Liebe cita
Es ist eine schlimme Situation plötzlich über Deinen Mann und über Dich hereingebrochen.
Die Ärzte tun das Richtige, wenn sie so früh, wie es ihnen und Deinem Mann möglich war, mit der Diagnostik und den Therapien begonnen haben.
Auch wenn der Tumor inoperabel ist, so gibt es doch die berechtigte Hoffnung, mit dem schnellstmöglichen Beginn der gleichzeitigen Strahlen- und Chemotherapie den Verlauf der Krankheit wenigstens etwas aufzuhalten. Dass das Ergebnis der Biopsie erst nach 10 Tagen vorlag, könnte daran liegen, dass das molekulargenetische Profil des Tumors vollständig vorliegen sollte, um in einem Molekularen Tumorboard die zum Tumor passende Chemotherapie anzuwenden. Die Uniklinik DD ist eines der Neuroonkologischen Zentren und sehr gut ausgestattet. Da seid Ihr in guten Händen!
Die Ärzte werden alles dafür tun, dass Dein Mann während der laufenden Therapien eine möglichst gute Lebensqualität hat. Sie kümmern sich um Begleiterscheinungen, das zeigt auch die Hinzuziehung eines Psychologen, der momentan sehr wichtig ist. (Das ist nicht in jeder Klinik möglich.)
Ich glaube nicht, dass Dein Mann wirklich einen so schlechten Allgemeinzustand hat, dass er die gesamte Zeit der sechs Wochen in der Klinik verbringen muss. Sonst hätten die Ärzte diesen beiden anstrengenden und belastenden Therapien vielleicht nicht zugestimmt.
Du wirst spätestens nach Abschluss der Bestrahlung, wahrscheinlich früher, Deinen Mann zu Dir nach Hause nehmen dürfen. Dann bist Du es, die die Verantwortung für Euer gemeinsames weiteres Leben trägt. Ihr seid immer ehrlich zueinander gewesen, was spricht dagegen, dass Ihr es weiterhin seid? Er muss genau wie Du alles über seine Krankheit wissen. Er muss wissen, warum er diese Einschränkungen hat und warum es manchmal wieder besser, sogar gut geht. Was soll ihm diese Hoffnung bringen und wie willst Du das hinbekommen, ihm die Wahrheit zu verschweigen?
Ich glaube, dass er nicht nur deswegen sehr viel weint, weil es ihm nicht gut geht, sondern auch, weil er nicht weiß, warum das so ist. Sicher spielen Ängste um Dich, um sein Leben auch eine große Rolle. Aber er muss es erfahren, Ihr müsst darüber reden, damit er Klarheit hat und Du nicht in der folgenden Zeit immer wieder "rumeiern" musst. Das ist ein klärendes Gespräch, das sehr wichtig für Euch beide ist. Und dann muss das nur noch auf den Tisch, wenn er irgendetwas medizinisch Wichtiges nicht möchte, denn die Chemotherapie wird fortgesetzt.
Sein Leben mit Dir kann Wochen, Monate, Jahre dauern, also vergiss alle Prognosen, auch wenn es Dir als Krankenschwester schwer fällt. Das sind statistische Werte, traue ihnen nicht. Vertraue auf die Wirkung der Therapien, vertraue den Ärzten und gib Deinem Mann Hoffnung.
Daraus kannst Du das Positive ziehen, nicht aus "Es wird alles gut". Es wird nicht alles gut.
Ich verstehe das auch nicht, dass seine Familie nicht möchte, dass er die Wahrheit über seine Erkrankung erfährt. Wissen sie denn wirklich, welche Therapien ihm bevorstehen, welche Hoffnungen sie bergen, wieviel Belastung sie ihm und auch Dir bringen? Dein Mann ist doch jetzt nicht plötzlich unmündig, er ist immer noch ein ganz normaler Mensch, er ist Dein Mann, er gehört ganz normal zur gesamten Familie. Mit Dir ist auch sie gefordert, um Dich wenigstens ab und zu zu entlasten. Dass geschah ja schon dadurch, dass Dein Schwager, also sein Bruder (?) ihn in die Klinik fuhr.
(Als meine Nachbarin, mit der ich nur selten Kontakt habe, erfuhr, dass ich einen Hirntumor habe, fühlte sie sich verpflichtet, mir zu sagen, wie Leid ihr das tut. Tja, was soll man darauf antworten? Oder denken? Hätte sie nicht fragen können, ob ich Hilfe brauche oder jemanden zum Reden? Nun ja, das Wort "Hirntumor" ist immer noch mit einem Tabu verbunden, weil es mit Unzurechnungsfähigkeit, schwerem Leiden und baldigem Tod verbunden ist. Der Mensch, der ein Mensch bleibt, auch wenn er sich verändern sollte, scheint einfach nicht mehr da zu sein. Aber er lebt doch!)
Such Du Dir aber auch jetzt bereits psychologischen Beistand, Du brauchst ihn jetzt und auch später für Dich, für ihn oder für Euch beide!
Dass die Ärzte "Das wird schon" sagen, ist ihre Hoffnung in die Therapien, die zwar durch Studien belegt sind, aber sie können auch nicht genau wissen, wie gut sie bei Deinem Mann wirken. Sie werden es Dir sagen, wenn sie weitere Therapien nicht mehr sinnvoll finden. Aber so weit ist es nicht. Ich glaube nicht, dass er "sinnlos leidet", denn die Therapien können zu einer Entlastung der betroffenen Hirnregionen führen und damit zu einer Besserung seines Zustandes, für eine gewisse Zeit.
Für eine Zeit gemeinsamer Wünsche.
Ich wünsche Dir viel Mut, Kraft, Tapferkeit - und beziehe die Familie mit ein.
KaSy