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brühbirne

Hallo!

ich habe mich hier angemeldet, weil ich seit Anfang dieses Jahres unter Schock stehe, meine Tochter und ich leiden, unser Leben (zum zweiten Mal) auf dem Kopf steht und ich nach Informationen und Hilfe suche... und weil es die einzige Möglichkeit zu sein scheint - im Forum dieser Website - nach Themen/Beiträgen zu suchen und Informationen zu bekommen, die ansonsten im Internet nicht vorhanden sind bzw. mir verschlossen bleiben würden. Allerding hat meine Suche mit Stichwort "Persönlichkeitsveränderung" annähernd keine Treffer gebracht. "Aggressiv" und "Wesensveränderung" führte zu einigen Beiträgen... aber ich habe nichts gefunden, was dem entspricht, was ich erlebt habe und was die Angehörigen meiner Freundin täglich durchmachen.

Also, ich selbst bin nicht von einem Hirntumor Betroffene, sondern habe - oder hatte* - eine Freundin, die diese Diagnose vor 7 Wochen erhalten hat. Ich kann mich aber ganz gut in die Situation von direkt Betroffenen hereinversetzen (ich hatte vor einigen Jahren die Diagnose einer aggressiven Form von Brustkrebs - HER2/neu-Überexpression= 3+ - mit Verdacht auf Hirnmetastasen aufgrund von Seh-, Sprach-, Hör- und Gedächtnisstörungen und extrem starken, mit Medikamenten nicht zu behandelnden Kopfschmerzen, welche mich überhaupt erst dazu gebracht haben, meine Brust abzutasten...)
Meine Freundin bekam Anfang Januar 2020, nach einem epileptischen Anfall mit schwerem Sturz die Diagnose Hirntumor. Und nun ist nichts mehr, wie es war.
Meine Freundin war, so lange ich denken kann, eine kluge, gebildete, freundliche, großzügige und warmherzige Frau, aber seit 7 Wochen ist sie sehr oft eine unberechenbare Furie. Es ist ihr erstaunlicherweise möglich, trotz mentaler Defizite, beim Job und in Gesprächen mit Fremden, Kollegen und Ärzten, charmant, eloquent, besonnen und ruhig zu bleiben. Aber im Privaten ist sie oft sehr egozentrisch, aggressiv und gemein, schreit herum und beschimpft und demütigt Familie und Freunde bis die Tränen fließen oder es sogar zu Handgreiflichkeiten kommt. Dabei spricht meine Freundin davon, Hilfe zu leisten, sich um alles kümmern zu müssen und dass sie zu gut ist für diese Welt, dass ihr niemand Gutes tut, sie verletzt, ignoriert und ausgenutzt wird u.ä.m. Sie sagt, dass sie sterbenskrank ist und kurz darauf, dass es ihr so gut ginge wie noch nie. Da meine Freundin kaum schläft, rund um die Uhr sehr aktiv ist, gibt es auch kaum Möglichkeiten des Abschaltens und der Regeneration – für alle Beteiligten.
Ich bin ihr gegenüber nie laut oder ausfallend geworden und habe versucht geduldig & verständnisvoll zuzuhören und zu helfen, wobei letzteres irgendwie bisher gar nicht wirklich möglich war (man kommt nicht zu Wort und wenn doch, dann ist es für sie die pure Provokation). Sie hat mich durch ihre vielen Beschimpfungen und Vorschriften und die massive Einmischung in meine Mutter- und Partnerschaft sehr verletzt. *Der Gipfel war dann die Kündigung der Freundschaft und der Wunsch, dass ich nie mehr Kontakt zu ihr aufnehmen solle. Jetzt stehe ich im Aus. Ich kenne nur Bruchstücke der Diagnose (die gar nicht schlimm klang), ich wage es nicht mehr, meine Freundin zu kontaktieren...
Wie gesagt, geht es mir und meiner Tochter nicht gut. Wir beide leiden zur Zeit unter Schlafstörungen. Ängsten und Albträumen.

Ich finde es erstaunlich, dass von so krassen Persönlichkeits/Wesensveränderungen, von Aggressionen, täglichen Beschimpfungen, Demütigungen, ja regelrechtem Psychoterror, der einen ja an die Grenzen der Kräfte bringt, hier im Forum nie die Rede ist. Zumindest habe ich Derartiges noch nicht gefunden. Alle Beiträge von Betroffenen und Angehörigen klingen immer total pc, alles erscheint, als wäre es am Ende ganz okay und gut zu bewältigen.
Aber DAS was ICH erlebt und miterlebt/beobachtet habe, war ganz anders, das war so intensiv und so schrecklich, dass es NICHT auszuhalten war. Man wollte nur weg. Sich in Sicherheit und Ruhe bringen.

Ich würde gern wissen, wer Ähnliches, wie das von mir Geschilderte erlebt hat und (täglich) erlebt. Ich interessiere mich natürlich insbesondere für Antworten von Angehörigen und Freunden. Deren Strategien und Fazite. Aber auch Berichte und Empfehlungen von aktiv aggressiven Hirntumor-Patienten interessieren mich, weil ich gern verstehen würde, was da abgeht und vor allem weil ich unbedingt einen Ausweg aus dieser besch... Situation finden würde. Einen Ausweg, der den Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht wird.
Gute Nacht.


P.S.: Ich musste eine Tumorart (samt Therapie/Diagnose) eintragen, obwohl ich keine Ahnung habe, um welche Tumorart (etc.) es sich handelt bzw. nur weiß, dass der Tumor (s. MRT) wohl gutartig ist; das Ergebnis der Biopsie lag beim letzten Gespräch allerdings noch nicht vor.

mona

Hallo,
ich kenne diese Wesensveränderung auch.Leider war ich nach der 3 Operation in so ein ähnlichen Zustand von ein extrem zum nächsten...

Lg mona

Gemeinsam Stark

GMT

Eine HT-Diagnose - ohne auch erst einmal zu wissen ob es gut- o. bösartig ist, ist sicher der absolute Ausnahmezustand.

Ich möchte andere schwere Diagnosen nicht klein reden - um Missverständnisse zu vermeiden - aber da wie Du selber schreibst - auch viele Fachärzte nach wie vor nicht genau wissen, wie das Hirn funktioniert, welche Bereiche betroffen sind und welche genauen Auswirkungen das haben kann, weiß man auch nicht, ist es die Ohnmacht wegen der Diagnose oder ist es ein Symptom derselben?

Das Hirn ist ja sozusagen die "Schaltzentrale" - gibt es da einen 'Schaden' ist es ganz egal wie gut alle anderen Organe des Körpers funktionieren.....

Vielleicht solltest Du erst einmal Abstand zu deiner Freundin nehmen und nicht alles, was da passiert ist, als Beleidigung auffassen - auch wenn deine Emotionen das so sehen.

Ich zumindest lesen in deinem Beitrag, dass DU dich verletzt fühlst - was sicher berechtigt ist - aber es ändert nichts an der Diagnose, die deine Freundin bekommen hat. Wenn es darum geht, ihr zu helfen, wende dich an Onko-Psychologen, sprich mit den behandelnden Ärzten und versuche solche persönlichen Auseinandersetzungen Sachlichkeit entgegen zu bringen - lasst diese emotionale Küchenpsychologie einfach mal raus und konzentriere dich auf das, was eventuell in der jeweiligen Situation wichtig ist.
Sollte das für dich nicht funktionieren, kannst du nur den Weg des Abstands gehen.
Aber wie du es nennst -
Zitat: "Einen Ausweg, der den Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht wird."

Von "Bedürfnissen" aller (?) Beteiligten zu sprechen - finde ich sehr merkwürdig - es ist keine "Verhaltensstörung", die antrainiert ist...wenn der HT ein entsprechendes Areal befallen hat, ist es eventuell nicht möglich, die Bedürfnisse anderer Menschen noch zu kalkulieren und willentlich zu erfüllen?

brühbirne

Hallo Mona,

hat sich Dein Zustand irgendwann gebessert? Wenn ja wodurch? Hast Du mitbekommen, dass Du Menschen verletzt? Wie ging oder geht Deine Umgebung mit dieser Veränderung um? Was ist das Beste zu tun und zu lassen oder was war das Beste für Dich?

brühbirne

Hallo GMT,

danke für die ausführliche Erwiderung. Vieles was Du schreibst, war und ist mir ja klar, aber die Verletzungen und die Hilflosigkeit sind ja eben da und sehr schlimm. ("Emotionale Küchenpsychologie" finde ich eine unnötig lächerlichmachende Beschreibung meiner Erlebnisse und Gefühle und der meiner kleinen Tochter.)
Natürlich versetzt einen die Diagnose Hirntumor - so wie übrigens auch die Diagnose aggressiver Brustkrebs - in eine Ausnahmesituation, was allerdings eben auch für die Angehörigen und Freunde gilt*. Und natürlich ist die extreme Egozentrik und Aggressivität und Hyperaktivität eines Hirntumor-Patienten keine antrainierte Verhaltensstörung, keine willentliche Raserei usw.
* "Die Bedürfnisse aller" musste ich schreiben, weil wir zwar Individuen, aber soziale Wesen/Familienmenschen sind und eine (gute) Lösung psychischer und sozialer, inklusive krankheitsbedingter Probleme ja immer bedeutet, sich alle Positionen und eben Bedürfnisse anzuschauen und möglichst alle zu berücksichtigen. Was daran merkwürdig ist, kann ich nicht nachvollziehen.
Was ich z.B. merkwürdig finde und gern verstehen würde, ist warum die Impulskontrolle und das Sozialverhalten gegenüber Fremden eher funktionieren. Oder ist das ein Ausnahmefall? Ich würde gern wissen, was andere fühlen und tun und vor allem, welche Möglichkeiten es gibt, im Alltag auf Dauer klar zu kommen, welche bewährten Strategien und welche Perspektiven... welche praxisnahen/verhaltensorientierten Hilfsangebote usw. (Mit Ärzten und einer Psychoonkologin habe ich schon gesprochen, aber diese Gespräche haben mir leider nicht viel gebracht, andernfalls würde ich hier nicht schreiben.)

Marsupilami

"Was ich z.B. merkwürdig finde und gern verstehen würde, ist warum die Impulskontrolle und das Sozialverhalten gegenüber Fremden eher funktionieren. Oder ist das ein Ausnahmefall?"


Was ist daran merkwürdig? So funktioniert das auch bei Menschen ohne Wesenveränderung. Nicht so extrem, aber vom Prinzip her genauso


Für diie von Dir ja recht dramatisch geschilderte Gefährdung des Kindswohls ist das Jugendamt zuständig


Gruß vom Marsupilami
---------------------------------------------------------------------

"Don´t feed the troll"

„Trollen ist ein Spiel um das Verschleiern der Identität, das aber ohne das Einverständnis der meisten Mitspieler gespielt wird.“
– Judith Donath: Identity and Deception in the virtual Community
(Wikipedia)

mona

@ brühbirne,
ja das ist bei mir auch so das von mein Mann oder Kindern das Feedback kommt gereizter und aggresiver zu sein wie bei außen stehende Person oder die Personen mit mir nur paar Stunden verbringe oder unterwegs bin.

Lg mona

Gemeinsam Stark

brühbirne

Hallo Marsupilami,

ich habe meinen Text schon geändert und versucht, das "Drama" und zu persönliche Daten, so weit es mir möglich ist, rauszunehmen, alles genau, aber weniger emotional und sachlicher zu schildern. Ob mir das gelungen ist, weiß ich nicht. Außer von Mona wurde mein Beitrag aber bisher eher kommentiert und bewertet als beantwortet. Und ich fühle mich, als müsste ich mich ständig erklären. Ich dachte und hoffte, hier sind Leute unterwegs, die offen und ehrlich eine persönliche Auskunft und gute Ratschläge geben können und wollen (Ärzte, Psychoonkologen und Jugendamt ? Das sind doch Allgemeinplätze!.)...

Und es ist (für mich) merkwürdig und interessant, dass ein Tumor doch nicht allmächtig ist und es funktionierende Kontrollmechanismen gibt.- Aber ich möchte mich nicht weiter erklären und wiederholen.

Ich freue mich über Antworten auf meine Fragen (s.o.).
Und wenn keine kommen, na dann war das hier eben nur ein Versuch und doch der falsche Ort, um Information und Unterstützung zu erhalten. Das wäre traurig, aber dann habe ich eben wieder was gelernt.

Lieben Gruß

brühbirne

@mona
Danke für Deine Antwort. Ich glaube, hier gibt es auch die Möglichkeit, direkten Kontakts, oder? Wenn Du nichts dagegen hast, werde ich Dir noch persönlich schreiben, vielleicht kannst Du mir ja noch einiges erklären, damit ich imstande bin, die Situation besser zu verstehen und zu verarbeiten und einen Plan für die Zukunft zu haben.

mona

@ brühbirne,
nochmal sehr grob und oberflächlich..die Lage des Tumores,Ödeme usw.beeinträchtigen die Funktionen(neurologische Ausfälle,wesensveränderung uvm.)
Wie geht es denn bei ihr weiter,wurde sie operiert oder chemo,Bestrahlung? 7 Wochen ist sehr frisch...
ich habe dich persönlich angeschrieben da es hier den Rahmen sprengt und auch sehr persönlich ist.
Gerne beantworte ich deine Fragen auf anderen Weg

Lg mona

Gemeinsam Stark

Mego13

Liebe Brühbirne,

herzlichen Willkommen im Forum. Welche Fragen möchtest Du besonders gerne durch das Forum abklären?
Wenn es Dir besonders um die psychischen Veränderungen Deiner Freundin geht, brauchen wir definitiv mehr Informationen. Wo liegt der Tumor, welche Tumorart ist es, bekommt Deine Freundin Begleitmedikamente? Gerade Letztere können die Psyche auch intensiv beeinflussen. Auch die Fragen , die Mona stellt sind essentiell wichtig, welche weiteren Therapien sind geplant?

Was ist Dein Kernwunsch? Deine Freundin weiterhin zu unterstützen? Erinnert Dich die Situation so stark an Deine eigene Erkrankung, dass Du vielleicht Unterstützung benötigst. Die meisten Krankenhäuser oder Krebshilfen bieten auch Gruppen für Angehörige an.

Wie kommt es, dass Deine Freundin so schnell wieder arbeitet.
Du schreibst, dass Deine Tochter durch die Situation stark belastet ist, bekommt sie Unterstützung oder Hilfe?

Ach ja, Du schreibst, dass die "Diagnose gar nicht schlimm klang". Anders als bei anderen Tumorerkrankungen ist allerdings auch mit einem WHO - Grad I nicht zu spaßen. Ich weiß, dass ist für unsere Angehörigen, Freunde und Bekannte schwer vorstellbar. Mit einem Hirntumor ist man maximal "Langzeit-Überlebender", aber niemals geheilt.

LG
Mego

KaSy

Liebe brühbirne,
ich habe Dir eine PN mit meinen und weiteren Erfahrungen geschickt. (oben links bei Posteingang)
KaSy

GMT

@brühbirne

leider hast du das völlig falsch verstanden. Obwohl ich im Studium 4 Semester Psychologie hatte, würde ich mich selber bei einem so komplexen Thema als "Küchenpsychologin" bezeichnen - denn hier ist keiner ein fachlicher Spezialist.
Dass du sehr emotional in deinem Beitrag warst, ist sicher verständlich aber leider hast du da selber Wertungen abgegeben, die dem Thema nicht gerecht werden - z.B. Zitat: " Ich kenne nur Bruchstücke der Diagnose (die gar nicht schlimm klang),...." - was wirklich unglaublich erscheint.

1. Nach deiner eigenen Aussage, hast du zwar mit Fachärzten & Onko-Psychologen gesprochen - ohne die tatsächliche Diagnose zu kennen (?) - aber warst mit dem Ergebnis nicht zufrieden - Warum eigentlich?

In jeder Beschreibung bei Hirntumoren ist auch von Wesens/Persönlichkeitsveränderungen die Rede - jeder Arzt, der mit neurologischen Dingen zu tun hat, weiß das und könnte dir sicher auch zumindest ansatzweise erklären, dass es durchaus möglich ist, dass deine Freundin durch diesen Tumor gar keine Kontrolle darüber hat.

2. Du möchtest zwar das "Problem" lösen weil DU darunter leidest, doch hast selber das Problem nicht zu verstehen, worum es bei Erkrankungen des Hirns (und des ZNS) zu gehen scheint. Das geht ganz bestimmt fast allen Menschen so denn uns ist selten bewußt, welche Funktionen dort sind.
Dinge, die "automatisch" abzulaufen scheinen nehmen wir gar nicht mehr bewußt wahr.
Nur um ganz einfach etwas als Beispiel zu benennen : Wir atmen automatisch ein und aus - wenn z.B. ein Tumor in den dafür zuständigen Bereich des Hirns wächst, kann es durchaus passieren, dass obwohl äußerlich nichts zu erkennen ist, der Betroffene nicht mehr atmen kann - mit den bekannten Folgen.
Einem gesunden Menschen ist dann gar nicht klar, dass es nicht hilft, dem Betroffenen das "atmen" zu erklären...… und so gibt es eben noch unglaublich vielfältige Funktionen des Hirns, die den ganzen Menschen beeinflussen - ganz ungewollt. Da hilft alles Zureden oder gutgemeinte "Gespräche" nichts.

Und genau so kann es bei deiner Freundin eben auch in anderer Hinsicht sein - ein Mensch, der in akuter Panik ist, macht die verrücktesten Sachen und kann nichts dagegen tun weil er keinen willentlichen Einfluss darauf hat.

Deine Freundin hat nun unter den Umständen dir die Freundschaft "gekündigt" - sei trotzdem eine gute Freundin und akzeptiere es.
Sollte es ihr wieder besser gehen, ist es möglich, dass sie wieder auf dich zukommt.

Erzwingen kann man weder Freundschaft noch Liebe - auch nicht wenn man selber glaubt rational & vernünftig zu handeln.
Vertraue darauf, dass es besser wird ohne sie zu irgend etwas zwingen zu wollen. Und wenn es nicht besser wird, kannst du nichts daran ändern .

Keiner hat sich einen Hirntumor ausgesucht und viele sind mit den Folgen selber überfordert und dann auch nicht in der Lage für das Wohlbefinden seiner Umgebung zu sorgen.

Mego13

Liebe GMT,

ich finde Deine Abschlussworte ganz wichtig: "Keiner hat sich einen Hirntumor ausgesucht und viele sind mit den Folgen überfordert und dann auch nicht in der Lage für das Wohlbefinden seiner Umgebung zu sorgen."

Gerade die Umgebung ist meines Erachtens häufig überfordert: Ein Hirntumor ist nicht durch den Lebensstil beeinflussbar, so wie andere Tumorerkrankungen. Er beeinträchtigt unser Innerstes, unter Umständen unser ganzes Wesen. Hat Einfluss auf primäre Körperfunktionen. Das Beispiel mit der Atmung ist eindrücklich. Ich möchte noch das Beispiel Schlucken hinzufügen, diese Funktion ist zur Hälfte erlernt. Das heißt, so einige hier kämpfen mit Dysphagie (Schluckstörungen).

Ein Hirntumor ist immer eine brutale Konfrontation mit der Zerbrechlichkeit des Lebens. Für uns, aber auch für unsere Umgebung. Man muss lernen, damit umzugehen, wenn die Krankheit uns die Kapazitäten dazu lässt.

LG
Mego

GMT

Liebe Mego13,

aus meiner - nur ganz persönlichen Sicht und der gemachten Erfahrung - ist der Hirntumor ein Frontalangriff auf die Seele.

Ich finde dafür keine adäquate Beschreibung oder überhaupt eine Erklärung, was es für den Menschen bedeutet, solch eine Diagnose zu bekommen und überhaupt damit "umgehen" zu können.
Ohne Seele ist ein Leben kein Leben......

Mego13

Liebe GMT,

Deine Worte berühren mich zutiefst. Treffender kann man es nicht audsdrücken.


LG
Mego

Aziraphale

Ja, niemand hat sich den Tumor ausgesucht. Mein Mann nicht, dass er ihn hat, wir nicht, dass auch unser Leben sich dadurch sehr verändert hat. Unser Sohn ist seit längerem in psychotherapeutischer Behandlung, auch wenn seine "Probleme" nicht ausschließlich durch die Krankheit seines Papas verursacht worden sind.

Aber... Wenn etwas derartig eskaliert, wie brühbirne das beschreibt, muss hier eingeschritten werden. Weil ihre Freundin zu einer reellen Gefahr für ihre Familie, vor allem für ihr Kind geworden ist. Bei aller Liebe, allem Verständnis, ist so etwas nicht hinzunehmen. Kinder sind sehr leidensfähig, ihre Liebe zu den Eltern ist das Größte, was es gibt. Es ist aber nicht ihre Aufgabe, alles zu verstehen, alles hinzunehmen. Sie müssen geschützt werden. Oder anders: würde mein Mann irgendwann zu einer Gefahr für unser Kind werden, könnte er nicht mehr bei uns bleiben, weil das unseren Sohn zerstören würde. Das ist aber die innerfamiläre Sache.

Dass sich Aggressionen bei HT-Erkrankten häufiger gegen Familienangehörige und andere nahestehende Menschen (Menschen also, zu denen eine emotionale Bindung besteht) richten, habe ich hier schon sehr oft gelesen. Auch, dass die Erkrankten Fremden gegenüber sich durchaus normal verhalten. Es scheint, als ob sich positive in negative Gefühle umkehren, neutrale sich aber nicht verändern.

Ich hatte eine Freundin, eine wirklich gute Freundin. Als mein Mann krank wurde, ist sie durch halb Deutschland gefahren, um bei mir zu sein. Sie hatte zu dem Zeitpunkt schon seit längerem psychische Probleme, die bis in ihre Kindheit zurück reichten. Leider hat meine Mutter ihr am Tag ihrer Abreise so zugesetzt, dass sie den Kontakt zu mir abgebrochen hat (ja das kann meine Mutter sehr gut). Ich hätte ihr nicht beigestanden hat sie gesagt, als wir uns ein Jahr später ausgesprochen hatten. Ich habe damals gesagt, sie solle sich nicht mit Medikamenten vollpumpen, sondern eine Gesprächstherapie machen. Bei der Aussprache war sie so voll gepumpt mit Medikamenten, dass ich sie nicht wiedererkannt hatte. Aber sie war zufrieden, mit sich und ihrem Leben. Dass sie nicht mehr der fröhliche, leicht durchgeknallte Mensch war, den ich so sehr gemocht hatte, störte sie nicht. Wir hatten seitdem keinen Kontakt mehr.

GMT

@Aziraphaele
Zitat: "Aber... Wenn etwas derartig eskaliert, wie brühbirne das beschreibt, muss hier eingeschritten werden. Weil ihre Freundin zu einer reellen Gefahr für ihre Familie, vor allem für ihr Kind geworden ist...."

Hm....es ist immer schwierig wenn nur eine Seite zu Wort kommt, die offensichtlich sehr emotional betroffen ist.
Das, was @brühbirne hier beschrieben hat, liest sich schon Schlagzeilenträchtig. ist aber doch sehr dünn in der Beweislage bei genauerem Betrachten und erschöpft sich ja in Hörensagen und der persönlichen Verletzung, dass @brühbirne hier die Person ist, die von der Abwesenden "aussortiert" wurde und es nicht akzeptieren möchte.

Man sollte nicht nur einseitig "Schuld" beim Betroffenen suchen. In der Realität ist es doch so, dass auch die nächsten Angehörigen in einer schwierigen Lage sind, die sie gar nicht beherrschen können und häufig aus gutgemeinten Gründen sich selber merkwürdig verhalten, häufig schon beim Vorurteil, dass ein HT-Betroffener seine "Sinne nicht mehr beieinander hat" und nicht mehr "richtig" funktioniert und man ihm gerne Vorschriften macht, wann er was zu tun und zu lassen hat - natürlich nur zu seinem Besten?..
Das darf man in seine Betrachtungen der Situation mit einbeziehen.
Selbst im vermeintlich gesunden Leben agieren und reagieren die Menschen sehr unterschiedlich miteinander aus den individuellsten Gründen. Man kann nicht mit jedem Menschen gleich gut weil einem selber da Resonanz fehlt oder eben vorhanden ist.
Wenn ein Betroffener mit Fremden anders agiert, kann es durchaus sein, dass der Fremde anders als man selber agiert/reagiert.

Was will man mit einem HT-Betroffenen machen? Ständig auf ihn einreden ohne überhaupt zu wissen ob Derjenige in der Lage ist, sein Verhalten zu ändern und man selber muss sich nicht ändern im Umgang mit dem Betroffenen?

Das ist eher der Stoff aus dem "Kriege" entstehen. Manchmal hilft auch einfach Abstand halten, zur Ruhe kommen lassen und nicht immer auf das eigene Rechtbehalten bestehen.

Mego13

Hallo Zusammen,

mir ist ein Punkt aufgefallen, den ich beachtenswert finde. Meiner Meinung nach wissen wir gar nicht, ob die Hirntumorpatienten eine Tochter hat, die geschützt werden muss.
Brühbirne schreibt über ihre eigene Tochter, wenn sie bemerkt:
"MEINE Tochter und ich leiden...." Wenn sie nicht in einer WG mit der Betroffenen leben, müsste zumindest Brühbirnes Tochter vor der Situation geschützt werden können.

@GMT Ich kann Dir nur in vielen Punkten beipflichten, es ist aus den Pflegewissenschaften bekannt, dass Angehörige bei schweren Erkrankungen ihrer geliebten Kinder, Partner, Eltern, Schwiegereltern auch in psychische Ausnahmezustände geraten. Das kann in Extremfall sogar zu psychischer und physischer Gewalt in der gemeinsamen Kommunikation führen.

Das bedeutet aber auch, dass Angehörige nach Möglichkeit professionelle Hilfe benötigen.

LG
Mego

brigittchen

Ich verstehe nicht warum die Tochter von Brühbirne leidet.
Ich denke, die Freudin muss erst mal mit sich uns der Diagnose zurecht kommen, das ist schon schwierig. Und dann die engere Familie
Sie will funktionieren, Alltag erhalten , arbeiten. Das kostet unendlich Kraft. Als Freundin würde ich ihren Wunsch nach Abstand respektieren.

Xelya

Hallo brühbirne, (sorry, sehr lang)

die Bedürfnisse aller impliziert, dass alle eine Wahl bezüglich Ihres Verhaltens haben. Für Deine Freundin trifft das (so ihr Tumor direkt für Ihre Persönlichkeitsveränderung "verantwortlich" ist) nicht zu. Sie hat nicht die Wahl ihr Verhalten zu verändern und ich glaube, das ist das wichtigste, was das Umfeld verstehen muss.

Ich finde es schon ein Stück weit nachvollziehbar, warum sich die Impuls- oder Affektkontrolle in verschiedenen Situationen auch unterscheiden. Wenn wir im Job sozial interagieren, dann sind wir oftmals emotional viel weniger beteiligt. Im privaten Umfeld lässt man die Maske fallen und zeigt sich so wie man ist, d.h. mit allen Emotionen und viel weniger mit erlernten sozialen Strategien. Da ich keine Neurowissenschaftlerin bin ist das eine Laienmeinung.

Ein Bekannter hat einen austherapierten Hirntumor, der ebenfalls seine Affektkontrolle massiv beeinträchtigt. Er kann schon länger nicht mehr arbeiten, aber auch hier ist es so, dass im privaten Umfeld der Umgang mit ihm wirklich sehr, sehr schwierig sein kann. Die Familie geht so damit um, dass sie sich ein dickes Fell zugelegt haben und sich immer wieder sagen, dass die Krankheit aus ihm spricht und nicht er, wie er immer war.

Und - und das ist auch für das Umfeld Deiner Freundin extrem wichtig - sie sorgen für sich selbst, schaffen sich Freiräume, ab und an geht der HT-Patient für eine Weile ins Hospiz (er kann nicht mehr alleine sein, weil er zu viel vergisst).

Du schreibst:
"Ich freue mich über Antworten auf meine Fragen (s.o.).
Und wenn keine kommen, na dann war das hier eben nur ein Versuch und doch der falsche Ort, um Information und Unterstützung zu erhalten. Das wäre traurig, aber dann habe ich eben wieder was gelernt."

Was genau hast Du dann gelernt?

Als Feedback zu deinen Posts (was vielleicht auch einige kritische Nachfragen anderer erklärt):

Für mich (meine Meinung, die ausschliesslich meinen subjektiven Eindruck widerspiegelt) schwingt in Deinem Post ein Vorwurf an Deine Freundin mit, weil sie Dich verletzt und schlecht behandelt hat. Als sei es nicht recht, eine Freundin, die doch nur helfen will, zu verletzen.

Und natürlich ist es das nicht, dennoch kann Deine Freundin ihr Verhalten (vermutlich) nicht steuern.

Niemand kann sich vorstellen oder nachvollziehen wie es ist einen Hirntumor zu haben. Auch wenn ein gutartiger Hirntumor "nicht so schlimm" klingt und meist nicht lebensbedrohlich ist, so ist es doch unsere Schaltzentrale, die betroffen ist. Unsere Persönlichkeit kann verändert werden (Du erlebst es ja gerade von aussen), ein HT kann kognitiv massiv beeinträchtigen, dafür sorgen, dass Du nicht mehr sehen, nicht mehr hören kannst. Die Angst, nicht mehr man selbst zu sein, sondern eine fremde Persönlichkeit. Ich glaube, dass das solche Ängste sich anders anfühlen als ein lebensbedrohlicher Krebs. Nicht leichter, nicht schlimmer. Anders.

Meine Freundin hatte einen aggressiven Unterleibskrebs und sie hat Todesangst ertragen und gegen den Tod gekämpft (und gewonnen). Ich habe vier gutartige Hirntumore und frage mich, wie lange ich noch denken kann wie jetzt, ob und wann ich ertaube und/oder erblinde. Meine größte Angst ist es, nicht mehr kommunizieren zu können oder kognitiv massiv beeinträchtigt zu werden durch meine Tumore. Mein persönlicher "Ausweg" - sollte es dazu kommen - wäre der Tod (so wie ich jetzt denke, aber wer weiss wie es ist, sollte es Realität werden) und damit genau das, wogegen ein Krebspatient kämpft. Ich glaube, ich würde nicht mal so weit gehen zu sagen, ich könne nachvollziehen, wie es jemandem mit weniger gutartigen HT als meinen, geht.

Long story short: Kümmere Dich um Dich selbst und sorge gut für Dich und Deine Seelenheil. Sei für Deine Freundin da und halte DEINE Befindlichkeit aufgrund IHRER Erkrankung zurück und mach Dir klar, dass sich sich vermutlich nicht aufgrund einer bewussten Entscheidung so verhält und sich diese Situation sicherlich nicht ausgesucht hat.

Allen alles Gute
Xelya

Andrea1966

Hallo brühbirne,

meine Erfahrung als Tochter ist die, dass mein Vater seinen Frust an mir ablässt. Er hat ein Glioblastom im linken Frontallappen, teilweise entfernt, jetzt Bestrahlung und Chemo.

Er hat große Sprachstörungen, Wortfindungsprobleme und auch sein Gedächtnis leidet. Bei allen Arztterminen oder sonstigen wichtigen Gespräche bin ich dabei, auch um für ihn das Wort zu ergreifen, wenn ihm die Worte fehlen. Aber auch ich muss manchmal oft nachfragen, um zu wissen, was er meint.

Vor kurzem warf er mir vor, ich hätte ihm verschwiegen, dass er Krebs hat, fragte mich, ob ich ihm noch anderes vorenthalten würde. Ich war total perplex, denn ich forderte Info-Material über Glioblastom an, gab es ihm und sprach auch mit ihm darüber. Auch im KH wurde er über seine Krankheit informiert usw.

Wenn er mit meinen (Halb)Geschwistern telefoniert, sie wohnen weiter weg und er ist nicht ihr leiblicher Vater, ist er sehr optimistisch und außer seinen Sprachproblemen merken sie nichts. Auch alle anderen in seinem Umfeld spüren keine Veränderung. Eine Schwester in der Klinik meinte, er sei so goldig, sie würde ihn am liebsten knuddeln.

Mein Vater war vor seiner Erkrankung ein Mensch, der mit jedem klar kam, auch wenn er nicht jeden mochte. Aber er konnte sich auf jeden einstellen und nahm ihn, wie er war. Daheim war er nicht ganz so "pflegeleicht", aber es gab nie ein lautes Wort.

Manchmal merkt er, dass er mich ungerecht behandelt hat und entschuldigt sich am nächsten Tag. Auch wenn mir seine Angriffe, die im Vergleich zu deinen Schilderungen sehr moderat sind, weh tun, weiß ich, es ist die Krankheit und nicht mein "Papilein". Es zeigt mir trotz allem Schmerz auch, dass er mir ohne Einschränkung vertraut.

Ich weiß, egal wie sich Krankheit bei ihm noch bemerkbar machen wird, ich werde für ihn da sein.

Einen Rat kann ich dir leider nicht geben, außer schütze dein Kind und höre auf dein Herz.

Alles Liebe und viel Kraft
Andrea

Sunny74

Liebe Mitleidende,

ich befinde mich in einem ähnlichen Dilemma.

Meine Frau, 41, Astrozytom II rechts frontal, 4. OP im Dez. 2019, Bestrahlung 2017, aktuell 4. Temodal Therapie, ist auch nicht mehr die, die sie einst war.

Vor allem unsere 3jährige Tochter leidet darunter, wenn sie bewusst oder unbewusst Dinge macht, die uns sehr unter Druck setzen. Es wird herum geschrien, Tatsachen verdreht und unwichtige Dinge aufgepauscht.

Ich bin sehr verzweifelt. Es gibt Tageseinrichtungen, die für solche Menschen geeignet sind und auch Kapazitäten hätten, aber meine Frau lehnt jegliche Hilfe ab.

Selbst einfache alltägliche Dinge, wie z. B. anziehen kann sie nicht mehr allein machen, aber sie lässt sich auch nicht helfen. Sobald ich meine Hilfe anbiete werde ich regelrecht angebrüllt, ich solle sie in Ruhe lassen.

Laut der Dame vom sozialen Dienst existiert bei diesen Patienten eine Angst vor Kontrollverlust. Es ist trotz der Erkenntnis, dass dies alle von der Erkrankung kommt, sehr sehr schwer, gemeinsam unter einem Dach zu wohnen.

Derzeit bemühe ich mich bei allen möglichen Stellen (Ärzte, Psychosoziale Beratung, Sozialreferat der Stadt, Krebshilfe etc.) eine Lösung zu finden - bisher vergeblich.

Mir rennt die Zeit davon, bevor unsere Tochter und ich "Schaden" nehmen.

Es ist wirklich eine Dilemma, meine Frau so sehen zu müssen - Tag für Tag...

Ich wünsche allen Kraft und Mut, die genau so leiden müssen.

LG
Sandi

Äpfelchen

Liebe Brühbirne,
mir gehen so viele Gedanken gleichzeitig durch den Kopf, und so werde ich versuchen, dir durch meine Erfahrungen zu helfen. Es gibt Tumore, die lassen sich gut operieren und der/die Betroffene geht damit um, lässt sich helfen. Genauso gibt es Tumore, die zu Wesensveränderungen führen. Viele Tumore können nicht komplett oder gar nicht entfernt werden, oder eine Chemo etc ist notwendig. Die Diagnose eines Hirntumors ist als Erstes ein mächtiger Schock. Man ist hin - und hergerissen zwischen Angst, Todesangst, Angst vor der OP und den Folgen, Existenzangst, Angst vor Verlust des Partners, der Freunde, der sozialen Kontakte. Dann wieder hat man Hoffnung, setzt Himmel und Hölle in Bewegung, um die beste Entscheidung zu treffen. Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, erst, wenn man den ungebetenen Gast akzeptiert und dann zusammen mit den Ärzten, der Familie usw. nach der richtigen Lösung sucht, geht es ganz langsam aufwärts. Dann hängt natürlich ganz viel vom Verlauf der OP und der REHA ab. Es sind so viele Faktoren, die zusammenkommen. Und es ist einfach so... einen Tag bist du himmelhochjauchzend, den nächsten Tag zu Tode betrübt. Es ist eine super schwere Situation, für die Betroffene und auch für ihre Umgebung. Einen Tipp möchte ich dir geben: Such dir Hilfe beinem Psychotherapeuten, wenn dir schwer ums Herz ist, setz dich hin und schreib alles auf. Leg die Briefe, die du schreibst, in eine Schublade und schau nach einiger Zeit nach, ob die Briefe noch deiner Traurigkeit und Hilflosigkeit entsprechen oder ob sich etwas verändert hat. Das hat mir sehr geholfen. Mein Leben hat sich übrigens total verändert. Arbeiten geht nicht mehr, viele soziale Kontakte sind weggebrochen. Man muss lernen, mit der neuen Situation umzugehen.
Ich wünsche dir Glück und Erfolg, und dass es dir und deiner Tochter bald wieder besser geht. Vielleicht geht es deiner Freundin auch bald besser, ich wünsche es ihr.
Versuche, ruhig zu bleiben und denk auch an deine Gesundheit.
Ich wünsche dir Optimismus, Hoffnung, Mut und alles Gute.
Liebe Grüße
Äpfelchen

Fran z Hans

Einerseits kann eine schwere Diagnose wie "Gehirntumor" für sich genommen schon eine starke psychische Belastung darstellen für die betroffene Person, was auch mit einer geringeren Stresstoleranz einhergeht.

Wahrscheinlicher ist es aber, dass durch die neurophysiologischen Veränderungen in Folge des Tumors bestimmte "Fakultäten" und Domänen (also quasi Aspekte) des Denkens, Fühlens und Handelns in Mitleidenschaft gezogen worden sind.

Wir haben oft die naive Vorstellung, dass die Art und Weise wie Menschen denken, fühlen und handeln deren bewusster Kontrolle unterliegen und Ausdruck ihrer Individualität und persönlichen Neigungen und Vorlieben sind. Vielmehr aber ist es so, dass die individuelle kognitive Beschaffenheit (die Art wie eine einzelne Person denkt, fühlt und handelt) unmittelbar von der Integrität des Organs Gehirn und seiner individuellen "Verschaltung" bestimmt ist.

Unser Gehirn besteht ja bekanntermaßen aus einer Vielzahl an miteinander verbundenen Gehirnzellen, welche als verschaltete Netzwerke aktiv werden, sobald wir eine kognitive Leistung vollbringen (z.B. eine Erinnerung abrufen, ein angelerntes Verhalten ausführen, eine Schätzung durchführen etc.). Wenn aber, etwa durch einer Erkrankung, diese Netzwerke im Hirn gestört oder unterbrochen sind (kannst du dir wie eine gerissene Stromleitung vorstellen, die keinen Strom mehr vom einen Ende zum anderen Ende durchleiten kann), dann können die Leistungen, welche diese verschalteten Verbindungen von Gehirnzellen vorraussetzen auch nicht mehr abgerufen werden.

Und das trifft auch auf "angepasstes soziales Verhalten" zu, welches sich im Grunde ja aus einer Vielzahl von erlernten und eingeübten Denk- und Verhaltensweisen zusammensetzt, von der jede einzelne durch die Verletzung des Organs Gehirn in Mitleidenschaft gezogen sein kann, was sich dann in einem solchen, wie von dir geschilderten Gesamtbild ausdrücken kann.

Das Falsche ist, dass wir oft aus Unreflektiertheit oder einem mangelhaften Verständnis dazu neigen, Menschen einen persönlichen Vorwurf zu machen, wenn diese sich "unmöglich" benehmen, weil wir das gesellschaftlich so gewohnt sind, dass wir Menschen persönlich verantwortlich und haftbar machen für das was sie tun und sagen.

Dies basiert aber auf der falschen Vorstellung, wonach der Mensch absolute Kontrolle über sein Handeln und Willensfreiheit besitzt, was bei genauer Betrachtung nicht zutreffend ist, schon gar nicht wenn es um Menschen geht, die aufgrund organischer (neurobiologischer: die physische und chemische Konstitution des Organs Gehirn betreffend) Erkrankungen des Gehirns Einbußen Ihrer kognitiven Fähigkeiten und Selbststeuerungsfähigkeiten erfahren haben. Tragischerweise gehen diese Einbußen oft auch damit einher, dass die betroffenen Personen selbst gar nicht realisieren, wie ihr Verhalten abweicht, denn um dies zu realisieren bräuchten sie genau jene kognitiven Kapazitäten, die sie ja in Folge der Erkrankungen eingebüßt haben. Das meine ich nicht im absoluten, aber im relativen Sinne.

Fazit: das Gehirn ist ein Organ. Schäden an diesem Organ, gehen zwangsläufig mit Beeinträchtigungen der Funktionen einher, für welche dieses Organ "zuständig" ist. So wie eine Schädigung der Leber mit Einschränkungen von Stoffwechselfunktionen des Körpers einhergeht, so wirken sich Schädigungen verschalteten Gehirnzellen auf die kognitiven Funktionen des Denkens, Fühlens und Handelns aus. Diese negativen Auswirkungen unterliegen praktisch nicht der willentlichen Kontrolle der Betroffenen und werden von diesen unter Umständen selbst gar nicht vollständig wahrgenommen. Auch sind diese abweichenden Denk- und Verhaltensweisen nicht zwangsläufig von den Betroffenen gewollt, sondern spiegeln vielmehr den reduzierten kognitiven Leistungs- und Handlungsrahmen wieder.

Likiniki

Hmmm, ich habe mich seinerzeit ähnlich verhalten. Es sind Gegenstände geflogen, es wurde gebrüllt und gewütet. Jede noch so kleine Kleinigkeit hat mich an die Decke gehen lassen.

Bei mir lag es schlicht und ergreifend am Keppra ... und die Auswirkungen waren unvorstellbar Massiv. Ich war ein ganz anderer Mensch.

BG

Mummel

Ich bin zur Zeit völlig drin in meiner Persönlichkeitsveränderung was lt.NCH an der Medi liegt welche ich nehmen muss um keine epileptischen Anfälle u bekommen.Ich habe mir einen Psychotherapeuten gesucht bei welchem ich am 16.6. ein Erstgespräch habe und da mir diese Therapie zu einem anderem Thema schon mal sehr geholfen hat versuche ich es...schaden kann es auf keinen Fall....probieren geht über studieren.Liebe Grüße

Sabine83

Vielen Dank für die Beiträge. Bei mir wurde im Rahmen eines Unfalls im Ausland ein Meningeom festgestellt. Es wurde mir leider falsch kommuniziert. Gehirntumor ohne weitere Informationen. Bis zum Termin in Deutschland vergingen drei Wochen. Die Ungewissheit und das googeln
machten mich kaputt. Ich hatte und habe keine Symptome. Ich habe mir die schlimmsten Vorstellungen gemacht.. Ich habe mich so richtig alleine gefühlt obwohl ich einen tollen Partner habe.
Das was du beschreibst - ich sehe mich darin komplett wieder, wie du deine Freundin beschreibst. Obwohl mit dem Termin alles geklärt wurde und ich keine OP benoetige, habe ich das Gefühl, dass mich diese Zeit der Ungewissheit traumatisierte. Ich hatte mehr Streitigkeiten mit meiner Freundin und dem Partner gehabt, mehr Probleme bei der Arbeit, ich habe mich aggressiv gefühlt. Ich hatte mich aggressiv gefühlt, weil ich das Gefühl hatte, dass Menschen nicht für mich da sein würden. Ich glaube ich hatte einfach Aufmerksamkeit gebraucht, welche ich jedoch nicht bekam. Bzw ich habe mehr Aufmerksamkeit als normal gebraucht, welche ich nicht bekam und nicht einforderte. Schwer zu erklären. Auf der anderen Seite wollte und will niemand zur Last fallen.

Ich finde es toll, dass es diese Seite gibt. 2018, Diagnosejahr, kannte ich die Seite nicht und ich bin mir sicher, dass mir der Austausch sehr geholfen hätte.

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