Peter[a]
Zeitung für Lübz-Goldberg-Plau
Mittwoch, 15. Mai 2002
Hilfe zur Rückkehr in den Alltag
Frührehabilitation im Klinikum Plau verhilft Patienten zu größtmöglicher Selbstständigkeit
Jeden kann es treffen. Selbst "Superman": Der Schauspieler Christopher Reeve sitzt seit einem Unfall im Rollstuhl und gilt als amerikanischer Held, weil er seine schwerste Behinderung meistert. Die Frühreha Plau erkämpft Patienten den Weg zurück ins Leben.
Jana Thomas konnte nicht laufen, nicht sprechen und nicht schlucken, war halbseitig gelähmt, als sie in die Frühreha Plau kam. Am Tag der Offenen Tür steht sie vor dem Publikum und sagt: "Obwohl ich schlimm dran war, habe ich hier viel Spaß und Freude gehabt."
Sie ist ein Beispiel, nur eines, das zeigt, was die moderne Frührehabilitation bei ihren Patienten erreichen kann. Schlaganfälle, schwere Verletzungen des Gehirns oder Querschnittslähmungen durch Verletzungen des Rückenmarks, Hirnblutungen und Hirntumor-Operationen liefern der Frührehabilitation die Patienten mit oft schwerer Beeinträchtigung der Funktionen, die für "Gesunde" so selbstverständlich sind, dass sie gar nicht darüber nachdenken, wie es sich ohne sie leben würde.
So vielfältig wie die Ursachen sind auch die Herausforderungen, vor denen das Team der Frühreha, die übrigens von Chefarzt Prof. Erich Donauer 1996 gegründet wurde, steht. Ärzte, Pfleger und Pflegerinnen, Logopäden, Physiotherapeuten und Psychologen arbeiten hier Hand in Hand, um ihren Patienten, die schlimmstenfalls nicht mehr selbstständig atmen können, ein möglichst hohes Maß an Selbstständigkeit zurückzugeben.
Auf einem Rundgang gewinnt man einen Eindruck von dem, was die Station und ihre Crew leisten. Und die Patienten. "Die Mitarbeit der Patienten ist immer gefragt und gefordert", erklärt Oberarzt Dr. Peter Schumann.
Die Auswirkungen, die etwa ein Schlaganfall hat, sind so unterschiedlich, dass am Anfang aller Rehabilitation erst einmal eine Bestandsaufnahme steht. "Was können wir erwarten, was wollen wir erreichen, was kann der Patient schaffen", listet Assistenzarzt Holger Bang die Herausforderungen auf, die sich bei jedem einzelnen Fall, hinter dem immer ein persönliches Schicksal steckt, stellen.
Einem Patienten etwa, der nur noch eine Hand kontrollieren kann, die aber feinmotorisch eingeschränkt ist, kann mit Operationen, Medikamenten und gezieltem Training zumindest die Kontrolle über diese Hand so weit wiedergegeben werden, dass er damit per Joystick seinen Rollstuhl und verschieden Geräte steuern kann.
"Wir sehen die Möglichkeit, Lebensqualität zu geben", begeistert sich Holger Bang, "wenn wir mit Resten von Körperfunktionen wieder ein Höchstmaß an Selbstständigkeit erreichen können." Dafür werde auf der Frührehga-Station gekämpft, "bis alle Licht am Ende des Tunnels sehen."
Die Frühreha im Plauer Klinikum ist in in Deutschland einzigartiger Weise mit einer Intensivstation, einer Neurochirurgie und der Anschluss-Heilbehandlung gekoppelt. "Die kurzen Wege sind gut für die individuelle Behandlung", stellt Dr. Schumann die Besonderheiten der Plauer Abteilung heraus.
In der Logopädie trainiert gerade René mit Logopädin Nicole Pickert das Schlucken. Nicht nur Sprach- und Sprechfähigkeit fallen in die Zuständigkeit der Lgopädie. Das gesamte Wahrnehmungs- und Kommunikationssystem des Menschen gehört dazu, auch schmecken und riechen. Das Öffnen eines Joghurtbechers ist für René eine Heldentat, das Essen erst recht. Doch so kleine Schritte sind ein Erfolg. Sie brauchen aber viel Aufwand über medizinische Technologie hinaus.
"Die Therapie ist zeitintensiv", weist Dr. Schumann eventuelle Wünsche der Gesundheitspolitik nach vermeintlich höherer Effizienz zurück. Mit gestresstem Personal könne man keine Rehabilitation machen.
Drei Löffel Joghurt hat René bewältigt, mehr schafft er heute nicht. Noch nicht.
Philip Schroeder