Tanja[a]
Mit Immuntoxinen oder onkolytischen Adenoviren wird versucht, die Krebszellen gezielt zu zerstören, ohne umliegendes Gewebe zu schädigen
BERLIN (wma). Bei mehr als der Hälfte der Hirntumoren bei Erwachsenen handelt es sich um Gliome hoher Malignität, die durch eine Operation allein meist nicht vollständig entfernt werden können. Durch neue molekulare Therapiestrategien hoffen Krebsforscher, Tumorzellen künftig selektiv zerstören zu können, ohne das umliegende Hirngewebe zu schädigen.
Vor allem das Glioblastoma multiforme breitet sich schon sehr früh diffus im angrenzenden Hirngewebe aus. Es ist somit so gut wie ausgeschlossen, den Tumor vollständig operativ entfernen zu können. Auch Bestrahlung und Chemotherapie haben bisher nicht den gewünschten Erfolg gebracht. In der molekularen Neuro-Onkologie macht man sich nun spezifische Eigenschaften der Tumorzellen zu nutze, wie Privatdozent Dr. Nikolai G. Rainov von der Universitätsklinik Liverpool auf einem Symposium der Dt. Hirntumorhilfe (www.hirntumor.net) in Berlin berichtet hat.
Eine dieser Eigenschaften ist die große Menge an Rezeptoren für Interleukin 4 (IL-4) auf den Tumorzellen. Forscher haben ein Immuntoxin entwickelt, das an die IL-4-Rezeptoren bindet und dadurch ins Zellinnere gelangt. Dort wird es aktiviert und setzt ein extrem toxisches bakterielles Endotoxin frei.
Daß dieser Therapie-Ansatz tatsächlich funktioniert, ist jetzt in einer ersten Phase-I/II-Studie mit 31 Patienten nachgewiesen worden, die Gliome mit hoher Malignität hatte. Bei den ersten 24 ausgewerteten Patienten, denen die Substanz über vier Tage mit Hilfe eines intratumoralen Katheters verabreicht wurde, wurde eine Ansprechrate von 71 Prozent erzielt Dies sei noch konservativ geschätzt, da klassische Kriterien wie die Verkleinerung des Tumors hier vielleicht gar nicht griffen, sagte Rainov.
Die unerwünschten Wirkungen waren aber nicht gering. Fast alle Patienten hatten vorübergehend erhöhten Hirndruck. Mehr als 80 Prozent bekamen Krämpfe. Dies sei möglicherweise auf eine zu hohe Dosis zurückzuführen, so Rainov.
Ein anderer Therapie-Ansatz ist die Verwendung onkolytischer Adenoviren (Onyx-015), die sich nur in Krebszellen vermehren können. Außer der lokalen Tumorstörung erhoffen sich Onkologen die Induktion einer Immunantwort. Erste klinische Prüfungen hätten positive Ergebnisse bei Patienten mit rezidiviertem Glioblastom gebracht. Die erst nach einigen Wochen auftretende Tumornekrose spreche für eine systemische Immuninduktion. In einer Phase-II-Studie werde zudem das Leukämie-Mittel Imatinib (Glivec®) geprüft.