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Jens

Die Onkologin meiner Frau (Glioblastom multiforme, Diagnose 08/15, danach zwei OPs, Chemos, Avastin, aktuell drittes Rezidiv inoperabel) plant zur Gabe von Pembrolizumab zusätzlich eine Re-Bestrahlung.

Da Pembrolizumab das Immunsystem quasi scharf machen soll, um den Tumor zu bekämpfen, verstehe ich nicht, warum die Pembrolizumab-Therapie parallel zur Strahlentherapie stattfinden soll. Die Strahlentherapie schwächt doch bekanntlich das Immunsystem.

Dazu zwei Fragen:

1. Ist eine Re-Bestrahlung bei gleichzeitiger Gabe von Pembrolizumab sinnvoll, oder verringert die Strahlung die Pembrolizumab-Wirkung, weil sie das Immunsystem schwächt?

2. Könnte es sinnvoll sein, die Re-Bestrahlung mit Temodal zu kombinieren? Der MGMT-Status des Tumors ist methyliert. Vor einem Jahr hat die Kombination den Tumor schrumpfen lassen. Nach Ende der Bestrahlung schien allerdings Temodal allein wenig wirkungsvoll zu sein, schon nach einem halben Jahr hatte meine Frau ein Rezidiv.

Für eine weitere Meinung zur Kombi Pembrolizumab (bzw. PD1-Hemmer) plus Bestrahlung wären wir sehr, sehr dankbar. Aktuell sind wir ziemlich ratlos.

Lieben Dank, viele Grüße
Jens

TabeaK

Die Sache mit anti-PD-1 Antikoerpern (oder Checkpointinhibitoren allgemein, Pembro gehoert hierzu) und Bestrahlung ist etwas komplizierter.

PD-1 Antikoerper haben das Ziel koerpereigene Killerzellen (T-Lymphozyten) zu aktivieren. Die Aufgabe dieser Zellen ist virusinfizierte oder transformierte (=Krebszellen) abzutoeten. Viele Tumore haben aber die Faehigkeit die koerpereigenen T Zellen abzuschalten und sich damit vor dem Immunsystem quasi zu verstecken. Genau hier greift Pembrolizumab (genau wie Nivolumab) ein.

Bestrahlung hingegen beschaedigt bzw toetet alle Zellen im Bestrahlungsfeld - die Strahlung sorgt hierbei fuer Fehler bei der Erbmaterialsynthese waehrend der Zellteilung, was ultimativ zum Zelltod fuehrt - hierbei sind sich schnell teilende Zellen (=Krebs) staerker betroffen als sich langsam teilende Zellen (=normales Gewebe).

Die Zerstoerung der Zellen durch Bestrahlung hat aber einen weiteren Effekt. Tote Zellen sorgen in der Regel fuer eine Immunreaktion (Entzuendung) - das koerpereigene Immunsystem versucht quasi den Dreck wegzuraeumen und wird im Zuge dieser Aktion aktiviert. Hierbei spielen verschiedende Zellen eine Rolle, welche dann die T Zellen aktivieren koennen. Bei der Zerstoerung von Tumorgewebe, so glauben wir heute, werden tumoreigene Antigene freigesetzt, welche das Immunsystem dann erkennen kann. Antigene kann man sich als Markierungen auf Zellen vorstellen, damit das Immunsystem weiss welche Zellen es attackieren und welche es in Ruhe lassen soll.

Wenn nun also die Bestrahlung durch die Zerstoerung der Tumorzellen solche Krebsantigene freigesetzt werden, das Immunsystem aktiviert wird und damit dann auch antigen-spezifische T Zellen generiert werden, und man dies nun mit anti-PD1 kombiniert, welches die Aktivitaet der T Zellen erhoeht, kann das zu einer spezifischen Zerstoerung des Tumors fuehren.

Es gibt interessante Themen zur Kombination von Bestrahlung und Checkpointinhibitoren, allerdings muesste ich nachsehen ob davon welche glioblastomspezifisch waren. Da die Bestrahlung auf den Kopf beschraenkt ist, die T Zellproduktion und Reifung aber in Knochenmark, Lymphknoten und Thymus passiert, muss eine strahlenbedingte lokale Immunsuppression im Kopf nicht unbedingt negative Auswirkungen haben.

Die zeitliche Abfolge von anti-PD1 und Bestrahlung wird im Moment recht kontrovers diskutiert - hierzu wuerde ich eure Onkologin befragen.

Insgesgamt betrachte ich persoenlich diese Art Kombinationstherapie als sehr chancenreich fuer die Zukunft - aber es gibt viel, was wir nicht wissen zu diesem Thema.

Disclaimer: Ich bin keine Aerztin und kann keine medizinischen Empfehlungen geben, ich arbeite in der Krebsforschung mit dem Spezialgebiet Immun-onkologie.

Jens

DANKE, TabeaK,

für die sehr interessanten Infos und Deine persönliche Einschätzung zu dieser Kombinationstherapie. Ich denke, meine Frau wird es versuchen (was bleibt uns auch übrig?), wenn wir auch eine Kombi aus Strahlentherapie + Temodal + Methadon favorisieren.

Zumindest Temodal + Methadon könnte eine spätere Alternative sein, falls PD1-Blocker und Bestrahlung nicht wie erhofft funktionieren – und falls eine weitere Therapie danach für meine Frau infrage kommt und noch sinnvoll erscheint.

TabeaK

Bei PD-1 Therapien ist es wichtig Geduld zu haben - ein Ansprechen dauert Wochen, manchmal Monate. Zudem sind Pseudoprogressionen (es sieht so aus als wuerde der Tumor wachsen, ist aber oft eine Entzuendungsreaktion wenn das Immunsystem den Tumor attackiert) haeufig - sprecht mit Eurer Onkologin darueber.

Lasst Euch gut ueber die moeglichen Nebenwirkungen von Pembro aufklaeren - die koennen, muessen aber nicht auftreten, die Nebenwirkungen von Immuntherapien sehen haeufig sehr viel anders aus als bei klassischen Chemotherapien - dafuer sind, da die Therapien neu sind - noch nicht alle Aerzte sensibilisiert. Findet diese Behandlung im Rahmen einer Studie statt? So weit ich weiss gibt es noch keine Zulassung fuer anti-PD1 in Gehirntumoren, aber off-label ist natuerlich auch eine Moeglichkeit.

Jens

Stimmt, die Therapie verlangt viel Geduld, weil sie in der Tat nicht sofort sichtbar anschlägt. Genau das erleben wir gerade. Geduld zu haben fällt allerdings nicht leicht, insbesondere nicht bei einem so schnell wachsenden und aggressiven Gliobastom IV, Wildtyp. Ich habe die Sorge, dass die Pembrolizumab-Behandlung (in Verbindung mit der Re-Bestrahlung) die letzte Chance sein könnte, den Tumor wenigstens etwas auszubremsen.

Die Behandlung läuft off-Label, offene Studien zu Pembrolizumab gibt es aktuell unseres Wissens nicht.

TabeaK

Ich halte Euch die Daumen.

Darf ich Euch fragen wo ihr in Behandlung seid? Gerne auch per PN. Als ebenfalls betroffene Angehoerige interessiert es mich welche Kliniken/Aerzte Immuntherapien off-label durchfuehren - wir koennten in Zukunft daran auch interessiert sein.

Gab es Probleme mit der Kostenuebernahme der Krankenkassen?

hopeflower

Lieber Jens,

beim 3. Rezidiv finde ich sollte man auch überlegen wie die Lebensqualität aussieht. Ist es ok noch jeden Tag ins Klinikum für die Bestrahlung? Ist es ok für Infusionen da hinzu gehen?

Unser Onkologe meinte irgendwann zu mir dass das Hospiz eine andere Welt ist, die man als Arzt in einer Uniklinik vergisst /. nicht gut kennt. Er sagte "wir bieten immer noch etwas an". Er fand es gut dass wir den Absprunge geschafft haben.

Ich sage nicht "hört auf". Ich sage nur, vergesst nicht, auch dies zu hinterfragen. Aber das macht ihr auch bestimmt.

Soweit ich verstanden habe, dieses Scharfmachen des Immunsystems erhöht nur die Wirkung. Sprich, das Immunsystem muss in der Lage sein, den Feind zu erkennen. Sonst nutzt das gar nichts. Insofern finde ich die Kombi mit Re-Bestrahlung in jedem Fall interessant.

Alles Gute,
h.

Jens

Lieben Dank, Hopeflower,

wir sehen den Therapievorschlag in der Tat kritisch und machen nicht alles mit, was uns vorgeschlagen wird. Avastin haben wir vor einigen Wochen zum Beispiel schon abgelehnt. Anfangs hattes es super gewirkt und uns noch einmal drei gute Monate inklusive eines spontanen Kurzurlaubs geschenkt. Jetzt haben wir gesagt: weg damit. Denn über die Monate war es zur Belastung geworden, brachte mehr Nebenwirkungen und keinen sichtbaren positiven Effekt mehr.

Wenn man will, findet man unter Garantie immer einen Arzt, der noch dies oder das anbietet und bis zum letzten Tag therapiert. Das wollen wir in keinem Fall. Aber im Moment geht es meiner Frau immerhin noch so gut, dass es sich aus unserer Sicht zu kämpfen lohnt. Darum machen wir noch weiter und schauen, was überwiegt: positive Wirkung oder Nebenwirkungen plus Belastung durch das Gerenne für die Therapie.

Dir auch alles Liebe – und danke für Deinen Gedankenanstoß
J.

hopeflower

Ich hab nochmal das Interview gelesen mit Weller und seiner Meinung über Checkpoint Inhibitoren.

Kurz gesagt:
-man schraubt damit die Wachheit des Immunsystems unspezifisch hoch
-Immunsystem muss selbst in der Lage sein den Feind (Tumor) zu erkennen
-Glioblastome gehören nicht zu den Tumoren mit der höchsten Mutationslast und deshalb sind sie nicht soooo einfach für das Immunsystem zu erkennen
-deshalb glaubt Weller dass Checkpoint Inhibitoren nicht als Monotherapie der Durchbruch sein werden

(sinngemäß aus der Brainstorm 1|2016).

Für mich klingt das nach "in jedem Fall mit etwas anderem kombinieren"...

TabeaK

Naja, in diesem Falle ist das andere eben die Bestrahlung.

Es ist schon richtig, dass erstmal Immunzellen da sein muessen, die den Tumor erkennen - die Entzuendungsreaktion, die die Bestrahlung hervorruft schafft hierzu auf jeden Fall eine Chance.

Jens

Darauf setzen wir jetzt, die Alternative wäre nur noch, keine Therapie mehr zu starten. Kommt für uns aktuell nicht infrage.

Heute war schon die zweite Pembrolizumab-Infusion, Donnerstag folgt die erste Re-Bestrahlungssitzung. Einerseits hoffen wir auf eine Entzündungsreaktion, damit das Immunsystem seine Arbeit machen kann. Andererseits fürchten wir sie auch, weil vermutlich wieder Dexamethason nötig sein wird, um Entzündung und Schwellung im Griff zu behalten. Und zu viel Cortison schwächt ja leider wieder das Immunsystem. Im schlimmsten Fall wäre der erhoffte Effekt durch den PD1-Hemmer weg, so habe ich unsere Onkologin verstanden.

Die Kombination ist trotzdem eine Chance. Wir hoffen weiter, erwarten aber natürlich keine Wunder.

Arika

Lieber Jens,

darf ich nach die behandelnde Klinik fragen ? Gerne auch PN. Mein Mann hat die Diagnose seit Ende 02.16 und wegen des Progress steht eine are-Bestrahlung im Raum.
Euch alles gute !
LG,
Lana

Agge09

<<<<hallo ist das Prembozilomad ähnlich wie das Nivolumab und kann man da besser ran kommen?
Bin seit 1 Woche erst in der KOmbitherapie Bestrahlung + TMZ Tablette morgens 140 mg
Ich möchte aber irgendetwas dazu nehmen als Aktiviver/STimulieren zum Temodal und meinen Rest zu zerstören und die GBM Restzellen zu vernichten, bevor die Rezidive usw kommen
Und es wieder ernst wird!

TabeaK

Pembrolizumab und Nivolumab haben das gleiche Ziel - PD-1. Es sind beides Antikoerper. Sie sind sich aehnlich, aber nicht identisch. Weder Pembro noch Nivo sind fuer Hirntumore zugelassen bisher. Es ist daher nur moeglich im Rahmen von klinischen Studien heranzukommen, oder wenn ein Arzt es off-label verschreibt. Letzteres duerfte mit massiven Kaempfen was die Krankenkassen und die Kostenuebernahmen angeht einhergehen - weil eben noch nicht zugelassen und die Wirksamkeit noch nachzuweisen ist.

Antikoerpertherapien sind zudem EXTREM teuer.


Es laufen klinische Studien zur Kombi mit Temodal, mir sind aber noch keine Ergebnisse bekannt.

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