Stefan[a]
Fehldiagnose: Hirntumor heißt Jan
Glückskind Jan
Die Geschichte könnte ein Ärzte-Witz sein: Der Gehirnturmor heißt Jan... Jan ist 17 Monate alt, ein aufgeweckter Junge. Seine Eltern Meike (28) und Andreas (29) M. aus Heitlingen sind glücklich, dass sie ein gesundes Kind haben - von dessen Existenz sie allerdings bis sechs Stunden vor der Geburt nichts wussten.
Mutter Meike wurde von einer hannoverschen Frauenärztin wegen Verdacht auf Hirntumor behandelt - nachdem alle Medikamente, die eine Regelblutung auslösen sollten, bei der fülligen Frau nicht angeschlagen hatten.
Für Meike M. war es ein Schock, als beim 19. Arztbesuch plötzlich die Wehen einsetzten.
"Ich konnte mich nicht vorbereiten, mich nicht richtig auf das Kind freuen, hatte keinen Mutterschutz", sagt die Gebäudereinigerin, die am Morgen vor der Geburt noch gearbeitet hat. Sie klagt vor dem Landgericht auf 5000 Mark Schmerzensgeld. Denn: Eine gütliche Einigung mit dem Münchener Anwalt der Ärztin (und Versicherung) ist gescheitert. Der Jurist lehnte eine Entschädigung ab: Die Frau habe sich ein Kind gewünscht, nun sei es da.
Die Vorgeschichte begann Ende Juni 2000: Da war Meike M. (28) zum ersten Mal bei ihrer Frauenärztin, weil sie seit zwei Monaten keine Regel hatte. "Ein Schwangerschaftstest, den ich selbst gemacht hatte, war negativ."
Ebenso der Ultraschall in der Arztpraxis.
Sie habe ein Medikament bekommen, das Blutungen auslösen sollte. Als das nicht half, habe die Ärztin den Hormonspiegel bestimmen lassen und festgestelt: der Prolaktin-Wert war zu hoch. Prolaktin ist ein Hormon, das den weiblichen Zyklus steuert. Bei einem zu hohen Wert bleibt die Regel aus, was auf Hirntumor, bakterielle Erkrankungen - oder auch eine Schwangerschaft hindeuten kann. Denn: Prolaktin steuert auch die Produktion der Milchdrüsen.
Meike M. bekam ein Mittel, das den Hormonwert senken sollte, aber nicht anschlug. Deshalb schickte die Ärztin sie wegen Verdacht auf Hirntumor zum Röntgen. Doch der Kopf ok. "Auf das Naheliegende - eine Schwangerschaft - ist die Ärztin nicht gekommen", sagt Meike M.s Anwalt Andreas Schäfer.
Und die Frau selbst? "Mir kam der Gedanke. Mein Bauch wurde hart, ich hatte Hunger auf Süßes." Sie habe zugenommen, "aber sechs Kilo fallen bei meiner Figur nicht auf." Keine Tritte des Kindes? "Wenn, dann habe ich sie nicht wahrgenommen." Bestärkt durch die Ärztin sei sie darauf eingestellt gewesen, "dass ich bei meinem Hormonwert nicht schwanger werden kann."
Am 16. März 2001 sollte sich wieder bei ihrer Ärztin vorstellen. Gegen 13 Uhr setzten in der Praxis die Wehen ein. Die Ärztin schickte sie nach Hause - sie könne noch Packen fürs Krankenhaus... Um 19 Uhr wurde im Friederikenstift der kleine Jan geboren, 3100 Gramm schwer, 49 Zentimeter lang. "Gesund trotz allem", so die glücklichen Eltern.
Bei der Geburt, die völlig unvorbereitet kam, erlitt Meike M. Damm- und Scheidenrisse. Auch psychisch war die Niederkunft ein Schock. "Es hat zwei Wochen gedauert, bis ich damit klar kam."
Der Anwalt der Ärztin hat jegliche Entschädigung abgelehnt. Es gebe keinen Schaden, schrieb er. Meike M. habe ein Kind gewollt. Und Verletzungen könnten bei jeder Geburt auftreten.
Neue >Presse, HANNOVER, VON ANNETTE ROSE