
Katja[a]
Donnerstag, 23. März 2006
Fortschritte bei der Therapie von Hirntumoren
Auch für andere Krebsarten sind neue Mittel in Sicht
Anne Brüning
Aus der onkologischen Grundlagenforschung gibt es eine ganze Reihe guter Nachrichten. Sie lassen hoffen, dass sich die Behandlung verschiedener Krebserkrankungen bald verbessern wird, hieß es gestern auf einer Pressekonferenz beim Deutschen Krebskongress im Berliner ICC.
Für Patientinnen mit erblichem Brustkrebs etwa wird noch in diesem Jahr in einer klinischen Studie an einigen hundert Patientinnen ein neues Medikament getestet. Das berichtete Rita Schmutzler von der Universität Köln, die in Deutschland die 12 Zentren für Familiären Brust- und Eierstockkrebs koordiniert.
Die Reparatur hemmen
Bei dem Mittel handelt es sich um einen so genannten Parp-Inhibitor, der ein wichtiges DNA-Reparaturenzym hemmt und die Krebszellen dadurch zum Absterben bringt. "Der Wirkstoff ist für Frauen gedacht, die eine veränderte Version der Brustkrebsgene BRCA1 und BRCA2 haben", sagte Schmutzler. Veränderungen in diesen Genen weist jede zweite Patientin mit erblichem Brustkrebs auf.
Als großen Fortschritt bezeichnete der Neurologe Michael Weller von der Universität Tübingen eine neue Therapie für Glioblastom-Patienten. Dieser Hirntumor ist besonders gefürchtet. "Mindestens jeder zweite Patient ist zwei Jahre nach der Diagnose nicht mehr am Leben", berichtete Weller.
Bislang würden die Tumore nur bestrahlt. Im vergangenen Jahr sei nun erstmals untersucht worden, ob die Patienten von einer Kombination aus Chemo- und Strahlentherapie profitieren. Dabei zeigte sich, dass nur diejenigen Patienten auf die kombinierte Therapie ansprachen, denen im Tumorgewebe das Reparatureiweiß MGMT fehlte. "Immerhin fehlt dieses Eiweiß bei 50 Prozent der Glioblastom-Patienten", sagte Weller. Die zusätzliche Chemotherapie verbesserte die Überlebensraten bei diesen Patienten deutlich. Künftig könne man also testen, ob ein Patient für eine zusätzliche Chemotherapie in Frage kommt. Zurzeit sei der MGMT-Nachweis allerdings noch sehr aufwändig. Weller hofft, dass in zwei Jahren ein solcher Test einfach vorzunehmen sein wird.
Präzisere Bestrahlung
Patienten mit verschiedenen Tumorarten könnten von einer verbesserten Bestrahlungstechnik profitieren, der Intensitätsmodulierten Strahlentherapie (IMRT). "Dabei handelt es sich um eine besonders gezielte Bestrahlung, die das gesunde Gewebe schont, das den Tumor umgibt", berichtete Claus Belka von der Universität Tübingen. Eine Computersoftware hilft den Ärzten dabei, die Strahlen so auszurichten und abzuschatten, dass sie möglichst nur das Tumorareal treffen.
Von Vorteil sei die Bestrahlungstechnik zum Beispiel bei Tumoren im Hals-Nasen-Ohren-Bereich, um die Ohrspeicheldrüsen zu schädigen oder bei der Bestrahlung der Prostata, um den Enddarm nicht in Mitleidenschaft zu ziehen. Weil sie viel Expertise verlangt und relativ teuer ist, werde die IMRT bislang jedoch nur in wenigen Universitätskliniken angeboten. In Berlin wird die IMRT-Technik in der Charité-Strahlenklinik im Wedding angewandt.
Wie Dieter Marmé von der Universität Freiburg berichtete, sind bei vielen Pharmakonzernen Wirkstoffe in der Entwicklung, die die Bildung neuer Blutgefäße in der Krebsgeschwulst - die so genannte Tumorangiogenese - unterdrücken sollen. Die Wirkstoffe sollen bestimmte Rezeptoren blockieren, um den Tumor auszuhungern. Das erste dieser Mittel, Sutent vom Pfizer-Konzern, sei in den USA bereits zugelassen. Doch Marmé warnt vor großen Erwartungen: "Die Medikamente konzentrieren sich alle auf denselben Angriffspunkt. Die Krebszellen werden andere Wege finden, ihre Blutzufuhr zu sichern." Krebs müsse man von verschiedenen Seiten bekämpfen. In 15 Jahren, hofft er, könnte das möglich sein.