Klaudia[a]
Fahrt ins Nichts
Blomberger hat keine Ansprüche an Unfallversicherung und Berufsgenossenschaft
Von Silke Buhrmester
Blomberg. Unfall ist nicht gleich Unfall. Und es gibt Fälle jenseits von Alkoholismus und Drogenkonsum, in denen weder die Unfall-Versicherung noch die Berufsgenossenschaft einem Verunglückten unter die Arme greifen. Peter K. (Name v. d. Red. geändert) musste diese leidvolle Erfahrung in den vergangenen fünf Monaten machen. In jener Zeit nach dem 7. Mai 2002. Einem Dienstag, der eigentlich ein ganz normaler Arbeitstag gewesen wäre.
Peter K. befand sich an diesem Nachmittag mit seinem Auto auf dem Heimweg wie so oft in den vergangenen elf Jahren. Doch ein Bruchteil von Sekunden veränderte das Leben des 60-Jährigen nachhaltig.
Damals, als er aus seinem völlig zermatschten Auto kletterte, das soeben auf der Gegenfahrbahn frontal mit einem Transporter zusammengestoßen war, muss es ihm vorgekommen sein wie ein Wunder: Nur eine kleine Prellung vom Sicherheitsgurt hatte er davongetragen bei dem Unfall, der gar keiner war.
Doch das erfuhr der Blomberger erst sehr viel später.
Zunächst ging Peter K. auf die Polizisten und Unfallbeteiligten zu und konnte glasklar schildern, wie es zu dem Unfall gekommen war: Aus unerfindlichen Gründen hatte er für einen kleinen Moment das Bewusstsein verloren. Den wahren Grund für den Unfall erfuhr er gut eine Woche später. Diagnose: Hirntumor.
Banges Warten
Für Peter K. begann eine Zeit des schier endlosen Wartens. Nervenaufreibendes Warten auf den Operationstermin im Bielefelder St. Gilead-Krankenhaus, der immer wieder verschoben wurde. Banges Warten auf den Befund der Ärzte nach der, wie sich später zeigte, geglückten Operation am 2. August.
Und als schließlich alles halbwegs überstanden war, musste sich Peter K. in den Papierkrieg stürzen: "Damals habe ich noch gedacht: Zum Glück habe ich zwei Unfallversicherungen mit einem guten Krankenhaustagegeld ", erzählt er. Noch dazu war der Unfall auf dem Arbeitsweg passiert. Vermutlich ein Fall für die Berufsgenossenschaft. Doch Peter K. ging leer aus: Keinen Cent von den rund 2500 Euro Krankenhaustagegeld, keine Zusatzrente im Falle einer Erwerbsunfähigkeit.
Denn, so erläutert Marina Bieberstein, Leiterin der Lippischen Landesbrand-Geschäftsstelle in Blomberg, Peter K. hat gar keinen Unfall im Sinne des Versicherungsvertrages gehabt: "Bei einem Unfall wirkt etwas plötzlich mit Gewalt und von außen auf den Körper ein." Im Fall des 60-Jährigen sei es aber so gewesen, dass sein Tumor in direktem Zusammenhang mit dem Unglück gestanden habe. Auch wenn die Krankheit vorher nicht bekannt gewesen sei. Denn der Tumor habe die Bewusstlosigkeit und damit den Zusammenstoß verursacht. Ironie des Schicksals: "Was anderes wäre es gewesen, wenn Herr K. mit seinem Fuß vom Pedal abgerutscht wäre und es dadurch zu dem Unglück gekommen wäre", erklärt Bieberstein.
Ebenso argumentiert Christian Sprotte, Pressesprecher der Berufsgenossenschaft Druck und Papierverarbeitung in Wiesbaden: "Die Kosten muss in diesem Fall die Krankenkasse tragen. Da es sich um eine anlagebedingte Erkrankung handelt, besteht kein Anspruch auf unsere Leistungen." Was die mögliche Erwerbsunfähigkeit angehe, müsse sich Peter K. an den Rentenversicherungsträger wenden.
Fader Beigeschmack
Der Blomberger weiß, dass die Versicherungen im Recht sind. Was bleibt, sind knapp 20 Euro aus dem Versicherungstopf für die Schulterprellung. Und ein fader Beigeschmack: "Dass mein Unfall genau so eingestuft wird als wäre ich unter Alkoholeinfluss gefahren, gibt mir zu denken", seufzt er.
Eine der beiden Unfallversicherungen hat Peter K. mittlerweile gekündigt: "Sonst heißt es nachher, wenn ich zuhause von der Leiter falle, dass das mit dem Tumor zusammenhängt."
Marina Bieberstein kann den Frust verstehen. Doch sie warnt vor vorschnellen Kündigungen: "Mit der Unfallversicherung sichert man mit wenig Aufwand den Super-Gau ab." Sofern dieser nicht durch eine unbekannte, im Körper tickende Zeitbombe verursacht wird