Basti[a]

Sächsische Zeitung
Mittwoch, 15. August 2001


Ein Schlag ins Familienkontor
Ehe ihr Mann als chronisch krank anerkannt wurde, zahlte eine Frau monatlich 610 Mark für Medikamente
Von Ingolf Reinsch

Vielleicht sind wir kein tyisches Beispiel für Sie", sagt die junge Frau, der wir vor unserem Gespräch zusicherten, dass sie in der Zeitung anonym bleiben könne. Seit Mitte der 90er Jahre leidet ihr Mann an einem Gehirntumor. Mitte 1998 wurde er als chronisch krank anerkannt. "Seitdem sind wir von der Zuzahlung für Medikamente, Therapien und Fahrtkosten zum Arzt oder zur Therapie befreit." Auf dem Weg dorthin waren allerdings Zeit, ein tiefer Griff in die Familienkasse und vor allem Nerven und Kraft erforderlich. "Es war ein Kampf", schaut sie zurück. Was wiederum alles andere als untypisch für Betroffene sein mag.
Ein halbes Jahr lang musste die Familie Monat für Monat 610 Mark (312 Euro) für die Medikamente zuzahlen. "Da waren noch nicht die Therapien und Fahrtkosten dabei", sagt die Frau. Irgendwann habe sie dann die Existenz ihrer Familie in Gefahr gesehen. "Ich stand vor der Frage, entweder Medikamente kaufen oder die Familie ernähren zu können." Erst nach Auseinandersetzungen und massivem Drängen habe die Krankenkasse zugestimmt, die Ausgaben der Familie rückzuerstatten und sie von der Zuzahlung zu befreien.
Heute sieht sie ihren Mann medizinisch gut versorgt. "Er hat die Medikamente, die er braucht." Zugleich bemerkt sie angesichts der allgemeinen Sparzwänge, dass Ärzte schon sehr genau überlegen, wieviel sie verschreiben. "Medikamente werden genau dosiert. Bei Therapien, beispielsweise physischen Anwendungen, wird abgewogen." Bei all dem kauft sie auf ärztliches Anraten noch monatlich für rund 100 Mark (51 Euro) Medikamente hinzu. "Dabei haben wir noch Glück, dass ich Arbeit habe. Jeder kann das nicht. Ich finde das bedauerlich", sagt die junge Frau.
Krankenkassen verweisen auf die gesetzlichen Regelungen. Demnach müssen die Bemessungsgrenzen für Medikamente und Behandlungen von zwei Prozent des Jahreseinkommens im Allgemeinen bzw. einem Prozent bei chronisch Kranken überschritten sein, ehe die Kasse die Kosten übernimmt. "Wir halten uns an das Gesetz, empfehlen aber unseren Versicherten, alle Belege zu sammeln, die wichtig sein könnten, um nach einem Jahr als chronisch Kranker eingestuft zu werden", sagt Anita Hantsch von der Innungskrankenkasse Sachsen. Ebenso könne es sich lohnen, über das Jahr mitzurechnen. Wer nach einigen Monaten höhere Zuzahlungen als die Bemessungsgrenze hat, könne die Rückzahlung sofort bei der Krankenkasse beantragen.
Den gleichen Tipp gibt Jörg Karbe, Bezirksgeschäftsführer der Deutschen Angestellten Krankenkasse in Bischofswerda. "Wir informieren unsere Versicherten auch über diese Fragen in unserer Mitgliederzeitschrift. Der Versicherte muss aber auch selbst aktiv sein."
Das weiß die Frau, mit der wir sprachen, sehr gut. Briefe an die Krankenkasse, Vorsprachen und wieder Briefe. "Wichtig ist, seine Rechte zu kennen und darauf zu bestehen." Und Partner zu finden wie Cordula Grüber, die Leiterin der Bischofswerdaer Sonnen-Apotheke, die ihr mit vielen guten Ratschlägen, auch zu Fragen der Versicherung, zur Seite gestanden habe.

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