sehvermögen auf dem linken Auge wurde auch immer wieder ein kleines bisschen besser.

Je älter unsere Tochter wird und so länger die Therapie dauert, desto schlechter verträgt Sie die Chemotherapie. Besonders die stationären Aufenthalte mit der Vinchristin- und Carboplatinvergabe setzen ihr immer mehr zu und die Aufenthalte werden wegen schlechten Blutwerten oder Infektionen verlängert.

Abseits der Therapie:
Trotzdem, dass unsere Tochter noch sehr stark sehbehindert ist, hat Sie gelernt damit umzugehen. Sie hat Laufen gelernt und entwickelt ihr eigenes System sich zu orientieren.

Die Chemotherapie hatte bisher keinen offensichtlichen negativen Einfluss auf ihre kognitive Entwicklung. Besonders sprachlich gesehen, ist Sie im Vergleich besonders gut und auch sonst entwickelt sie sich altersgerecht.
Heute, wenn wir diesen Beitrag schreiben (Juni 2023), steht unsere Tochter gerade vor dem letzten Chemoblock und dem abschließenden MRT.
Danach wird alle 3 Monate der Tumor im MRT kontrolliert und entschieden ob und wie es weiter geht. Der bisherige Verlauf gibt uns aber Hoffnung.

Aus Sicht der Eltern:
Eine Chemotherapie ist ohne jede Frage eine unglaubliche Belastung für die gesamte Familie. Diese Belastung zu bewältigen ist vermutlich ähnlich unterschiedlich und individuell wie der Therapie und Krankheitsverlauf der Betroffenen. Auch die private Situation ist selten miteinander zu vergleichen.

Aus diesem Grund möchten wir an dieser Stelle keine ungefragten (und schlecht vergleichbare) Ratschläge geben.
Uns hat das Gespräch mit anderen betroffenen Eltern, (egal mit welcher Tumorart beim Kind) sehr geholfen, deshalb möchten wir an dieser Stelle gerne das Angebot machen, unsere Erfahrungen in einem persönlichen Gespräch (Telefon, Videotelefonie etc.) zu teilen. Gerne können sich Eltern oder auch Betroffene per Nachricht in diesem Forum bei uns melden.

Was immer bleibt ist die Hoffnung!
Spencer82

 

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