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Clostridium novyi: Der Tumorzerstörer

von Claudia Steinert für DocCheckNews 16.09.2014

Anaerobe Bakterien der Art Clostridium novyi fühlen sich in sauerstoffarmem Tumorgewebe pudelwohl und zerstören genau die Bereiche, die mit klassischen Behandlungsmethoden nicht erreicht werden können. Erste Versuche an Tieren und Menschen geben Hoffnung.

Die klassische Chemotherapie oder die Bestrahlung haben bei der Behandlung von Krebs ihre Grenzen. Beiden Methoden gelingt es häufig nicht, tief ins Innere der Tumore, in die schwach durchbluteten und sauerstoffarmen Bereiche, vorzudringen. Doch Bakterien der Art Clostridium novyi, die nur in Abwesenheit von Sauerstoff wachsen, können genau diese Krebszellen zerstören und dadurch Tumore in Ratten, Hunden und sogar einem Menschen zum Schrumpfen bringen. Diese Ergebnisse wurden vor Kurzem in Science Translational Medicine veröffentlicht.

„Wir haben vielversprechende Hinweise darauf, dass dieses Bakterium dazu benutzt werden könnte, bestimmte inoperable Tumore zu behandeln“, sagt Saurahb Saha, Autor der Studie, in einer Pressemitteilung. „Das könnte Patienten Hoffnung geben, die keine anderen Optionen mehr haben.“ Gerade bei Hirntumoren ist auch eine vollständige operative Entfernung oft nicht möglich, zu tief sitzt die Erkrankung im lebenswichtigen Nervengewebe. C.novyi jedoch findet die entarteten Zellen effektiver als ein Chirurgenskalpell es könnte – und frisst sie einfach auf.

Zerstört Tumorzellen und weckt das Immunsystem

Damit das möglichst nebenwirkungsfrei vonstattengeht, veränderten die Wissenschaftler zunächst das Bakterium C. novyi so, dass es keine giftigen Stoffe mehr produziert. Aus C.novyi wurde C.novyi-NT, für nicht-toxisch. Dann injizierten sie diese Bakteriensporen direkt in die künstlich eingebrachten Hirntumore von Ratten. Die Sporen selbst sind inaktiv, erst bei Erreichen von sauerstofffreier Umgebung fangen die Bakterien an zu wachsen, die Zellen zu infizieren und schließlich aufzulösen.

Tatsächlich wuchsen die Bakterien extrem präzise nur im Tumorgewebe und verschonten die gesunden Zellen, die sich nur wenige Mikrometer entfernt befanden. Auch mikroinvasive Tumorzellen, die tief im gesunden Hirngewebe saßen, wurden zuverlässig aufgespürt. Nicht zuletzt sorgten die Bakterien dafür, dass das Immunsystem sich in die Vernichtung der entarteten Zellen einschaltete. Die mit Bakteriensporen behandelten Nagetiere hatten folglich eine bedeutend höhere Überlebensrate als ihre Artgenossen ohne C.novyi-Therapie.

Therapieerfolg bei mehr als einem Drittel der Hunde

Doch die Ergebnisse von Nagetieren sind nicht immer auf den Menschen übertragbar. Tumore bei Hunden hingegen ähneln menschlichen Tumoren viel stärker, die Anzahl der genetischen Mutationen und das Spektrum der Mutationen sind vergleichbar. Deshalb rekrutierten die Forscher 16 Hundehalter, deren vierbeinige Freunde spontane Tumore aufwiesen. In diese injizierten sie ein bis vier Mal 100.000 Sporen von C.novyi-NT im Abstand von je einer Woche. Bei drei Hunden verschwand der Tumor komplett, bei ebenso vielen schrumpfte er beträchtlich. Die Behandlung zeigte also bei mehr als einem Drittel der Tiere Erfolge. Die Nebenwirkungen waren meistens nur schwach ausgeprägt und äußerten sich vor allem in Entzündungen an der Einstichstelle.

Phase-1-Studie am Menschen

Auch eine Patientin hat sich bereits im Rahmen einer Phase-1-Studie dieser Behandlung unterzogen. Sie litt an einem retroperitonealen Leiomyosarkom und hatte bereits mehrere Chemo- und Strahlentherapien sowie operative Tumorentfernungen hinter sich – alles ohne Erfolg; statt den Tumor zu bezwingen, hatten sich nach der Behandlung zahlreiche Metastasen gebildet.

In eine dieser Metastasen in der Schulter spritzten die Ärzte 1.000 C.novyi-NT-Sporen. In den ersten Tagen traten lokal starke Schmerzen und hohes Fieber von bis zu 39,2 °C auf. Doch trotz der wesentlich geringeren Sporenzahl konnte bereits am dritten Tag eine großflächige Zerstörung des Tumors beobachtet werden. Die Patientin wird weiterhin überwacht und hat zurzeit Status 1 auf der Skala der Eastern Cooperative Oncology Group (ECOG). „Im Verlauf der Phase-1-Studie wird es interessant sein zu sehen, ob eine höhere Sporen-Dosis auch entfernte Metastasen angreift, entweder direkt durch die Ausbreitung der Sporen im Blutkreislauf oder durch eine Immunantwort“, schreiben die Autoren.

Doch eine Behandlung mit Bakteriensporen wird immer auch an eine Chemo- oder Strahlentherapie gekoppelt sein. Da die Bakterien nur im sauerstoffarmen, nekrotischen Gewebe wachsen und gedeihen, verschonen sie die gut durchbluteten Randgebiete der Tumore. „Wir befinden uns noch in einem frühen Stadium und müssen die Sicherheit und Wirksamkeit der Behandlung sowie die Wechselwirkungen mit anderen Krebstherapien weiter untersuchen“, sagt Saurabh Saha.


Quelle: news.doccheck.com/de/newsletter/1174/8193/

dirlis

Danke, BlueGene!

Ich würd jetzt nicht behaupten, dass ich alles verstanden habe...
Aber es klingt doch vielversprechend...
Ich bewundere dich dafür, dass Du Dich immer wieder um neue Informationen kümmerst.

Herzliche Grüße von Dirls

dosilue

verstanden schon, doch sind hier die Gelder besser angelegt als für die Waffen usw., die Forschung wird es vielleicht mal packen, aber leider zu spät für uns...

Hubertus

Da wo so etwa 1000 Milliarden Dollar in einer Dekade verdient werden, wird sich sicher das ein oder andere Milliardchen noch finden lassen um das eine oder andere Patentchen aufzukaufen.
Das Wohl und Wehe von Millionen "den Märkten" zu überlassen ist
ein Verbrechen der Politik. Und sie wissen was sie tun!
LG Hubertus

Frederik

Kann man sich zu dieser Studienreihe irgendwo anmelden?

Milka60

Hallo,
Jetzt ist der letzte Eintrag schon etwas her....
Vielleicht gibt es schon neue Erkenntnisse darüber ? Im Internet bin ich leider nicht fündig geworden.
Hoffe das jemand antwortet

Liebe Grüße
Milka

SpinEcho

Die neueste Veröffentlichung zu diesem Therapieansatz findet man hier:

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4437957/

Den Ansatz, "entschärfte" anaerobe Bakterien (nicht vergessen: Clostridium noyvi ist ein Gasbranderreger - Vorsicht, Bilder der Symptome sind nichts für schwache Nerven) genau auf die Tumorteile loszulassen, die schlecht durchblutet und damit resistent gegen Strahlenbehandlung und Chemo sind, ist sehr ausgefuchst.

styrianpanther

Vielen Dank für die Aktualisierung


Mit freundlichen Grüßen Styrianpanther

kaho

"...Vorsicht, Bilder der Symptome sind nichts für schwache Nerven"

Also ich dachte echt, ich halt was aus, schließlich wühl ich von berufswegen auch in Würmern. Aber das ist schon krass!

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