Liebe Melody,
ich kann sehr gut nachempfinden,dass Dich Auftreten des Rezidivs stärker getroffen hat als die Erstdiagnose. Gerade wenn man einen längeren Zeitraum ohne größere Beschwerden gelebt hat, denkt man, man hat das Schlimmste überstanden. Auch mir ist es so ergangen. Nach der OP im Mai 2006 habe ich die Standardtherapie - Bestrahlung und Temodal - durchlaufen. Bei der OP (rechts frontal) konnte alles Sichtbare entfernt werden, von neurologischen Ausfällen und Anfällen blieb ich verschont. Es machte sich eine trügerische Ruhe breit. Lebensfreude und -zufriedenheit kehrten zurück, mein Optimismus und eine positive Lebenseinstellung, aber auch die Hilfe einer Psychoonkologin bewirkten Zuversicht. Im November 2010 dann der Schock: Bei der alle drei Monate durchgeführten MRT-Untersuchung wurde ein Rezidiv festgestellt. Die Diagnose traf mich völlig "unvorbereitet" wie ein Hammerschlag in den Magen. Alle Ängste waren plötzlich wieder da, der Lebensmut war wie weggeblasen! Es hat keinen Sinn mehr, weiter zu kämpfen, setzte sich in meinem Kopf fest. Ich war erst einmal wie gelähmt und unfähig, die anstehenden Entscheidungen zu treffen. - Was hat mir geholfen? Vor allem drei Dinge. Ich habe die Ohnmachtsgefühle zugelassen, habe mir zwei Tage Zeit gegeben, den Schlag zu "verdauen". Ich habe sofort über meine Gefühle gesprochen und nichts in mich "reingefressen", was eigentlich mehr meiner Mentalität entspricht. Für mich ist das der wesentliche Punkt: In dieser Situation darf man nicht alleine sein, man braucht nahestehende Menschen, die nur dadurch schon helfen können, weil sie zuhören. Man braucht aber auch kompetenten Fachbeistand, Ärzte, Psychologen, Betreuer..., denen man vertraut und die mitfühlen. Diese Menschen muss man suchen, man findet sie im Ärzte- und Krankenhausumfeld leider immer noch zu selten. Du selbst, Melody, schilderst ja erschütternde Beispiele! Man kann diese Menschen aber besser finden, weil man nach der Erstdiagnose die Zeit dafür hat und gezielt suchen kann. Kurz: Wichtig ist ein geordnetes Umfeld und vertraute, kompetente Ansprechpartner, Menschen, die sich Zeit nehmen.
Bei mir hat das zu einem Wechsel der Klinik und zu einem Wechsel des Neurochirurgen geführt und ich habe eine Ärztin aufgesucht, die einen ganzheitlichen Ansatz (Körper, Geist und Seele) verfolgt und Patienten als Menschen behandelt. Auch das Rezidiv konnte vollständig entfernt werden und eine weitere Temodalbehandlung über sieben Monate schloss sich an. Meine Lebensfreude kehrte zurück: Ja, das Leben geht weiter und ich lasse mich nicht unterkriegen! Im September 2012 dann die dritte Operation, das zweite Rezidiv musste entfernt werden. Wieder ein Schock? Nein, ich war natürlich kurz erschüttert, aber besser vorbereitet. So konnte ich die Weichen nach Gesprächen in Ruhe und mit Vertrauen stellen. Ich habe eine Absprache mit "meinem" Neurochirurgen: Wir schauen uns in die Augen und sagen uns die Wahrheit, er macht Vorschläge und begründet sie, aber ich entscheide. Auch die dritte OP habe ich gut verdaut und mich im Anschluss - gut und umfangreich aufgeklärt - für Bestrahlung und Chemo entschieden. Und Du siehst bzw. liest, ich lebe immer noch, schaue immer noch optimistisch nach vorne und hadere nicht! Lass die Palliativmedizin noch möglichst lange warten, aber informiere Dich und besuche ein oder mehrere Hospize, sie verlieren ganz schnell ihren Schrecken! Zur Studie kann ich nichts sagen, schiebst Du noch genauere Infos nach? Ich freue mich, wenn wir immer wieder von Dir hören, und wünsche Dir von Herzen Mut und Zuversicht!