www.hirntumorhilfe.de
Herzlich willkommen im Forum der Deutschen Hirntumorhilfe!

Thema: Palliativsituation

Palliativsituation
Regenbogen73
16.05.2018 15:57:28
Liebe Forumsmitglieder,

nachdem ich bis jetzt überwiegend still mitgelesen habe, möchte ich heute um eure Erfahrungsberichte bitten.
Bei meinem Vater (78) wurde im August 2017 ein Glioblastom rechts frontal diagnostiziert. Nach erfolgreicher Operation mit anschließender Bestrahlung und Chemo nach Stupp, ging es ihm sechs Monate sehr gut. Das MRT Ende Januar war unauffällig, Ende März traten jedoch wieder Wesensveränderungen und ein „Schlurfen“ beim Gehen auf. Das vorgezogene MRT Mitte April zeigte ein großes, inoperables Rezidiv am Balken, sowie zwei weitere kleine auffällige Stellen.
Der behandelnde Arzt hat uns direkt nahegelegt, uns um eine palliative Begleitung zu kümmern und mitgeteilt, dass er in kurzer Zeit mit einer dramatischen Verschlechterung rechnet.
Zur Zeit ist es so, dass mein Vater alles noch selbstständig machen kann, er wird aber immer antriebsloser, und seit ein paar Tagen knickt der linke Fuß manchmal weg.
Ich weiß, dass man keine allgemeingültigen Aussagen machen kann und dass jeder Verlauf anders ist, trotzdem wäre ich über ein paar Erfahrungsberichte dankbar, wie lange der Leidensweg unter diesen Voraussetzungen dauern kann. Ich habe das Gefühl, dass meine Mutter vor allem psychisch sehr schnell an ihre Grenzen kommen wird, und da meine Schwester und ich leider nicht direkt vor Ort sind, müssen wir überlegen, wie die verbleibende Zeit für alle Beteiligten so „schön“ aber auch erträglich gemacht werden kann. Zur Zeit kommt ein ambulanter Palliativdienst 1x pro Woche, was aber jederzeit erhöht werden kann.
Ich danke euch für das Lesen des langen Textes und hoffe auf einige Antworten. Es ist toll, dass es dieses Forum gibt, aus dem ich in den vergangenen Monaten schon viele Informationen aber auch Kraft gewinnen konnte.
Regenbogen73
Hein Mück
16.05.2018 19:39:26
Hallo Regenbogen,

Zuerst einmal kurz zu Eurer Situation: Irgend jemand hat hier mal geschrieben, dass diese Phase eine schwere aber reiche Zeit ist. Das kann ich aus der Erfahrung mit dem Sterben meines Mannes nur bestätigen. Wir hatten noch viele schöne Momente, die mir auch sehr viel Kraft gegeben haben. Dabei habe ich die ein oder andere Belastung einfach(er) weggesteckt.

Ich habe mir aber auch Hilfe gesucht und zwar in Form einer 24 Stunden Pflegekraft. Allerdings war mein Mann auch durch den Tumor und die Chemo meistens sehr verwirrt.

Ich würde Euch raten noch mehr auf die Palliativärzte zuzugehen und nachzufragen, auf was für Situationen Ihr Euch vorbereiten müsst. So habe ich auch ein paar Antworten bekommen, obwohl ich im Nachhinein feststellen musste, dass man mir eine Menge lieber nicht gesagt hat. Das war sicher gut gemeint, hat aber dazu geführt, dass mich dann die Situation völlig überrascht hat.

Ich hoffe, dass Euch das erstmal weiterhilft.

Alles Gute!
Hein Mück
Bulli2014
17.05.2018 19:31:02
Hallo Regenbogen...
ich begrüße dich in diesem Forum... und hoffe das du und dein Vater noch Zeit habt um diese Zeit ...auch wenn sie schwer ist ...zu meistern... Deine Mama benötigt auf jeden Fall mehr Unterstützung von außerhalb und von Professionellen Leuten...
Wir haben uns damals auch eine Palliative Unterstützung gesucht und haben uns gut unterstützt gefühlt...
Wichtig ist was für einen Pflegegrad dein Papa hat damit ihr bei der KK dann auch dementsprechend Hilfe beantragen könnt...
Wir hatten damals bei Papa eine Schwester die 2-3 x in der Woche zu uns kam uns uns Tipps und auch mit allem versorgte was wir für Papa brauchten...Ich wusste schon viel da ich in der Pflege tätig bin ...aber für neues war ich immer offen...mit Mama haben wir Papa dann intensiv bis zum letzten Tag begleitet und versucht ihn immer zu aktivieren...zu bewegen auch wenn er dann schon viele Schwierigkeiten hatte aufzustehen...
Wir haben ...auch wenn es immer anstrengender und schwerer wurde...jede Zeit und Minute mit ihm genossen und daher war dann als der letzte Gang von ihm losging nicht so schwer für uns ...ihn loszulassen und gehen zu lassen...gut war das wir nicht wussten das es an diesem einen Tag passiert und Papa seine letzte Reise antreten wird...daher waren wir frei von Ängsten und haben ihn somit gehen lassen...auch wenn unser Herz schwer war und wir viel weinten als er dann über die Regenbogenbrücke ging...er war nicht allein..wir waren bis zuletzt da...wir Kinder sind nach seinem letzten Atemzug ...den er mit Mama zusammen machte...da...


Ich wünsche dir und deiner Familie noch viele Monate mit schönen Momenten und genießt die Zeit mit eurem Papa...denn keiner weiß wie schnell sich der Zustand verändern kann...
Wir hatten mit Papa ab Diagnose noch 6 Monate...


Ich sende dir viele Engel die euch schützen und begleiten...
Viele Grüße
Bulli2014



Papa du wirst immer in unserem Herzen sein...
Bulli2014
Holunder
18.05.2018 00:35:27
Hallo,
zur palliativen Situation habe ich auch eine Frage. Mein Mann wurde im Dez. 2017 an einem grossen Glioblastom (12 cm) operiert, dazu kam noch ein "kleines" von 5 cm frontal, der Tumor ist multizentrsch. Dann hat mein Mann 60 Gy Bestrahlung in 6 Wochen bekommen und hat gleichzeitig Temodal genommen. Trotz der Bestrahlung und der Chemotherapie ist der Tumor ganz aktiv in den Balken gewachsen und fängt jetzt an, die andere Hälfte des Gehirns zu infiltrieren. Eine Neurologin hat uns gesagt, es könnte als nächstes entweder das Sprachzentrum oder die Motorik in Mitleidenschaft gezogen werden. Hier im Forum habe ich aber auch gelesen, dass in vielen Fällen die Kontrolle über die Blase verloren wird. Geschieht das von einem Tag auf den anderen oder ist das ein langsamer Prozess ? Genauso mit der Sprachproblemen, kommt dass Knall auf Fall oder fängt es mit einzelnen Worten an ? Kann mir jemand bitte beschreiben, was so ungefähr auf uns zukommt wenn der Balken überquert sein wird ? Die Ärzte weigern sich nicht festlegen und weichen aus, aber wer es miterlebt hat, kann mich bitte unterstützen und mich "warnen" . Mein Mann geht schon mit sehr kleinen Schritten, ist ist noch geistig da, andere viele Male nicht, er vergisst andauernd viele Dinge (Kurzzeitgedaechtnis ist weg) und kennt keine Logik mehr. Dafür ist er extrem gefühlsbetont und "zerbrechlich" geworden. Er schläft gerne und viel tagsüber. Danke für eure ungeschminkte Ehrlichkeit.
Holunder
Helmut15
22.05.2018 11:46:18
Was wars am Ende?
Helmut15
Regenbogen73
27.05.2018 16:01:41
Liebe Hein Mück, liebe Bulli2014,

vielen Dank für eure Antworten. Ich finde die Erfahrungen von Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind oder waren so unglaublich hilfreich.
Vor zwei Tagen war ich mit unseren Kindern bei meinen Eltern. Meinem Vater geht es den Umständen entsprechend noch ganz gut. Leider hat er sich zu allem Übel noch den Fuß gebrochen und ist dadurch in seiner Bewegungsfähigkeit zusätzlich eingeschränkt. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass er versucht, das Beste aus seiner Situation zu machen. Er redet kaum über seine Gefühle und ist oft sehr ungeduldig, aber es gibt auch die schönen Momente, wenn man zusammen durch den Garten geht oder einfach zusammen sitzt und Kaffee trinkt.
Meiner Mutter machen vor allem das leicht aggressive Verhalten und die Tatsache, dass mein Vater sich Anderen gegenüber total zusammenreißt und sie alles abkriegt, zu schaffen. Wir werden auf jeden Fall die palliative Unterstützung etwas verstärken, und auch meine Schwester und ich werden regelmäßig für einige Stunden hinfahren, so dass meine Mutter sich auch mal eine Auszeit nehmen kann.
Ich wünsche allen eine gute Woche mit möglichst vielen schönen Momenten!
Regenbogen73
Regenbogen73
24.06.2018 22:15:02
Hallo,
ich habe heute eine Frage und hoffe auf eine Einschätzung oder Erfahrungen von Mitgliedern, die vielleicht Ähnliches erlebt habt.
Mein Vater ( 78, ED Glioblastom 08/17, inoperables Rezidiv 04/18) nimmt zur Zeit noch Temodal metronomisch 100mg pro Tag und seit Feststellung des Rezidivs im April 2x täglich Dexamethason. Schon seit einigen Wochen ist er sehr antriebslos, was sich in den letzten Tagen aber noch mal verschärft hat. Morgens ist er kaum zu Aufstehen zu bewegen, und tagsüber sitzt er stundenlang auf seinem Stuhl am Tisch und starrt vor sich hin. Laut seiner eigenen Aussage ist es nicht die Kraft, die ihm fehlt ( obwohl auch die nachlässt), sondern die Motivation.
Ich weiß, es ist schwer beurteilen, aber ist dieses Verhalten nur auf den wachsenden Tumor zurückzuführen oder spielen da auch psychische Faktoren oder Nebenwirkungen der Medikamente eine größere Rolle?
Das nächste MRT ist für den 09.07. geplant, im Moment habe ich aber meine Zweifel, ob wir ihn dazu überhaupt bewegen können. Auf der anderen Seite ist es aber so, dass mein Vater, wenn z.B. die Betreuerin des Pallativdienstes kommt, wesentlich besser in die Gänge kommt. Das Bedürfnis, bei Anderen einen möglichst guten Eindruck zu machen, scheint also noch vorhanden zu sein.
Ich danke euch fürs Lesen und eventuelle Antworten!
Regenbogen73
Schnupfel
25.06.2018 02:55:29
@Regenbogen

Zuerst sollte man sich immer vergegenwärtigen, dass ein Glioblastom ein Tumor des Zentralen Nervensystems IST.

Was man so gerne "Psyche" nennt, hat ja eben auch mit 'Nerven' zu tun - die sind ein zentraler Bestandteil des ganzen Körpers...… und auch Motivation ist nicht nur eine Frage des "Wollens".....man kann viel wollen aber die Erkrankung lässt es nicht zu.
Es ist eine unglaubliche Anstrengung wenn es tatsächlich so wäre, dass dein Vater "Eindruck" machen will.....
Bitte nicht als Kritik verstehen - sondern einfach nur aufhören, diesen erkrankten Menschen die eigene Gefühlswelt aufdrücken zu wollen.
Es sind hier wirklich Grenzen gesetzt und aus meiner Sicht macht man dem Erkrankten nur weiter unnötig viel Stress wenn man versucht " emotional verstehen zu wollen, was man selber gar nicht kennt"
Selbst wenn schon nur die Diagnose einen wahrscheinlich selber ins Abgrundtiefe stürzen würde - und wir lesen hier doch jeden Tag, wie wir als "nur" Angehörige betroffen und fix & fertig sind - sollte man dem unmittelbar Betroffenen mindestens die gleiche Situation zugestehen....
Bitte hört einfach auf, diesem Menschen Dinge aufdrücken zu wollen, denen er gar nicht gerecht werden kann und die ihn nur weiter in die Verzweiflung treiben. Dieses Gefühl - " Du musst nur wollen, dann geht es auch" ist in der Situation eher Krankheitsfördernd als entspannend. Und Erkrankungen des ZNS braucht definitiv nicht noch mehr Stress, der von außen angetragen wird.
Schnupfel
Regenbogen73
25.06.2018 17:17:24
Hallo Schnupfel,
danke für deine Antwort. Alles, was du schreibst, ist mir vollkommen klar, und ich bin weit davon entfernt, meinem Vater meine Gefühlswelt aufdrücken zu wollen. Die Formulierung, dass er „einen guten Eindruck machen will“ ist natürlich nicht besonders glücklich gewählt, es fällt lediglich auf, dass es dieses unterschiedliche Verhalten gibt. Am Ende ist alles wahrscheinlich nur der hilflose Versuch, das Unbegreifliche doch irgendwie begreifen zu wollen.
Man weiß, dass dieser schreckliche Tumor alle Veränderungen verursacht, und trotzdem ist es oft schwer zu akzeptieren, weil es so weh tut, den geliebten Menschen so verändert erleben zu müssen.
Seit heute steht mein Vater auf einer Warteliste für einen Hospizplatz, meine Eltern haben sich für diesen Weg entschieden.
Regenbogen73
Regenbogen73
25.06.2018 17:18:23
Hallo Schnupfel,
danke für deine Antwort. Alles, was du schreibst, ist mir vollkommen klar, und ich bin weit davon entfernt, meinem Vater meine Gefühlswelt aufdrücken zu wollen. Die Formulierung, dass er „einen guten Eindruck machen will“ ist natürlich nicht besonders glücklich gewählt, es fällt lediglich auf, dass es dieses unterschiedliche Verhalten gibt. Am Ende ist alles wahrscheinlich nur der hilflose Versuch, das Unbegreifliche doch irgendwie begreifen zu wollen.
Man weiß, dass dieser schreckliche Tumor alle Veränderungen verursacht, und trotzdem ist es oft schwer zu akzeptieren, weil es so weh tut, den geliebten Menschen so verändert erleben zu müssen.
Seit heute steht mein Vater auf einer Warteliste für einen Hospizplatz, meine Eltern haben sich für diesen Weg entschieden
Regenbogen73
Regenbogen73
22.07.2018 18:47:30
Hallo ihr Lieben,
ich möchte heute noch mal ein kleines Update zu unserer Situation geben.
Vor knapp vier Wochen hat sich mein Vater, nachdem die Schwester vom Palliativdienst ihn geduscht hatte, völlig erschöpft ins Bett gelegt und ist seitdem praktisch nicht mehr aufgestanden. Anfangs hat er es noch zwei, drei Mal auf den Toilettenstuhl geschafft, aber er wurde innerhalb weniger Tage zum kompletten Pflegefall. Zuerst hatten wir zu Hause ein Pflegebett und dann vor anderthalb Wochen das große Glück, dass er einen Platz im Hospiz bekommen hat. Meine Mutter war zuerst nicht so glücklich, weil sie das Gefühl hatte, ihn abzuschieben. Mittlerweile ist sie aber auch sehr froh darüber, weil im Hospiz so eine angenehme Atmosphäre ist, sie selber viel entspannter Zeit für meinen Vater haben kann und er selber auch so entspannt und zufrieden wirkt. Mittlerweile schläft oder döst er fast den ganzen Tag, aber er isst noch mit ganz gutem Appetit und hat zum Glück keinerlei Schmerzen. Wir alle hoffen, dass sein letzter Weg so friedlich zu Ende gehen darf und er nicht lange leiden muss.
Liebe Grüße
Regenbogen
Regenbogen73
Regenbogen73
06.08.2018 00:08:52
Mein Vater ist gestern Mittag im Beisein meiner Mutter, meiner Schwester und mir ganz ruhig und friedlich für immer eingeschlafen. Wir sind unendlich traurig, aber auch froh und dankbar, dass sein Weg ohne großes Leiden zu Ende gegangen ist. Eine Schwester im Hospiz ( wo wir alle ganz wunderbar begleitet worden sind) meinte, dass er für einen Glioblastom-Patienten einen sehr gnädigen Verlauf hatte, und das gibt uns bei aller Trauer auch ein wenig Trost. Mein Vater wird immer in unseren Herzen sein.
Regenbogen73
LinaK
06.08.2018 12:23:54
Hallo Regenbogen. Mein aufichtiges Beileid. Irgendwie ist es immer zu früh, wenn jemand gehen muss...
Lina
LinaK
Regenbogen73
07.08.2018 22:20:02
Liebe Lina,
vielen Dank für deine Anteilnahme. Du hast schon recht, irgendwie ist es immer zu früh. Ich habe oft damit gehadert, warum dieser Tumor meinen Vater getroffen hat, er war bis vor einem guten Jahr noch super fit, und man hat gedacht, er kann locker 90 werden. Aber wenn man dann liest, wie viele deutlich Jüngere betroffen sind und wieviel dramatischer der Verlauf sein kann, darf man vielleicht doch nicht allzu sehr hadern. Aber gefühlt ist es halt immer zu früh...
Ich wünsche allen Betroffenen und Angehörigen von Herzen alles Gute!
Regenbogen73
NACH OBEN