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Thema: Photonen- oder Protonen-Bestrahlung?

Photonen- oder Protonen-Bestrahlung?
Montegna
06.09.2021 08:22:15
Liebe Mitstreiter,

ich habe schonmal von meinem Mann erzählt, bei dem eine Lähmung am rechten Bein aufgetreten ist, wonach ein Hirntumor entdeckt wurde. https://forum.hirntumorhilfe.de/neuroonkologie/grad-iii-oder-iv-ab-wann-zweitmeinung-sinnvoll-16248.html#unread

Innerhalb der letzten 4 Wochen hat er eine Verschlechterung auch an der rechten Hand bemerkt, was uns deutlich zeigt: Da passiert gerade was in seinem Kopf.
Zeit ist also entscheidend gerade.

Da wir ewig auf einen Befund warten mussten, konnten wir noch keine Zweitmeinung anfragen. Und jetzt haben wir das Problem schon eine Behandlung geplant zu bekommen. Wohl nach dem Standardschema (6 Wochen tägliche Bestrahlung plus Temodal) aber an einem Photonen Linearbeschleuniger.
Der Arzt sagte uns, dass der Tumor recht weit außen läge und es deswegen gut möglich sei mit diesem Gerät zu arbeiten. Photonen sind nämlich nicht so schonend zu dem Gewebe durch das sie müssen, bevor sie überhaupt beim Tumor ankommen.

Unsere Zweitmeinung hätten wir gerne aus einer Klinik mit Protonen Bestrahler. Das Gespräch wäre allerdings erst eine Woche nach dem Beginn der Therapie an der anderen Klinik. Und bis dann alles geregelt und vermessen ist geht sicher nochmal ein Monat ins Land.

Jetzt fragen wir uns: Angenommen das Behandlungsschema sei grundsätzlich das selbe, lohnt es sich dann trotzdem auf Protonen zu setzen?
Kann man eine Behandlung zwischendurch abbrechen und anders weitermachen?

Grüße aus Hessen
Montegna
Logossos
06.09.2021 09:21:55
Nein, es lohnt sich nicht. Das wurde hier im Forum schon mehrmals diskutiert. Natürlich kann es sein, dass Ihnen eine Klinik, die einen Protonenbestrahler betreibt, Ihnen diese Therapie wärmstens empfiehlt. Ob das gerechtfertigt ist, ist eine andere Frage. Sehr viel wichtiger ist, welche systemische Therapie angewendet wird. Reicht das Standardschema mit Temodal ? Bitten Sie Ihre Klinik um Angabe von Alternativen.
Logossos
Montegna
06.09.2021 11:31:00
Danke für die schnelle Antwort.
Nach was suche ich denn am besten wenn ich die alten Diskussionen nachlesen möchte?
Montegna
KaSy
06.09.2021 12:44:04
Liebe Montegna,
Die Bestrahlung sollte so schnell wie möglich starten, da sich die Symptome bereits verstärkt haben. Wenn der Tumor nah am Rand ist, dann ist das gut. Die gesunden Zellen, durch die die Strahlen hindurch müssen, können sich selbst reparieren und so ist auch bei der Photonenbestrahlung nicht mit gravierenden Strahlenschäden zu rechnen. Der Tumor ist jetzt einfach mal schneller.

Die verschiedenen Möglichkeiten der Chemotherapie sind von dem Befund abhängig. Da müssten viele Merkmale des Tumors enthalten sein, wobei WHO III oder WHO IV bei hirneigenen Tumoren wie bei Deinem Mann nicht mehr vorrangig von Bedeutung sind. Die Forschungen sind mittlerweile weiter. Temozolomid wurde früher standardmäßig genutzt, aber durch die neuen Erkenntnisse werden nun auch andere Chemotherapeutika zielgerichtet genutzt, wenn die Tumormerkmale dafür passen.

Der Onkologe wird Deinem Mann und Dir sagen, welche Chemotherapie geeignet ist.
Wenn Ihr Euch vorher informieren möchtet, dann schaut in die Website der DHH e.V., die dieses Forum betreibt = senkrechter blauer Balken rechts = www.hirntumorhilfe.de
Dort findet Ihr jede Menge Informationen.
Du kannst dort auch die Hefte für Glioblastom-Betroffene und Angehörige kostenlos bestellen.
Nutze die Kontaktmöglichkeiten per Telefon (03437 702 702 ; Mo-Fr von 10-16 Uhr). Nimm den Befund zur Hand und ruf an. Dort wird Euch weitergeholfen!

Die Zeit drängt!

Eine Zweit- oder Drittmeinung einzuholen, ist immer noch sinnvoll. Zunächst läuft die Radio-Chemo-Therapie und wird hoffentlich erfolgreich sein.

Es ist aber auch möglich, dass nach längerer Zeit irgendwann der Tumor erneut erscheint, man spricht dann von einem Rezidiv. Um bereits jetzt darüber informiert zu sein, was dann möglich sein wird - und das könnte in einer anderen Klinik vielleicht sogar eine Operation sein (Das weiß ich aber wirklich nicht.) - wäre es sinnvoll, den Befund und alles, was sonst mit seinem Tumor zusammenhängt, als Kopien an andere Kliniken zu schicken. Fragt den Neurochirurgen, ob er jemanden empfehlen kann, aber frage auch (vielleicht in einem späteren Gespräch) bei der Dt. Hirntumorhilfe nach Kliniken, wohin Ihr Euch um weitere Meinungen wenden könnt.

Legt Euch auf jeden Fall einen Hefter oder Ordner für alle Befunde und die MRT-CDs an.
Schreibt Euch alle Fragen für Gespräche auf!

Ich wünsche Deinem Mann eine erfolgreiche Therapie, durch die Du ihn bitte motivierend und optimistisch begleitest. Entscheidungen, was für ihn gut ist, sollten sich an ihm ausrichten. Er wird stark sein, aber er braucht Deine Kraft jetzt auch!

KaSy

PS: Ich hoffe sehr, dass sich Erfahrene melden!
(Ich habe zwar mehrere OPs und Bestrahlungen durchlebt, aber keine Chemotherapie, da es diese für anaplastische Meningeome nicht gibt.)
KaSy
fasulia
06.09.2021 20:57:04
gib in die Suche die zwei Wörter:
Glioblastom Protonen
ein, dann findest du einige Beiträge.
fasulia
fasulia
06.09.2021 21:03:51
und je nach Tumormarkern käme, wie logossos schon angedeutet hat auch das CeTeGe Prokoll / NOA-09 Studie in Frage
da wird Temodal mit CCNU kombiniert gegeben -

es wird von einigen Betroffenen auch die Möglichkeit von Anfang an Methadon als "Wirkverstärker" der Chemo oder der Bestrahlung, dazu zu nehmen, angewandt- in nicht wenigen Fällen (off label) mit Erfolg
fasulia
Prof. Mursch
06.09.2021 22:43:38
@ „fasulia“ : Methadon als Wirkverstärker?

Bitte belegen Sie Ihre Aussage.Wissenschaflich. Danke.

Prof. Dr. med. Kay Mursch
Neurochirurg
Zentralklinik Bad Berka
Prof. Mursch
Cerepro
07.09.2021 09:02:06
@ fasulia

Untersuchungen, die belegen, dass D,L-Methadon in der Glioblastombehandlung als Wirkverstärker eingesetzt werden könnte, fehlen. Darum sollte der Begriff "Wirkverstärker" mit Zurückhaltung genutzt werden.
Cerepro
Montegna
07.09.2021 13:52:41
Danke KaSy für deine umfangreiche Antwort!

Bisher ist die Biopsie und sonstige Untersuchungen an einem Ort in Südhessen gemacht worden. Für die Bestrahlung wären wir in eine Stadt nahe unseres Wohnortes verwiesen worden, um dann die Nachbehandlung und Kontrolle wieder an dem anderen Standort zu machen.

Der Wechsel an den dritten Standort - der zufällig eben auch einen Protonenstrahler mit sich bringen würde - würde dieses Hin und Her unnötig machen. Wir könnten an diesem dritten Standort etwas südlich von Hessen bleiben. Wir haben viel Gutes über die Klinik dort gehört. Einen früheren Termin haben wir jetzt doch auch bekommen.
Allerdings müssten wir für die Bestrahlung täglich etwas mehr als 1 h fahren. Vielleicht nicht so günstig, aber für meinen Mann ist jetzt ja kein Weg zu weit (für mich als Fahrerin, natürlich).

Ich hoffe, diese Überlegung ist vernünftig.
Man bekommt am Anfang schnell das Gefühl jetzt einerseits nur alles falsch machen zu können und andererseits aber trotzdem mehr oder weniger in das Stupp Schema reingequetscht zu werden und eigentlich gar keinen Spielraum mehr zu haben.

Ich habe mich gefragt, ob es gut ist, an einen Ort zu kommen, an dem viel geforscht wird oder ob man dann zu schnell zu einer Art Versuchskaninchen wird?
Aber wahrscheinlich ist kontinuierliches Forschen und Weiterentwickeln immer besser, als ein Ort aus dem scheinbar gar keine Foschungen und Paper kommen. Oder?
Montegna
KaSy
07.09.2021 14:58:44
Liebe Montegna,
Man kann natürlich bei vielen Kliniken Meinungen einholen, aber 2-3 Meinungen müssen reichen, da es nicht so sehr viele verschiedene Behandlungsmöglichkeiten gibt. Und für Deinen Mann muss jetzt schnell gehandelt werden!

Eine Klinik, in der geforscht wird und in der Studien angeboten werden, ist auf jeden Fall gut! Es liegt an Deinem Mann (und an Dir), ob er in "Versuchskaninchen-Behandlungen" einwilligt. Das muss er nicht. Aber wenn er es möchte, kann er es direkt dort tun.

Wenn die Krankenkasse die Protonen- und die Photonen- Bestrahlungen bezahlt, dann steht Deinem Mann für die Fahrten dorthin eine Verordnung für die Fahrten zu. Es ist eine "Serienbehandlung" und außerdem ist er während der Strahlentherapie nicht fahrtüchtig. Er bekommt diese Verordnung vom Strahlenarzt und muss sie bei der Krankenkasse einreichen. (Das kann online erfolgen, man kann auch sicherheitshalber anrufen.) Meist reagiert die Kasse schnell und bietet evtl. auch einTaxiunternehmen an, mit dem die Krankenkasse einen Vertrag hat. (Die Taxifahrer freuen sich über Krankenfahrten, da sie für gut 6 Wochen einen sicheren Job haben.)
Du musst ihn also nicht selbst hin- und herfahren!

Zu meinen Bestrahlungen war es auch je eine Stunde Fahrt, der Taxifahrer hat während der relativ kurzen Zeit der Bestrahlung gewartet.
Ich hatte bei allen drei Bestrahlungsserien das Glück, sehr sympathische Fahrer/innen zu haben. Diese Fahrzeiten waren von angenehmen bis lustigen Gesprächen geprägt und die Fahrer/innen waren für mich wie Psychotherapeuten. Wer solche Krankenfahrten macht, der weiß, wie man seine kranken Fahrgäste einschätzt und wie man mit ihnen umgeht.

KaSy
KaSy
fasulia
07.09.2021 22:25:56
@Prof. Mursch @ Cerepro
habe meinen Beitrag korrigiert- ich will hier keine Diskussion lostreten-
dass es nicht wirkt ist auch nicht belegt, ... nach allem, was ich bisher gelesen habe, würde ich im Falle eines Glioblastom Methadon dazu nehmen- jede entscheidet selbst ... und am Anfang ist es sicher schwierig ... den Hinweis von Logossos nicht auf die Bestrahlungsart zu schauen, sondern darauf wie "systemisch" behandelt wird, wollte ich unterstreichen- nicht mehr und nicht weniger
fasulia
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